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Irans Währungsreform als Kosmetik

17. Mai 2020

Der Iran soll eine neue Währung bekommen, der Toman ersetzt den Rial. Sechsstellige Beträge an der Supermarktkasse sollen damit der Vergangenheit angehören. Irans Wirtschaftsprobleme werden so aber nicht gelöst.

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Gelscheine Iran Banknoten
Rial ist noch die offizielle Währung im IranBild: Imago/Upi Photo

Irans Währung soll einen neuen Namen bekommen: Der Toman, bislang das zweite, vor allem im Alltag gebräuchliche Zahlungsmittel Irans, soll die offizielle Währung der islamischen Republik, den Rial, ablösen. Zuvor durchläuft er eine Schlankheitskur: Vier Nullen sollen dem Toman gestrichen werden, so dass der Bevölkerung endlich wieder eine übersichtliche und - so jedenfalls die Hoffnung -  stabile Währung zur Verfügung steht.

So hatte es in Reaktion auf eine seit Jahren anhaltende Diskussion der Idee in den vergangenen Jahren die iranische Zentralbank in einem Entwurf ausgearbeitet. Anfang Mai stimmte das Parlament dem Plan zu. Erhält er die Zustimmung des Wächterrats, könnte die neue Währung in zwei bis drei Jahren an den Start gehen.

Der Währungswechsel wurde aus der Not geboren. Hatte die Inflationsrate in den Jahren 2016 und 2017 noch bei über neun Prozent gelegen, stieg sie bis 2019 auf über 41 Prozent. Derzeit liegt sie wieder bei 34 Prozent.

Irans Neue Banknoten
Neue Banknoten im Iran sollen in zwei bis drei Jahren in Umlauf gebracht werdenBild: cbi.ir

"Irans Wirtschaft geht es schlecht"

"Irans Wirtschaft geht es schlecht", sagt Katrin Kamin, Handelsökonomin mit Schwerpunkt politische Ökonomie am Institut für Weltwirtschaft Kiel. "Seit der Wiedereinführung der US-Sanktionen 2018 steigt die Inflationsrate bei gleichzeitiger Abwertung des Rial. Es gibt ein komplexes Wechselkurssystem bestehend aus drei Wechselkursen, die unterschiedlichen Zweigen der Wirtschaft zur Verfügung stehen."

Dennoch sei Iran auf den internationalen Finanzmärkten aufgrund seiner volatilen Landeswährung und dem sehr teuren US-Dollar stark eingeschränkt. Dies wirke sich auch auf das Bruttoinlandsprodukt aus, das im letzten Jahr um über neun Prozent gesunken sei. Für das laufende Jahr seien die Prognosen noch schlechter. "Die Menschen können sich bei steigender Inflation nur das Nötigste leisten und reduzieren ihre Ausgaben in anderen Bereichen. Darüber hinaus wurde der Iran schwer durch die COVID-19-Pandemie getroffen. Die notwendigen Lockdown-Maßnahmen haben der Wirtschaft in den letzten Monaten zusätzlich stark zugesetzt", so Kamin, die über die ökonomischen Auswirkungen von COVID-19 im Iran geforscht hat.

Iran | Coronavirus: Hassan Rouhani
Kündigt Einschränkungen an: Präsident Hassan RohaniBild: picture-alliance/ZUMAPRESS/Iranian Presidency

Eine Vielzahl von Krisen

Noch sind die Auswirkungen der Pandemie zwar nicht eindeutig absehbar. Doch bereits Ende März deutete der iranische Präsident Hassan Rohani an, was auf die Bevölkerung zukommen dürfte: Rund ein Fünftel des Staatshaushalts für das laufende iranische Jahr würden für die Bekämpfung des Coronavirus bereitgestellt. 

Die Pandemie fällt in eine Zeit, da der Außenhandel kontinuierlich schrumpft. Den aktuellen Daten der Zollverwaltung für den Nicht-Öl-Außenhandel zufolge sind zwischen Mitte März bis Mitte Oktober 2019 die Exporte aller Waren (mit Ausnahme des Erdöls) im Vergleich zum entsprechenden Zeitraum des Vorjahrs um 11 Prozent auf 24,4 Milliarden US-Dollar gesunken. Auch die Importe fielen um fünf Prozent auf nun 25,2 Milliarden Dollar.

Selbst die Geschäfte mit China, Irans wichtigstem Handelspartner, sind stark zurückgegangen, liest man auf der Webseite der deutschen Außenwirtschaftsförderungsgesellschaft German Trade & Invest (GTAI). Sie beruft sich auf Angaben der chinesischen Zollbehörde. Demnach sind die Lieferungen nach Iran in den ersten zehn Monaten 2019 gegenüber der entsprechenden Periode des Vorjahres um 39 Prozent auf 7,8 Milliarden US-Dollar gesunken. Auch die chinesischen Importe aus Iran seien gefallen, und zwar um 37 Prozent auf 11,7 Milliarden Dollar. 

Was erhoffen sich die Staatsführer unter diesen Umständen von dem Währungswechsel? "Mehrere Vertreter der Regierung sowie der Iranischen Zentralbank (CBI) haben deutlich gemacht, dass ihnen die rein kosmetische Wirkung einer Neudenominierung bewusst ist", sagt Katrin Kamin. "Sie soll den Menschen vor allem tägliche monetäre Transaktionen einfacher machen, da diese mit weniger Geldscheine hantieren müssen und einfacher umrechnen können." Außerdem sollen nach einer Erhöhung der Geldmenge auch Druckkosten eingespart werden.

Iran Insel Chark Ölindustrie
Gedrosselter Export: Iranischer Tanker am Kharg Island Oil TerminalBild: AP

Falsche Reihenfolge

Größere positive ökonomische Effekte könne der Währungswechsel allerdings nur dann bringen, wenn an anderen ökonomischen und politischen Stellschrauben gedreht werde, so die Ökonomin. "Hält die Hyperinflation weiter an, verändert sich für die Bevölkerung tatsächlich nichts und ein anfänglich positiver psychologischer Effekt könnte schnell verspielt sein."

Das Vorgehen der iranischen Regierung sei gewagt, sagt auch der in Paris lebende Ökonom Fereydoun Khavand. "Normalerweise überholt man zunächst die Wirtschaft und ändert dann die Währung", zitiert die New York Times den Wirtschaftswissenschaftler. Die iranische Regierung habe das Gegenteil getan. Unter den gegenwärtigen Umständen sei das aber schwierig. "Die Regierung befindet sich in einer finanziellen Notlage, ohne Aussicht auf finanzielle Unterstützung von außen oder von innen, also versuchen sie dies", so Khavand.

Ein Währungswechsel könne grundsätzlich zwar erfolgreich sein, sagt Kamin. Voraussetzung sei allerdings, dass auch die anderen der Wirtschaftskrise zugrunde liegenden Probleme angegangen würden. Wichtig sei hier insbesondere eine Reform des Banken- und Währungssystems. "Das ist notwendig, um die Zentralbank CBI unabhängiger zu machen und dadurch zu stärken. Diese Reformen sind auf dem Weg, und es gibt hier tatsächlich eine stärkere Kooperation zwischen dem Parlament und der Regierung als in den vorangegangenen Jahren."

Iran Teheran Coronavirus
Corona-Tote in Teheran Bild: picture-alliance/AP Photo/E. Noroozi

Internationale Hilfe nötig

Allerdings sei weiterhin unklar, wie die iranische Führung das Problem der drei bestehenden Wechselkurse mit einer Währungsreform lösen wolle, so Kamin. "Das Haushaltsdefizit Irans wird auf zwischen 30 und 50 Prozent geschätzt. Außerdem ist das System nach wie vor durch Misswirtschaft geprägt. Hinzu kommt die Ausgrenzung Irans von den internationalen Märkten sowie Finanzmärkten durch die Sanktionen, welche Irans niedrige Fremdwährungsreserven weiter schmelzen lassen. Gepaart mit dem rekordtiefen Ölpreis aufgrund des Preiskampfes unter den OPEC-Ländern und aufgrund der durch Corona bedingten Nachfrageschocks hat Iran derzeit keine Möglichkeit, diese Reserven aufzubauen. Zudem hat die Bevölkerung wenig Vertrauen in ihre politische Führung. All diese Faktoren erschweren die anvisierten Reformen."

Ohne Aussicht auf internationale Hilfe oder Erleichterung sei Irans Handlungsspielraum stark eingeschränkt, so Kamin. "Der Iran muss sich außenpolitisch um Dialog und Verständigung bemühen, wenn er an dieser Stellschraube drehen möchte. Die EU sollte zudem ihr diplomatisches Gewicht in die Waagschale werfen, um den Dialog zu erhalten."

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika