Isabel Allende wird 80
1. August 2022Sie hat 26 Bücher geschrieben, übersetzt wurden sie in 42 Sprachen und rund 75 Millionen hat sie verkauft. 60 Mal wurde sie in 15 Ländern für ihr Werk und ihre Verdienste ausgezeichnet und zwei internationale Filmproduktionen basieren auf ihren Romanen.
Das sind die harten Fakten, die Isabel Allende auf ihrer Homepage unter der Rubrik "Biografie" auflistet. Wohl einfach nur, damit das schon einmal abgehakt ist. Denn eigentlich findet sie es befremdlich, so auf ihr eigenes Leben zurückzublicken: "Es ist nur eine Liste von Daten, Ereignissen und Leistungen. In der Realität spielen sich die wichtigen Dinge meines Lebens in den verborgenen Kammern meines Herzens ab und haben keinen Platz in einer Biografie."
Nicht die Bücher seien ihre größten Erfolge, sondern die Liebe, die sie mit einigen Menschen verbinde und die Momente in denen sie versucht habe, anderen zu helfen. Etwa als sie sich während der Militärdiktatur unter dem chilenischen Machthaber Augusto Pinochet für politisch Verfolgte engagierte oder als Feministin, die bis heute in ihrer "Isabel Allende Foundation" für die Rechte der Frauen kämpft.
Insofern ist auch ihr jüngster Roman "Violeta" ein Plädoyer für diejenigen, die sich in der Macho-Welt behaupten müssen. Es ist die Biografie ihrer Mutter Panchita, mit der Isabel Allende bis zu deren Tod 2018 eng verbunden war. Und es ist auch wieder keine Biografie, sondern ein Wunschdenken der Tochter: Denn während die Romanheldin sich dank ihrer Geschäftstüchtigkeit finanzielle Unabhängigkeit und Freiheit erkämpft, war Allendes Mutter von ihren zwei Ehemännern abhängig. Auch die fiktive Violeta ist zwar einerseits stark und kämpferisch, verhält sich aber gerade in der Liebe nicht immer emanzipiert.
Der ein Jahrhundert umfassende Roman ist erstaunlich aktuell. Er beginnt im Geburtsjahr Violetas 1920, in dem weltweit die Spanische Grippe grassiert, und endet 2020 mit der Corona-Pandemie.
"Das Geisterhaus" - Allendes Erstlingswerk
Auch Allendes Erstlingswerk "Das Geisterhaus", das sie weltberühmt machte, hat biografische Züge. In dem Roman geht es um das Leben einer großbürgerlichen Familie, die unter dem gewalttätigen Patriarchen Esteban Trueba leidet. Als dann gegen Ende ein Militärputsch den sozialistischen Staatspräsidenten entmachtet, setzt Trueba große Hoffnungen in die neue Regierung. Er wird enttäuscht, denn die neuen Machthaber, die Terror und Verfolgung über das Land bringen, verschonen auch seine Familie nicht.
Als Isabel Allende die Familiensaga 1982 schrieb, war sie bereits im Exil in Venezuela. Das Militär unter Pinochet hatte ihren Großcousin, den sozialistischen Präsidenten Salvador Allende, 1973 in Chile gestürzt. Kurze Zeit später beging er Selbstmord. Von da an fühlte sich die Autorin, Journalistin und Feministin in ihrer Heimat nicht mehr sicher.
Die Rechte der Frauen stärken
Isabel Allende wurde am 2. August 1942 in Lima als älteste Tochter eines chilenischen Diplomaten geboren. Weil sich ihre Eltern getrennt hatten, verbrachte sie den größten Teil ihrer Kindheit im Haus ihres Großvaters. Später lebte sie in Bolivien und im Libanon und kehrte dann nach Chile zurück. Dort arbeitete sie als Journalistin, heiratete und bekam zwei Kinder - Tochter Paula und Sohn Nicolás. Ihrer Tochter, die mit 29 Jahren an einer Stoffwechselkrankheit gestorben war, widmete sie 1994 ihren gleichnamigen, sehr persönlichen Roman, in dem sie ihren Tod thematisiert.
Schon früh hat sich Isabel Allende für die Rechte der Frauen eingesetzt. 1968 gründete sie die einzige feministische Zeitschrift Chiles, "Paula", in der sie auch ihren Großonkel Salvador Allende unterstützte. Außerdem schrieb sie schon damals diverse Theaterstücke und machte sich als Fernsehmoderatorin einen Namen.
Die Arbeit im Exil
Nach ihrem Weggang ins venezolanische Exil begann sie, einen imaginären Brief an ihren verstorbenen Großvater zu schreiben. Aus dem langen Brief wurde ein Manuskript, aus dem Manuskript der Roman "Das Geisterhaus". Der Roman wurde 1993 unter anderem mit Meryl Streep und Winona Ryder verfilmt. Schon in ihrem Erstlingswerk fiel der ungewöhnliche Erzählstil von Isabel Allende auf, bei dem Fiktion und Realität miteinander verwoben sind, der sogenannte "magische Realismus". Die grausame Wirklichkeit verband sie mit einer Fantasiewelt voller Magie, die immer wieder von Hoffnung geprägt war.
Kritiker werfen ihr allerdings vor, sie habe den Literaturpreisträger Gabriel García Márquez kopiert, der den magischen Realismus, das Verschwimmen von Fiktion und Realität, geprägt habe. Ihre Geschichten über starke Frauen und große Lebenszyklen haben die Jury des chilenischen Nationalpreises für Literatur trotzdem überzeugt, sodass sie 2010 mit dem Preis geehrt wurde.
"Ich schaue zufrieden auf mein Leben"
Seit über 25 Jahren lebt Isabel Allende in den USA, Chile aber ist und bleibt, wie sie einmal in einem DW-Interview sagte, ihre Heimat: "Ich fühle mich noch immer als Chilenin. Meine Eltern sind Chilenen, meine Familie ist chilenisch und ich habe die ersten Jahre meines Lebens in Chile gelebt, wichtige Jahre, Jahre die prägen."
Mit 75 Jahren hat sie sich nach der Scheidung von ihrem zweiten Ehemann noch mal verliebt. Roger Cukras war ursprünglich ein Fan von ihr, der ihr E-Mails schickte. Heute ist sie mit ihm in dritter Ehe verheiratet. Und mit Sicherheit freut er sich schon auf ihren nächsten Roman, denn Isabel Allende will auf jeden Fall weiterschreiben.
Mit ihrem Alter hadert sie nicht, im Gegenteil, sie hält es für "ein kostbares Geschenk": "Als ich jung war, fühlte ich mich oft verzweifelt", schreibt die Autorin auf ihrer Homepage. "Da war so viel Leid in der Welt und so wenig, was ich hätte tun können, um es zu lindern. Aber jetzt schaue ich zurück auf mein Leben und bin zufrieden, denn es sind nur wenige Tage vergangen, an denen ich nicht versucht habe, etwas zu bewirken."
Dies ist die aktualisierte Fassung eines Geburtstagsporträts aus dem Jahr 2017.