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Ist Kernenergie der Weg, um die Klimaziele zu erreichen?

7. Dezember 2023

Eine Erklärung, die Nuklear-Kapazität zu verdreifachen, gibt auf der Weltklimakonferenz offenbar neuen Schwung für die Kernenergie. Doch ist mehr Atomkraft nur eine Ablenkung oder eine echte Lösung für die Klimakrise?

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Tschechien AKW Dukovany - Dampf steigt aus Kühltürmen
Bild: Zoonar.com/www.artushfoto.eu/picture alliance

"Die Nuklearenergie ist zurück", erklärte der französische Präsident Emmanuel Macron auf dem UN-Klimagipfel in Dubai letzte Woche und beschwor damit ihre Wiederbelebung nach Jahrzehnten des Rückgangs.

Frankreich, ein Vorreiter in der Kernenergie, ist eines von mehr als 20 Ländern - darunter die USA, das Vereinigte Königreich, die Vereinigten Arabischen Emirate und Japan-, die bei der Weltklimakonferenz COP28 eine Absichtserklärung unterzeichnet haben, die Kapazität der Kernenergie bis 2050 zu verdreifachen.

Obwohl sie keine "Erneuerbare" ist, gilt Kernenergie als eine saubere Energiequelle, da sie im Vergleich zu Öl, Kohle und Gas relativ geringe Emissionen von Treibhausgasemissionen produziert.

Doch das Problem der Entsorgung von nuklearem Abfall, der für Zehntausende von Jahren radioaktiv bleiben kann, macht Kernkraft zu einer umstrittenen Energiequelle. Und die potentielle Gefahr für einen Nuklearunfall wie die Reaktorkatastrophen in Tschernobyl oder Fukushima macht es nicht einfacher.

Fahne lachender Sonne und mit Aufschrift: "Atomkraft? Nein Danke" auf einer Demonstration in Berlin
Deutschland hat alle seine Kernkraftwerke stillgelegt - das Land hat traditionell eine starke Bewegung gegen diese EnergiequelleBild: Tim Brakemeier/dpa/picture-alliance

Weltweit gibt es mehr als 430 Reaktoren, die zusammen etwa 10% des globalen Stroms erzeugen. 57 weitere Anlagen sind derzeit im Bau. Mit der neuen Absichtserklärung soll diese Zahl erhöht werden - zu einer Zeit, in der Länder wie Deutschland die Kernenergie abbauen.

Was genau beinhaltet die COP28-Erklärung zu Ausbau der Kernenergie?

Die Erklärung besagt, dass eine Wiederbelebung der Kernenergie entscheidend sei, um Null-Emissionen zu erreichen, das Ziel zu erreichen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, und um eine stabile, kohlenstoffarme Energieversorgung sicherzustellen, während die Welt auf erneuerbare Energien umstellt.

Die unterzeichnenden Länder haben erklärt, dass sie zusammenarbeiten werden, um die Kapazität der Kernenergie bis 2050 um das Dreifache im Vergleich zu 2020 zu erhöhen. Dafür wollen sie die Lebensdauer bestehender Anlagen verlängern und neue Reaktoren, einschließlich neuer kleiner modularer Reaktoren (SMRs), bauen. Diese sollen billiger, schneller zu bauen und sicherer als herkömmliche Reaktoren sein.

Hilft Kernenergie gegen den Klimawandel?

Das würde einen Sprung von 400 Gigawatt (GW) jährlicher Kernkapazität auf fast 1200 GW bedeuten und wahrscheinlich Hunderte neuer Anlagen, so William D. Magwood. Er ist Generaldirektor der in Paris ansässigen zwischenstaatlichen Agentur für Kernenergie (NEA), deren Analyse zur Rolle der Kernenergie für Emissionsreduzierung in der Erklärung zitiert wird.

Kann Kernkraft realistisch in 27 Jahren verdreifacht werden?

Kritiker sagen dass Kernenergie zu teuer und zu langsam sei, um einen schnellen Beitrag zur Emissionsreduzierung zu leisten. Wegen hoher Anfangskosten, Bauzeiten von mindestens einem Jahrzehnt pro Anlage und vielen Verzögerungen bei Nuklearprojekten sei eine Verdreifachung der Kapazität unrealistisch.

Mycle Schneider, unabhängiger internationaler Energieanalyst, der gemeinsamen mit weiteren Experten den jährlichen   Internationalen Statusreport der Nuklearindustrieveröffentlicht, hält das Ausbauziel aus "industrieller Sicht für schlicht unmöglich". Er weist darauf hin, dass die Stromerzeugung aus Kernkraft weltweit im Schnitt um 4 Prozent abnimmt. 

Schneider zufolge müsste die Branche "zusätzlich zu den derzeit im Bau befindlichen Reaktoren weitere 270 Reaktoren oder 230 GW bauen und in Betrieb nehmen", nur um die bis 2050 geplanten Schließungen Schritt zu halten.

"Es gibt keine Anzeichen dafür, dass dies möglich ist, geschweige denn, dass die derzeitige Betriebskapazität bis dahin verdreifacht werden kann", so Schneider.

Neue SMR Reaktoren weltweit noch im Anfangsstadium 

Auch wenn Befürworter sagen, dass die SMRs der entscheidende Umschwung für die Kernenergie bedeuten könnten, und Investoren wie Microsoft-Mitbegründer Bill Gates sie finanzieren wollen, die neuen Anlagen befinden noch im Anfangsstadium. Bisher sind weltweit nur drei SMRs Einsatz.

Dennoch sagt Magwood, der frühere Chef für Kernenergie im US-Energieministerium, dass die Ziele erreicht werden können, wenn Regierungen und Industrie engagiert genug seien. "Wenn wir den Klimawandel wirklich ernst nehmen, wird es ziemlich einfach, die Kapazität zu verdreifachen."

Das schnelle Tempo von AKW-Neubauten in den 1970er und 1980er Jahren in den USA, Frankreich, Schweden und anderen Ländern habe gezeigt, dass es "machbar und realistisch" sei. Frankreich bezieht heute rund 70% seines Stroms aus der Kernenergie.

Ist die Kernenergie eine Ablenkung von erneuerbaren Energien?

Laut dem im November veröffentlichten UN-Emissionslückenbericht müssen die vorhergesagten globalen Emissionen bis 2030 um 42% sinken, um den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen und die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels vermeiden zu können.

Mehr als 100 Länder haben jetzt auf der Weltklimakonferenz ihre Absicht erklärt, die Kapazität für erneuerbare Energien bis 2030 zu verdreifachen. Nach Angaben der in Paris ansässigen zwischenstaatlichen Internationalen Energieagentur(IEA) muss das jährliche Investitionsvolumen für saubere Energie, einschließlich Kernenergie, bis 2030 auf rund vier Billionen US-Dollar pro Jahr verdreifacht werden, um bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen.

Aber angesichts der Dringlichkeit, Treibhausgasemissionen aus fossilen Brennstoffen zu reduzieren, kritisieren Klimaaktivisten der Gruppe 350.org, die Ausweitung der Kernenergie anstelle von billigeren und schnellere Klimaschutzmaßnahmen. "Wir haben bereits billigere, sicherere, demokratischere und schnellere Lösungen für die Klimakrise, und das sind erneuerbare Energien und Energieeffizienz.", sagt Masayoshi Iyoda von 350.org Japan. Er nennt Kernenergie eine "gefährliche Ablenkung".

Gemeinsames Ziel: Emissionen schnell senken 

Aidan Rhodes vom Energy Futures Lab der Imperial College London, sieht jedoch im Bau neuer Kernenergieanlagen keine Konkurrenz um Finanzierung mit den erneuerbaren Energien.

"Erneuerbare Energien wie Wind und Sonne sind relativ schnell aufzubauen und bieten schnelle Renditen. Wenn Sie heute ein Kernkraftwerk bauen wollen, wird es wahrscheinlich 10 bis 15 Jahre dauern, bevor man überhaupt Strom bekommt, und das verändert die finanzielle Entscheidung für Investoren", so Rhodes.

Das deutsche Umweltbundesamt (UBA) hat diese Woche eine Studie veröffentlichte, in der es heißt, eine Verdreifachung der Kernenergie sei "nicht erforderlich, um die Klimaziele des Pariser Abkommens zu erreichen".

Doch Rhodes findet, dass es keine grundsätzliche Entscheidung zwischen den Technologien geben müsse.

"All diese Technologien haben ihren Platz im System", sagt Rhodes. "Sie haben alle Nachteile. Sie haben alle Vorteile. Wenn wir eine davon ausschließen würden, verlangsamen wir den Übergang. Und das ist die eigentliche Gefahr."

Holly Young Holly Young ist Klimareporterin bei der DW Umweltredaktion in Berlin.@holly_young88