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Jan Delay: "Ich bin ein Rock am Ring-Hooligan"

Annabelle Steffes7. Juni 2014

Jan Delay gehört zu den vielseitigsten deutschen Musikern. Zum sechsten Mal trat er 2014 bei Rock am Ring auf. Im DW-Interview erzählte er, warum ihm das Festival viel bedeutet und wie es musikalisch bei ihm weitergeht.

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Jan Delay mit Hut, Sonnenbrille, Schlips und Anzug bei DW-popXport (Foto: Universal)
Bild: Universal

Jan, was macht Rock am Ring so besonders für Dich?

Es ist immer mein Lieblingsfestival gewesen. Jetzt mal abgesehen vom "Splash", das ist natürlich mein Lieblingsfestival, weil ich von da komme. Und den "Summerjam" finde ich natürlich auch super geil. Aber wenn man mal die Subkultur weglässt, so alles umfassend, dann ist Rock am Ring einfach das geilste Festival mit dem geilsten Booking. Weil es so viele verschiedene Facetten hat und bedient. Ich habe das immer geliebt herzukommen, weil ich wusste: Wir spielen abends und ich kann mir dann schön noch Bands angucken.

Wirst Du Dir heute denn noch eine Band angucken können?

Ich würde sehr gerne Slayer sehen, aber die spielen genau vor uns und da muss ich Backstage sein und mich auf den Auftritt vorbereiten.

Du hast überhaupt keine Berührungsängste, was andere Musikgenre angeht und erfindest Dich mit jedem Album neu. Woraus ziehst Du Deine Inspiration?

Die Inspiration ziehe ich aus den jeweiligen Musiken, an denen ich mich bediene. Der Flash daran ist einfach, dass es so immer aufregend bleibt. Dass nichts eingefahren wird, kein Trott, keine Routine, kein "ja, kenn ich schon, hab ich schon gemacht" sich einschleicht. Auf der anderen Seite ist das vielleicht sogar ein bisschen Faulheit, denn es ist viel anstrengender in der gleichen Musik, wo man schon so und so viele Songs gemacht hat, immer noch was zu machen, was man noch nicht gesagt oder gemacht oder getan hat. Und so hält man sich das immer neu und aufregend. Das bleibt halt spannend.

Jan Delay und Annabelle Steffes nach dem Interview bei Rock am Ring 2014 (Foto: Annabelle Steffes/DW)
Jan Delay und Annabelle Steffes bei Rock am Ring 2014Bild: Gülden Akyol

Dieses Jahr hast Du mit "Hammer und Michel" Dein viertes Album veröffentlicht. Weißt Du schon, wie es jetzt weiter geht?

Ja, als nächstes kommt eine Beginner-Platte, auf jeden Fall. Ich habe eh' die ganze Zeit parallel mit den Jungs zusammen gearbeitet und zwei Platten gemacht. Aber irgendwann hatte ich meine Solosongs fertig und dann habe ich gesagt, Rock kommt halt zuerst. Aber als nächstes kommt dann eine Beginner-Platte, eine Rap-Platte.

Wann entstand Deine Liebe zur Musik und wann kamst Du zum ersten Mal mit Rockmusik in Berührung?

Die Liebe zur Musik war von Anfang an da. Mein Vater ist Musiker und ich bin einfach mit der geilen Plattensammlung meiner Eltern aufgewachsen, wo ich auch ran durfte. Insofern, Musik ist schon immer mein Ding gewesen. Und dadurch habe ich auch einfach einen breiten Horizont: Dazwischen war auch eine Ramones-Platte. Die habe ich abgefeiert. Und das war, glaube ich, mein erster Rockbezug.

Dieses Jahr warst Du Schirmherr vom "World Record Store Day". Bist Du der Meinung, dass die Plattenläden mehr Unterstützung brauchen?

Sie brauchen Unterstützung, weil ein Plattenladen eine tolle Institution ist. Auch sozial gesehen. Ein Saturn oder ein Media Markt, die mittlerweile ja die einzigen großen Dinger sind, wo Du inzwischen auch wieder Platten kaufen kannst, die haben nicht so viel von einem sozialen Ort, wo Du Dich gerne aufhältst, Dich mit Menschen austauschst und vielleicht noch einen Kaffee trinkst. Und da ist so ein kleiner Plattenladen was ganz Tolles, weil da ganz viel Leidenschaft und Herz und Wärme drinsteckt, die Dich auch ansteckt. Und die Dich auch mit Musik in Berührung kommen lässt, anders als in so einem Musik-Supermarkt. Das ist etwas Schönes und deshalb lohnt es sich auch immer wieder darauf hinzuweisen. Ich habe mein gesamtes junges Leben in Plattenläden verbracht. Ohne Plattenläden wäre ich nicht hier!

Deutschland Sänger Jan Delay und Udo Lindenberg
Delay mit einem seiner ersten Vorbilder: Udo LindenbergBild: Getty Images

Inwiefern hat sich denn das Hör- und Konsumverhalten der Menschen bei Musik verändert? Was hältst Du von Streaming-Diensten?

Streaming-Dienste finde ich scheiße, weil man da als Musiker einfach viel zu wenig verdient. Es gibt da das Beispiel von Daft Punk. Ihr Song "Get Lucky" wurde ca. 36 Millionen Mal geklickt und was die dafür bekommen haben… Ich weiß die genaue Summe nicht, aber sie ist ein Witz. Irgendwie so was wie 1000 Dollar für 36 Millionen Klicks! Was soll man dazu sagen? Geil finde ich das nicht. Als Konsument bin ich natürlich beeinflusst und weil ich ja auch Künstler bin, nutze ich diese Dienste ohnehin nicht. Ich habe das einmal ausprobiert, weil ich wissen wollte, wie das funktioniert. Ich kann schon die Leute verstehen, denn es ist sehr leicht so zu konsumieren. Und es erklärt sich vieles von selbst und man lernt neue Musik kennen und das macht schon Sinn. Aber ich finde es halt wichtig, dass die Leute weiterhin eine Wertvorstellung von Kunst haben. Von Musik und auch von jeder anderen Kunst, auch vom Geschriebenen. Das wird halt alles so aufgebrochen durch die Verfügbarkeit für alle im Internet. Und das ist schade. Man muss halt sehen, dass die Leute wissen, dass das, was sie da hören, immer noch einen Wert hat. Dass das der Lebensinhalt von Menschen ist, die das geschaffen haben und davon leben. Und das geht halt durch Streaming-Dienste kaputt und dann hören die Leute irgendwann nur noch schöne Klassikeralben auf dem Streaming-Dienst, weil keiner mehr neue Klassikeralben aufnehmen kann, weil er nicht die Zeit dazu bekommt - weil er bei der Post arbeiten muss oder Amazon-Pakete austrägt, damit er seiner Familie was zu essen bringen kann.

Du blickst ja schon jetzt auf eine lange und erfolgreiche Karriere zurück. Wenn Du an Deine Anfänge zurückdenkst, wie fühlt sich das an?

(Lacht) Kurze, kleine, knappe Frage mit einer klitzekleinen Antwort. Dass kann ich nicht einfach so beantworten, da müsste ich ein Buch schreiben. Das ist alles super derbe und ich bin super dankbar dafür, aber ich habe das nie so geplant. Das war halt immer von einer Platte zur nächsten und ich habe Gott sei Dank immer Ideen und einen Flash gehabt. Und es gab immer ein paar Leute, die das interessiert hat und dadurch konnte ich mir erlauben, den nächsten Flash zu machen. Und das ist ganz toll und ich bin dafür sehr, sehr dankbar. Wie das alles passiert ist, kann ich dir nicht sagen. Wir haben ja schon in der Schule angefangen, haben Rap gemacht und sind jedes Wochenende auf Jams gefahren. Und dann haben wir eine Tour und unsere erste Platte gemacht. Und als die Schule fertig war, kam der Durchbruch mit der zweiten Platte. Und dann kam die nächste. Und dann die nächste. Und so ist das halt passiert.

Rock am Ring 2014 Jan Delay
Festival-FeelingBild: Gülden Akyol

Dieses Jahr fand Rock am Ring zum letzten Mal am Nürburgring statt, da Unstimmigkeiten zwischen dem bisherigen Veranstalter Marek Lieberberg und den neuen Rennstrecken-Betreibern herrschen. Beziehst Du als Musiker Position?

Ich muss das tun, weil ich ein "Rock am Ring-Hooligan" bin und hier so oft gespielt habe. Und ich habe die Lieberbergs sehr gerne und bin natürlich auf deren Seite, egal was ist. Bei den ganzen Hintergründen - ich weiß nicht, wer was erzählt und wer Recht hat und wer lügt. Keine Ahnung, aber ich bin auf der Seite von Lieberberg und vom Rock am Ring.

Jan Delay ist ein musikalischer Grenzgänger. Der Durchbruch gelang ihm Mitte der 1990er Jahre mit seiner Hip-Hop Band "Die Absoluten Beginner". In den darauffolgenden Jahren macht er sich auch als Solokünstler einen Namen und erfindet sich mit jedem Album neu: Mal mit Einflüssen aus Jazz und Funk, etwa auf seinem Album "Mercedes Dance", dann rockig auf seiner aktuellen Scheibe "Hammer & Michel". Die Deutsche Welle-Autorin Annabelle Steffes hat den Künstler vor seinem Auftritt bei Rock am Ring getroffen.