Islamisten-Miliz verlässt Mogadischu
6. August 2011Die Version der somalischen Übergangsregierung lautet, die islamistische Shebab-Miliz sei in nächtlichen Kämpfen aus der Hauptstadt Mogadischu vertrieben worden. Ministerpräsident Abdiweli Mohamed Ali ließ aus seinem schwer gesicherten Amtssitz verlauten, die Stadt befinde sich vollständig unter Kontrolle der Regierung. Er kündigte zugleich an, seine Führung werde damit fortfahren, Shebab in allen Regionen des Landes zu "vernichten".
Präsident Scheich Scharif Ahmed lobte die Sicherheitskräfte dafür, die "Friedenshasser und Terroristen" in die Flucht gejagt zu haben. Er rief die Bevölkerung auf, den Soldaten zu helfen und "alle Shebab-Mitglieder auszuliefern, die sich in ihren Häusern verstecken". Es sei an der Zeit, die "Früchte des Friedens" zu ernten.
Dagegen erklärte Shebab-Sprecher Scheich Ali Mohamud Rage, die Rebellen hätten ihre Taktik geändert. Die Islamisten hätten sich selbst aus Mogadischu zurückgezogen. Die Angriffe würden nun "verdoppelt", sagte er im lokalen Rundfunksender "Radio Koran". Man werde der Zentralregierung "in den kommenden Stunden eine unvergessliche Lehre erteilen".
Vielleicht eine Falle
Die Friedenstruppe AMISOM der Afrikanischen Union, unter deren Schutz die Regierung steht, erklärte, man werde die Angaben prüfen, wonach Mogadischu von den Islamisten befreit sei, mahnte aber zunächst zur Vorsicht. "Es könnte sich um eine Falle handeln", sagte ein Sprecher im kenianischen Nairobi.
Bewohner berichteten, dass Shebab-Milizen ihre Positionen über Nacht verlassen hätten. Seit ihrer Gründung 2007 hat sich die Gruppierung noch nie komplett aus Mogadischu zurückgezogen.
Die vom Westen unterstützte Regierung in Mogadischu gilt als schwach. Sie beherrscht nur kleine Teile des seit dem Bürgerkrieg von 1991 zerrissenen Landes. Selbst die Hauptstadt war bislang nicht vollständig unter ihrer Kontrolle. Eine funktionierende Zentralregierung gibt es in Somalia seit 20 Jahren nicht mehr.
Ziel Gottesstaat
Die 2009 nach einer Friedensregelung gebildete Regierung wird von der Shebab-Miliz bekämpft, die große Teile Südsomalias beherrscht. Die Rebellen wollen am Horn von Afrika einen islamischen Gottesstaat errichten, der sich an einem weltweiten Dschihad beteiligen soll. Die AMISOM hat seit Februar im Kampf gegen die Miliz deutlich an Boden gewonnen. Die Truppe, bestehend aus rund 9000 Soldaten aus Uganda und Burundi, ist seit 2007 in Somalia stationiert.
Ob die neue Entwicklung eine nachhaltige politisch-militärische Veränderung in dem afrikanischen Land einleitet, muss sich noch zeigen. Erst am Freitag war wieder einmal deutlich geworden, dass die Regierung ihr eigenes Militär nur bedingt unter Kontrolle hat. Bei einem bewaffneten Angriff auf UN-Lastwagen mit Lebensmitteln für Hungernde waren mehrere Menschen getötet worden. Medienberichten zufolge sollen Regierungssoldaten für die Plünderung verantwortlich gewesen sein.
Verhinderte Hilfe
Die Rebellen lassen seit Jahren nur bedingt Hilfslieferungen an die leidende Bevölkerung zu. Sie begründen dies damit, dass viele westliche Organisation politische Ziele verfolgten. Zuletzt drohten die Islamisten mit Angriffen auf die Flüchtlingslager in und um Mogadischu, in denen mehr als 100.000 Hungernde Zuflucht gesucht haben.
Somalia ist das von der derzeitigen Dürrekatastrophe am Horn von Afrika am schwersten betroffene Land. Zehntausende Somalier sind bereits gestorben. Die Vereinten Nationen haben inzwischen für fünf Regionen offiziell eine Hungersnot ausgerufen.
Niebel kommt
Der deutsche Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) hat angesichts der schweren Hungersnot in Somalia einen freien Zugang für Hilfslieferungen in alle betroffenen Gebiete verlangt. Noch immer funktioniere die Versorgung der Menschen dort nicht zuverlässig, sagte Niebel dem Magazin "Der Spiegel".
Es müsse jetzt um die Rettung von Menschenleben gehen, nicht um Politik, so der Minister. Niebel kündigte an, in der kommenden Woche ins benachbarte Kenia zu reisen, um sich ein Bild von der Lage in der Region zu machen.
Autor: Thomas Grimmer (dpa, AFP, dapd)
Redaktion: Stephan Stickelmann