Martyrium im Keller
28. April 2008Als weitgehend unauffällig und sympathisch beschreiben die langjährigen Nachbarn den Tatverdächtigen. Unter anderem soll er inzwischen zugegeben haben, dass er seine Tochter jahrzehntelang im Keller eingesperrt und sexuell missbraucht habe. Zudem gestand er den Beamten im Verhör, die Leiche eines der sieben Kinder, die aus dem inzestuösen Missbrauch hervorgegangen waren, kurz nach der Geburt im Heizkessel des Hauses im niederösterreichischen Amstetten verbrannt zu haben.
Der unfassbare Fall war am Sonntag (27.04.2008) in vollem Ausmaß bekannt geworden. Der ehemalige Elektrotechniker hatte nach Angaben der Ermittler seine heute 42 Jahre alte Tochter seit August 1984 auf rund 60 Quadratmetern eingesperrt und regelmäßig missbraucht. Offiziell meldete der Rentner sie als vermisst. Nachbarn beschreiben den Tatverdächtigen als weitgehend unauffällig und durchaus freundlich.
Von der Außenwelt abgeschottet
Die Gendarmen der österreichischen Polizei trauten ihren Augen nicht, als sie das schmale Verlies zum ersten Mal betraten: Keiner der schmalen Kellerräume war höher als 1,70 Meter. In den hermetisch von der Außenwelt abgeschotteten Räumen gab es ein kleines Bad, Schlafstätten, einen Fernseher und eine Kochnische. Sogar eine Gummizelle fanden die Ermittler. Versperrt war das fensterlose Verlies mit einer massiven Stahlbetontür, die nur per Fernbedienung und Zahlencode zu öffnen war.
Von den sieben Kindern, die zwischenzeitlich zur Welt kamen, starb eines nach der Geburt. Drei blieben mit ihrer Mutter bis zu 19 Jahre lang eingesperrt. Die drei anderen lebten bei dem 73-jährigen Täter und dessen Ehefrau, die von alledem nichts mitbekommen haben will. Die Sache flog erst auf, als eines der Opfer bewusstlos im Haus ihres "Großvaters" gefunden wurde.
Schlohweißes Haar
Die Tochter machte bei ihrer Befreiung nach Berichten örtlicher Medien einen äußerst verstörten psychischen Eindruck. Die bereits schlohweiße 42-Jährige bezichtigt ihren Vater inzwischen schwerster Verbrechen. Während eines ihrer Kinder mit einer offenbar Inzest-bedingten schweren Erbkrankheit in der Klinik liegt, werden die anderen von Psychologen betreut und Tag und Nacht von der Polizei bewacht, um ihre Privatsphäre zu schützen. Das Ergebnis einer DNA-Untersuchung zur endgültigen Klärung der Verwandschaftsverhältnisse wird in Kürze erwartet.
Unerwartete Hilfe
Hilfe für die Missbrauchsopfer kommt zudem von unerwarteter Stelle: Die als Kind ebenfalls entführte Österreicherin Natascha Kampusch stellte im Rundfunk Spenden für die schulische Bildung und medizinische Behandlung der Opfer in Aussicht. Die heutige 20-Jährige war acht Jahre in einem Keller eingesperrt, bevor ihr im August 2006 die Flucht vor ihrem Entführer gelungen war. Er hatte das Mädchen im Alter von acht Jahren auf dem Schulweg verschleppt. (win)