Japan: Nachfolge für Premier Kishida gesucht
15. August 2024Die internationale Reaktion auf die Ankündigung des japanischen Premierministers Fumio Kishida, bei den Wahlen zum Parteivorsitz im September nicht mehr anzutreten, ist groß. Denn Kishida wird auch den Posten des Premiers an den nächsten Parteivorsitzenden seiner Liberaldemokratischen Partei (LDP) abtreten.
"Dank der Führung von Kishida", so US-Präsident Joe Biden, "ist die Verbindung zwischen den USA und Japan stärker als je zuvor." Japans Rolle in der Welt habe sich verändert. Seine "mutige Führung wird auf beiden Seiten des Pazifiks noch jahrzehntelang in Erinnerung bleiben".
"Kishida war im Ausland viel beliebter als hier in Japan", sagt Hiromi Murakami, Professorin für Politikwissenschaft am Tokioter Campus der Temple University. "Es ist bezeichnend, dass mehrere ausländische Staatsoberhäupter seine Führungsqualitäten auf der Weltbühne gelobt haben."
Kishida unterstützte die Wirtschaft
Es ist nicht leicht zu erklären, warum sich Kishida zu diesem Schritt entschieden hat. Er arbeitete daran, unzählige Probleme in Japan in den Griff zu bekommen.
Nach der Coronavirus-Pandemie bemühte er sich um die Erholung der Wirtschaft, kürzte die Lohnkosten für Arbeitgeber und hielt die Lebenshaltungskosten unter Kontrolle. Trotzdem sind nach jüngsten Umfragen nur weniger als 20 Prozent der Befragten mit seiner Arbeit zufrieden. Mehrere Politiker seiner eigenen Partei LDP wollen seinen Job übernehmen.
Die LDP hat außerdem mit Korruptionsvorwürfen zu kämpfen. Seine Parteifunktionäre sollen hohe Eintrittsgelder für Parteiveranstaltungen verlangt und dabei in die eigenen Taschen gewirtschaftet haben. Kishida selbst will nicht beteiligt gewesen sein, musste aber deswegen das Kabinett umbilden und mehrere Parteiposten neu besetzen.
"Es war ein schlechtes Jahr für Kishida persönlich und für seine Partei sowieso", sagt Jeff Kingston, Direktor für Asienstudien an der Temple University in Tokio. "Aber seine Ankündigung kommt etwas überraschend, da ich dachte, er hätte hart gearbeitet, um im Spiel zu bleiben."
Internationale Anerkennung
Außenpolitisch genieße Kishida hohe Anerkennung, sagt Politologin Murakami im DW-Interview. Er habe eine deutliche Erhöhung der Verteidigungsausgaben und wichtige Veränderungen in der Sicherheitspolitik im indopazifischen Raum angekündigt, um den wachsenden Bedrohungen durch Russland, Nordkorea und vor allem durch China zu begegnen. Die Verteidigungskooperation stimmte er eng mit dem wichtigsten Verbündeten, den USA, ab.
"Japan war Gastgeber des G-7-Treffens in Hiroshima (im Ma)i 2023. Dabei zeigte er erneut seine außenpolitischen Qualitäten. Im Juli (des selben Jahres) nahm er als erster japanischer Regierungschef an einem NATO-Gipfel teil, was ein weiteres wichtiges sicherheitspolitisches Statement darstellt", sagt Murakami.
Außerdem gehört Japan zu den größten Geldgebern für die Ukraine. Laut seiner Friedensverfassung darf das Land zwar keine Waffen exportieren und nicht an militärischen Kooperationen teilnehmen. Aber es gelang der Tokioter Regierung, in Japan hergestellte Raketen des US-Patriot-Flugabwehrsystems an die USA zu liefern, damit diese sie weiter an die Ukraine weitergeben.
Das größte diplomatische Hindernis, das Kishida überwunden hatte, war die Verbesserung der Beziehungen zu Südkorea nach jahrelangen Spannungen, die auf der belasteten gemeinsamen Geschichte im Zweiten Weltkrieg beruhten. 2023 traf sich Kishida mit dem südkoreanischen Präsident Yoon Suk Yeol und US-Präsident Biden in Camp David. Dabei einigte er sich mit Seoul auf einen intensiveren Austausch.
Zeit für Neuanfang - schwieriges Erbe
"Ich bedauere es sehr, dass die Dinge, die Kishida zu Fall gebracht haben, giftige Hinterlassenschaften früherer LDP-Regierungen sind", sagt Kingston im DW-Interview. "Er hat ein extrem schlechtes politisches Erbe angetreten. Diese Probleme sind nicht von ihm selbst verursacht worden."
Die LDP wolle bei den bevorstehenden Parlamentswahlen im Oktober 2025 einen neuen Anfang. Die Neubesetzung wäre etwas wie den "Reset-Knopf" zu drücken. "Es ist unwahrscheinlich, dass ein Neuer in der Lage sein wird, alle Probleme der Partei zu lösen. Der Fokus muss nun schnell auf der Auswahl eines Kandidaten liegen, der die beste Chance hat, die Wähler wieder zu überzeugen."
Aus dem Englischen adaptiert von Dang Yuan