Italien will Leichen von Flüchtlingen bergen
20. Mai 2015Der italienische Premier Matteo Renzi hat die Nase voll. Wenn es bei der Europäischen Union um das Thema Mittelmeer-Flüchtlinge geht, stoßen die Forderungen seiner Regierung stets auf taube Ohren. Nun greift er zu einer deutlichen Maßnahme.
"Dort sind 500 bis 600 Leichen - entsetzliche Bilder"
Via Fernsehen teilte Renzi mit, Italien werde die Leichen von hunderten Flüchtlingen bergen lassen, die im April nach dem Kentern ihres Schiffes im Mittelmeer ums Leben gekommen waren. "Wir werden an den Meeresgrund gehen und dieses Boot bergen", sagte er. "Dort unten sind 500 bis 600 Leichen. Wir haben einen Roboter der Marine nach unten geschickt, der entsetzliche Bilder geliefert hat. Die ganze Welt soll sehen, was geschehen ist", fügte der Ministerpräsident hinzu. Es sei nicht zu akzeptieren, dass einige Leute weiterhin nach dem Motto "Aus den Augen, aus dem Sinn" handelten.
Das Flüchtlingsschiff mit wahrscheinlich mehr als 700 Migranten an Bord, darunter auch viele Kinder, war Mitte April bei einem der bislang schlimmsten Unglücke dieser Art vor der libyschen Küste gekentert. Nur etwas mehr als 20 Leichen waren nach der Katastrophe geborgen worden, 28 Menschen überlebten.
Italien hofft auf EU-Beistand
Die zuständige Staatsanwaltschaft in Catania hatte vor einigen Tagen erklärt, sie werde das kurz zuvor lokalisierte Wrack nicht bergen lassen, da dies für die Ermittlungen nicht notwendig sei. Eine solche Aktion vor der libyschen Küste wäre zudem teuer und langwierig.
Nach den Worten Renzis wird die Bergung des Wracks und der sterblichen Überreste der Flüchtlinge insgesamt etwa 15 bis 20 Millionen Euro kosten. "Ich hoffe, das wird die EU bezahlen, andernfalls zahlt es Italien", sagte er.
Der Untergang des Flüchtlingsboots hatte den dringenden Handlungsbedarf der Europäischen Union deutlich gemacht. Die EU setzte einen Sondergipfel an. Italien trägt seit Monaten die Hauptlast bei der Bewältigung der Zehntausenden von Flüchtlingen, die zumeist von Libyens Küste aus starten. Allerdings sträuben sich nach wie vor diverse europäische Länder mit Macht dagegen, die Flüchtlinge über eine Quotenregelung gerechter zu verteilen. Neben Großbritannien und Spanien bekräftigten kürzlich nochmals Frankreich, Polen, Ungarn, Tschechien, die Slowakei und die drei baltischen Staaten ihr Nein.
se/haz (afp, ape, dpa)