Islam-Gelehrter: "Koran schreibt keinen Nikab vor"
7. September 2016"Der Nikab ist eine Tradition, die Gewohnheitsrecht wurde, und die dem Brauchtum mancher Länder entstammt, aber von der nichts in den Grundlagen des islamischen Rechtes, in der Scharia, steht", sagte einer der einflussreichsten islamischen Gelehrten, Scheikh Khaled Omran, in einem Interview der ARD. Omran ist Generalsekretär des Fatwa-Rates der renommierten Al-Azhar-Universität in Kairo. Die Rechtsgutachten des Rates gelten für sunnitische Muslime als verbindlich.
Kleidungsfragen seien "weitgehend private Angelegenheiten", so der Experte weiter. Zwar seien die Frauen des Propheten Mohammed verpflichtet gewesen, einen Gesichtsschleier zu tragen. Doch "diese Ausnahmen bieten keine Rechtfertigung für Nachahmung", sagte Omran. Der Koran und die Überlieferungen des Propheten (Sunna) gäben als Richtlinien lediglich vor, dass ein Kleidungsstück "nicht körperbetont, nicht enthüllend und nicht enganliegend" sein dürfe. "Dazu kommt jedoch, dass die Kleidung die Hände und das Gesicht nicht bedecken darf." Frauen hätten "die freie Wahl", einen Nikab zu tragen, ein Gesichtstuch mit einem Schlitz für die Augen. Wer sich jedoch dafür entscheide, dürfe dies "nicht als einen religiösen Akt betrachten".
"Nikab ist kein religiöser Akt"
Die Gelehrten bewerteten den Nikab unterschiedlich, erläuterte Omran. Eindeutig erlaubt seien Gesichtstücher nach islamischem Recht als Schutz, etwa bei Sandstürmen. Ansonsten sollten Muslime sich an der jeweiligen Gesellschaft orientieren, in der sie lebten: Wenn der Nikab einen Schutz biete, könnten Frauen ihn anlegen. "Aber wenn der Nikab einer Gesellschaft Nachteile bringt - wenn der Nikab als Verkleidung dient, um terroristische Verbrechen zu verüben, dann spreche ich mich dafür aus, den Nikab zu verbieten!"
pab/djo (epd, kna)