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Politik

Italien und Ungarn wollen EU nach rechts treiben

29. August 2018

Abschottung soll nach Willen der Rechtspopulisten der Wahlkampfschlager für das Europäische Parlament 2019 werden. Italiens Innenminister und Ungarns Premier formen eine populistische Koalition. Bernd Riegert berichtet.

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Italien Matteo Salvini empfängt Viktor Orban
Ein rechtes Herz und eine nationalistische Seele: Orban (li.) und Salvini (re.) in MailandBild: Getty Images/AFP/M. Bertorello

"Er ist mein Held", schwärmte der ungarische Premier über den italienischen Innenminister. Matteo Salvini nennt Viktor Orban sein politisches "Vorbild". Gemeinsam haben die beiden populistischen Männerfreunde in Mailand ein Manifest vorgestellt, das die Migrationspolitik der EU endgültig auf Abschottung und Abweisung umstellen soll. Der rechtsradikale "Lega"-Chef und der "illiberale Demokrat" aus Ungarn wollen bei den nächsten Wahlen zum Europäischen Parlament im Mai 2019 so viele Sitze ergattern, dass die Anti-Migrations-Koalition die Zusammensetzung der neuen EU-Kommission entscheidend mitbestimmen kann. Die nächste EU-Kommission müsse dafür sorgen, dass die Migranten aus Afrika, die sich bereits in Italien oder einem anderen EU-Land aufhalten, wieder nach Afrika zurückgebracht werden. Die von Italien und Ungarn praktizierte Abweisung von Migranten auf hoher See oder an Land reicht den beiden Nationalisten nicht mehr; sie wollen eine Koalition der Willigen gegen Migration schmieden.

Orban will eine "neue EU"

Viktor Orban sieht bereits zwei Lager in der Europäischen Union - eines gegen Zuwanderung, angeführt von ihm, und eines für "grenzenlose" Zuwanderung, angeführt von seinem neuen Lieblingsgegner, dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, und vom ungarisch-stämmigen US-Milliardär George Soros. Beide hält Orban, durch seine nationalistische Brille blickend, für liberal, also böse. Der italienische Rechtsaußen Salvini schlägt in die gleiche Kerbe und kritisiert den französischen Präsidenten, der wiederum Salvini inhumane Migrationspolitik und Erpressung seiner EU-Nachbarn vorgeworfen hatte. Salvini keilt zurück und fordert Frankreich auf, Migranten, Asylbewerber und Flüchtlinge aus Italien aufzunehmen. Nach einem Abkommen zwischen Italien und Frankreich können die Franzosen bereits registrierte Migranten an den gemeinsamen Grenzen unmittelbar zurückweisen. Davon machen sie auch reichlich Gebrauch.

Der ungarische Premier, der mit seiner Fidesz-Partei in der gleichen Fraktion im Europäischen Parlament sitzt wie die deutschen Konservativen von CDU und CSU, will bei seinen Schwesterparteien für seinen harten Kurs werben. "Ich hoffe, dass die Europäische Volkspartei sich auf die Seite der Völker Europas stellen wird", sagte Orban in Mailand. Bislang hat der Fraktionschef der EVP, Manfred Weber (CSU), an Orban als Bundesgenossen festgehalten. Wie lange die deutschen Konservativen diesen Rechtsdrall noch mitmachen wollen, ist fraglich.

Österreich Innsbruck - EU-Innenminister | Seehofer, Deutschland Kickl, Österreich & Salvini, Italien
Keine Berühungsängste: CSU-Innenminister Seehofer (li.), Kollegen Kickl (FPÖ), Salvini (Lega) in Innsbruck (12.07.2018)Bild: DW/B. Riegert

Die Anti-Migrations-Koaliton wächst

Die Chancen für die neue Anti-Migrations-Koalition in der EU stehen nicht schlecht. Schon heute dürfen Staaten wie Polen, Tschechien, die Slowakei und Österreich dazu gerechnet werden. In einigen anderen Staaten können Salvini und Orban auf Zuspruch bauen. In Frankreich etwa war die fremdenfeindliche Partei von Marine Le Pen bei den Europawahlen 2014 überaus erfolgreich und errang die meisten Sitze. Wer weiß, wie das 2019 bei der Europawahl im Mai werden wird? 

In Deutschland erreicht die rechtspopulistische AfD Spitzenwerte in den Umfragen. In Dänemark, in Finnland, in Schweden und den Niederlanden sind Rechtspopulisten relativ stark. Der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU) hat erst vor einigen Wochen mit dem italienischen Rechtsradikalen und dem österreichischen Innenminister, dem Rechtspopulisten Herbert Kickl, einen gemeinsamen Pakt in der Migrationspolitik vereinbart. Die Ziele heißen grob: Außengrenzen schließen, Migranten so gut wie möglich abschrecken. Auf eine Verteilung von Migranten und Asylbewerbern oder eine Reform der Dublin-Regeln über die Zuständigkeit für Asylbewerber konnten sich die drei Minister in Innsbruck nicht verständigen. Da laufen die Interessen diametral gegeneinander, da keiner Migranten des anderen aufnehmen will.

Italien Migranten verlassen Diciotti Rettungsschiff
Salvini will Schiffbrüchige weiter nicht an Land lassen, sondern nach Libyen bringenBild: Reuters/A. Parrinello

Die allgemeine Richtung der europäischen Migrationspolitik jedoch ist vom Ansatz der Herren Salvini und Orban gar nicht weit entfernt. Die Staats- und Regierungchefs aller 28 EU-Mitglieder haben wiederholt beschlossen, dass die Außengrenzen möglichst dicht gemacht werden sollen und neue Ankünfte verhindert werden sollen. Außerdem sollten innerhalb und außerhalb der EU Aufnahmeeinrichtungen mit schnellen Asylverfahren und schnellen Abschiebungen eingerichtet werden. Daraus ist aber bis heute nichts geworden, weil kein EU-Staat eine solches Zentrum beherbergen und betreiben will. Dem italienischen Innenminister geht das alles zu langsam. Deshalb hat er im Alleingang seine Häfen geschlossen, hält Schiffsbesatzungen und Schiffbrüchige tagelang als Geiseln, um andere EU-Staaten zur Aufnahme dieser Menschen zu erpressen.

Verhaltene Kritik aus Brüssel

Die EU-Kommission in Brüssel kritisiert diese Methoden. Der EU-Kommissar für Migration, Dimitris Avramopoulos, spricht davon, dass man eine langfristige Lösung für die Verteilung von Migranten und nicht das Vorgehen von Schiff zu Schiff brauche. "Italien schießt sich selbst in den Fuss", sagte Avramopoulos einer italienischen Zeitung. Mehr passiert aber nicht. Ein Aufschrei der Empörung von anderen EU-Staaten blieb weitestgehend aus. Rechtliche Schritte gegen den Bruch der Dublin-Regeln, nach der Italien eigentlich zuständig wäre, sind bislang nicht eingeleitet worden.

Deshalb können Innenminister Salvini und sein Lehrmeister Orban tönen, ihre Politik sei erfolgreich, weil immer weniger Migranten kämen. Die EU-Kommission bestätigt, dass die Zahlen der Neuankünfte weit unter denen der Vorjahre liegt. "Eine Krise gibt es nicht", betont EU-Migrationskommissar Avramopoulos immer wieder. Der Rückgang hatte aber schon weit vor dem Amtsantritt der neuen italienischen Regierung begonnen. Die Populisten redeten eine Migrationskrise herbei, die es gar nicht gibt, meint dazu ein EU-Diplomat in Brüssel. Diese vermeintliche Krise schlachten sie emotional aus und bekämpfen sie dann mit einer kraftmeiernden Politik, die das Publikum beeindrucken soll.

Italien Mailand Protest gegen Orban Besuch
Sozialisten und Flüchtlingsorganisationen: Demonstration gegen die Anti-Migrations-Koalition in MailandBild: picture-alliance/AP/ANSA/M. Bazzi

In Italien selbst stößt der Schulterschluss von Orbans Fidesz-Partei und der rechtsradikalen Lega auch auf Skpesis. Einige Tausend Menschen demonstrierten am Dienstag in Mailand gegen die Anti-Migrations-Koalition. Der populistische Koalitionspartner der Lega, die "Bewegung 5 Sterne", kritisiert Ungarn, weil sich Orban weigert, auch nur einen Migranten aus Italien zu übernehmen. Soldarität unter Nationalisten, die mit dem Motto "Mein Land zuerst" antreten, ist eben Mangelware. Die Ermittlungen der italienischen Justiz gegen sich sieht Salvini als "Ehrenabzeichen" und Signal dafür, dass er richtig handele. Die Staatsanwalt hegt den Verdacht, dass Salvini sich Kompetenzen anmaßt und Migranten ihrer Freiheit beraubt.

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union