„Ist der Eiffelturm etwa auch zu?“
25. Oktober 2001Fassungslos blickt Erika Mai auf die gläserne Pyramide des Pariser Louvre, in den sie wieder nicht eingelassen wird: "Ich stehe hier schon den fünften Tag in Folge und die streiken immer noch", schimpft die Touristin aus Köln. "Jetzt habe ich die Nase voll." Zehntausende Besucher treffen seit Wochen auf verschlossene Türen, wenn sie sich an den Kunstschätzen der französischen Hauptstadt erfreuen wollen. Schon seit zweieinhalb Wochen blockieren streikende Angestellte die Eingänge von Museen und anderen Sehenswürdigkeiten. Betroffen sind neben dem Louvre, dem weltgrößten Kunstmuseum, vor allem das Musée d'Orsay mit Werken aus dem 19. Jahrhundert, das Centre Pompidou mit moderner Kunst und das Rodin-Museum, aber auch der Triumphbogen und das Pantheon.
Schon wieder Pech für britisches Ehepaar
Zu den enttäuschten Besuchern, die ratlos im Innenhof des Louvre stehen und sich einen neuen Plan für den Tag zurecht legen, gehört auch ein Ehepaar aus Großbritannien. "Letztes Jahr waren wir an einem Dienstag da und konnten auch nicht rein", zuckt Justin Smith resigniert mit den Schultern. Französische Museen haben traditionell am Dienstag geschlossen. "Ist der Eiffelturm etwa auch zu?", fragt ihr Mann besorgt. Doch das Wahrzeichen von Paris wird nicht bestreikt. Frustriert ist auch ein Paar aus dem Saarland: "Wir haben eine Karte für mehrere Museen gekauft und können die gar nicht richtig nutzen."
Manchmal sind Museen doch für Stunden geöffnet Ein Ende der Streiks ist zunächst nicht absehbar. Jeden Tag aufs Neue stimmen die Gewerkschafter darüber ab, ob sie die Aktionen fortsetzen oder nicht. Viele Touristen suchen die bevorzugten Ziele deshalb mehrfach auf. Manchmal werden überraschend für einige Stunden die Tore geöffnet. Darauf hatte Erika Mai ursprünglich auch gehofft. Aber inzwischen hat die Kölnerin den Besuch im Louvre völlig abgeschrieben. "Da gehe ich nicht mehr rein, selbst wenn sie mir das Ticket schenken."
Chronischer Personalmangel der Grund für die Streiks
Einige Touristen reagieren gelassen und steuern sofort die nächste Sehenswürdigkeit an. Andere schimpfen über die Zeit- und Geldverschwendung und lassen ihre Wut an Luc Girault aus. Der Museumswärter vor dem Eingang des Louvre versucht den Standpunkt seiner streikenden Kollegen zur Geltung zu bringen. "In den staatlichen Museen gibt es seit Jahren einen chronischen Personalmangel", erklärt Girault. "Mit der 35-Stunden-Woche, die ab Januar Gesetz wird, wird das noch schlimmer".
Die Streikenden - eine kleine Minderheit der Museumsmitarbeiter - fordern unter anderem Neueinstellungen, doch die Verhandlungen mit der Regierung verlaufen äußerst schleppend. Das Kulturministerium will die Zahl der 1700 Louvre-Mitarbeiter nicht entsprechend der Arbeitszeitverkürzung aufstocken.
Streiks kommen zu einem ungünstigen Zeitpunkt
Allein der Louvre muss an Streiktagen auf rund 15.000 Besucher verzichten. Für den Pariser Fremdenverkehr ist das ein schwerer Schlag: "Dieser Streik fällt in eine äußerst ungünstige Zeit, weil die Zahl der Touristen nach den Anschlägen in den USA ohnehin schon um 20 Prozent gesunken ist", kritisiert der Leiter des Tourismusbüros, Christian Mantei. Er befürchtet, dass einige Besucher der Stadt entnervt für immer den Rücken kehren werden.
Diese Sorge scheint nicht in allen Fällen begründet: "Ich bin zwar das erste Mal in Paris, aber Streiks in Frankreich sind ja nichts Neues", sagt Gabi Jacob gelassen. Die in den USA lebende Deutsche sieht darin eher einen Grund, "noch mal wiederzukommen". Und die Australierin Anne Murphy, die ihrer elfjährigen Tochter Emma gerne mal die Mona Lisa gezeigt hätte, hat eine andere Idee: "Let's go shopping."