Dschundallah
20. Oktober 2009"Dschundallah" nennen sie sich, "Soldaten Gottes". Sie agieren hauptsächlich in der Provinz Sistan-Balutschistan, im Südosten Irans. Hier an der Grenze zu Pakistan und Afghanistan leben viele Balutschen, eine ethnische Minderheit, die dem sunnitischen Islam anhängt. Die Sunniten sind die größte der verschiedenen religiösen Minderheiten, die es im schiitisch dominierten Iran gibt. Und sie sind - wie die anderen religiösen und ethnischen Minderheiten auch - Repressalien ausgesetzt. Unter dem amtierenden Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad haben sich die Konflikte noch verstärkt.
Soldaten Gottes oder Kriminelle?
Ihrem Selbstverständnis nach ist die Dschundallah eine religiös motivierte Rebellengruppe, die die Interessen der unterdrückten sunnitischen Glaubensbrüder verteidigt. Aber so einfach sei die Sachlage nicht, differenziert Jamsheed Faroughi, der Leiter der Farsi-Redaktion der Deutschen Welle: "Manche behaupten, und es gibt dafür auch Indizien, dass die Dschundallah auch in den Drogenschmuggel verwickelt sind. Es ist sehr schwer zu sagen, ob die jetzt eine paramilitärische Organisation sind oder vielmehr eine Mischung aus einer politischen, aber auch einer kriminellen Gruppe."
Dschundallah contra Pasdaran
Der Anschlag vom Sonntag (18.10.2009) in Pischin, bei dem über 40 Angehörige der iranischen Revolutionsgarden getötet wurden, war nicht der erste dieser Art: Im Februar 2007 hatten die Dschundallah einen Bus der Elitetruppe gesprengt, damals waren 18 Mitglieder der Pasdaran ums Leben gekommen. Die Pasdaran oder Revolutionsgarden sind eine paramilitärische Organisation, die von Ayatollah Ruhollah Chomeini 1979 im Rahmen der islamischen Revolution im Iran gegründet wurde. Sie spielen auch 30 Jahre nach der Gründung der islamischen Republik eine zentrale Rolle im Staat. Die Revolutionsgarden haben nicht nur militärische, sondern auch politische und wirtschaftliche Macht. Die Mehrzahl der Minister im Kabinett Ahmadinedschads sind oder waren Mitglied der Revolutionsgarden. Ein Anschlag auf die Pasdaran ist also immer auch ein Anschlag auf das Regime des Landes.
Der Ort des Anschlags, Pischin, liegt nur wenige Kilometer von der pakistanischen Grenze entfernt. In Pakistan hält sich auch der Anführer der Dschundallah, Abdulmalik Rigi, versteckt. Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad erhob nach dem Attentat prompt Vorwürfe, der pakistanische Geheimdienst habe den Anschlag unterstützt. Jamsheed Faroughi glaubt nicht daran: "In der Vergangenheit haben die beiden Länder gut zusammengearbeitet, zum Beispiel wurde Abdel Hamid Rigi, der Bruder des Dschundallah-Führers, von Pakistan festgenommen und dann an den Iran übergeben."
Marionetten des Westens?
Aus iranischer Sicht gibt noch weitere Verdächtige. Britische und US-amerikanische Geheimdienste sollen die Dschundallah gefördert, ja den Anschlag in Auftrag gegeben haben. In der Zeit von George Bush war dies tatsächlich Strategie: Ethnische und religiöse Minderheiten im Iran wurden unterstützt, um die Regierung zu destabilisieren. Der amtierende US-Präsident Barack Obama bevorzugt - zumindest offiziell - eine andere Politik: Zusammenarbeit, Respekt und Dialog statt Ausgrenzung und Drohung.
Auch ist der Westen zur Zeit bemüht, den Iran durch Verhandlungen zur Aufgabe seines Atomprogramms zu bewegen - gleichzeitig einen Anschlag auf das Regime in Auftrag zu geben, wäre da eher kontraproduktiv. Wahrscheinlicher scheint, dass Ahmadinedschad durch den Verweis aufs Ausland von den ethnischen und religiösen Konflikten innerhalb seines Landes ablenken möchte.
Den Interessen der Sunniten und Balutschen jedenfalls haben die Dschundallah nach Einschätzung von Jamsheed Faroughi einen Bärendienst erwiesen. Er geht davon aus, dass nach dem Anschlag in Pischin die staatliche Kontrolle und Repression noch weiter erhöht wird.
Autorin: Rachel Gessat
Redaktion: Dеnnis Stutе