Japan sucht neue Harmonie in Washington
22. Februar 2013Der Inselstreit mit China, die Atomrüstung von Nordkorea, die Abwertung des Yen und die Reform der Verfassung - die Liste schwieriger Themen beim Antrittsbesuch von Japans neuem Premierminister Shinzo Abe in Washington ist lang. Abe will die japanisch-amerikanischen Beziehungen heilen und vertiefen, nachdem die Sicherheitspartnerschaft über Jahre stark strapaziert wurde. Abe ist nämlich bereits der fünfte japanische Premierminister, der sich US-Präsident Barack Obama innerhalb dessen Amtszeit vorstellt.
Daher muss Shinzo Abe sein Gegenüber erst einmal überzeugen, dass seine Regierung von anderem Kaliber ist. Der 58-Jährige will die strategischen Beziehungen mit Washington auf allen Ebenen ausbauen. Wegen seiner unkonventionellen Wirtschaftspolitik aus monetärem und fiskalischem Stimulus trotz hoher Staatsschulden, die die japanische Presse als "Abenomics", also eine Zusammensetzung von Shinzo Abe und dem englischen Wort Wirtschaft, bezeichnet, scheint das Interesse an Abe in Washington groß zu sein. Unter dem Titel "Japan ist zurück" wird der Premier nach seiner Ankunft eine programmatische Rede am "Center for Strategic and International Studies" in Washington DC halten.
Nordkorea als Top-Thema
Bei der Begegnung mit Präsident Obama an diesem Freitag (22.02.2013) steht Nordkorea nach japanischen Angaben ganz oben auf der Tagesordnung. Abe hatte den jüngsten Atomtest von Pjöngjang als "ernste Sicherheitsbedrohung" bezeichnet, die Japan nicht hinnehmen werde. Daher will Tokio die Einreisekontrollen für Nordkoreaner, die in Japan leben, verschärfen. Das vollständige Handelsverbot, das nach dem ersten Test von 2006 verhängt wurde, bleibt bestehen.
Tokio wünscht sich eine harte US-Reaktion auf Nordkoreas Atom- und Raketenrüstung. "Die Zusammenarbeit von Japan und den USA ist entscheidend, damit wir einen Beschluss des UN-Sicherheitsrates mit neuen Sanktionen bekommen", betonte Abe vergangene Woche. Die Kooperation in Sachen Nordkorea ist aus japanischer Sicht auch ein Test für die Solidarität zwischen den beiden Sicherheitspartnern im Hinblick auf den Inselstreit mit China.
Solidarität im Inselstreit
Ohne US-Unterstützung kann Japan seinen Besitzanspruch auf die Senkaku-Inseln, die von China Diaoyu genannt werden, nicht durchsetzen. In Japan ist die Sorge groß, dass die USA die Interessen Tokios nur halbherzig unterstützen, weil sie die Wirtschaftsbeziehungen mit China nicht beschädigen wollen. China ist nämlich der größte Gläubiger der USA. 14 Prozent des US-Handels wird mit dem Reich der Mitte abgewickelt, mit Japan aber nur knapp sechs Prozent.
Bislang bewegte sich die US-Position zwischen Ermahnungen zur Zurückhaltung an beide Seiten und Solidaritätsbekundungen für Tokio. Der neue US-Außenminister John Kerry erklärte vor dem Senat, er suche eine "Rebalancierung" in Richtung China. Das ließ in Tokio die Alarmglocken läuten. Zuvor hatte die Obama-Administration gegenüber Peking mehrfach betont, dass die Inselfrage unter Artikel 5 des Sicherheitsvertrages mit Japan falle. Falls es zu einem bewaffneten Konflikt komme, seien die USA zum Eingreifen zugunsten von Japan verpflichtet, so sieht der Vertrag vor.
Reform der Verfassung
Zu den wichtigen Anliegen von Abe zählt die Reform der pazifistisch geprägten Verfassung, die Japan nach dem Weltkrieg von den USA aufgezwungen wurde. Abe will die "Selbstverteidigungskräfte" in eine "bewaffnete Streitmacht" umbenennen und der Armee die Beteiligung an bewaffneten Auseinandersetzungen erlauben. Die USA verfolgen dies mit gemischten Gefühlen. Einerseits soll ihr Bündnispartner in Fernost als Bollwerk gegen China stärker werden. Andererseits soll Japan in der Rolle des gehorsamen Juniorpartners der Allianz verbleiben.
Als Symbol für seine Absicht, Japans Gewicht in Ostasien auch militärisch zu stärken, erhöht Abe erstmals seit elf Jahren die Ausgaben für Verteidigung. Verteidigungsminister Itsunori Onodera drängt auf mehr Beweglichkeit für das japanische Militär: "Bei einer akuten Bedrohung kann Japan schon jetzt vorbeugende Schläge gegen Feindziele führen. Aber jetzt ist noch nicht die Zeit, Vorbereitungen für die entsprechenden Fähigkeit zu treffen", sagte Onodera.
Ungelöste Fragen
Trotz großer Wünsche bringt Abe wenig Substanzielles nach Washington mit. Stillstand herrscht zum Beispiel bei der Verlegung einer unbeliebten US-Militärbasis auf Okinawa, die im Zentrum der Stadt Futenma liegt. Auch bei Obamas Projekt des pazifischen Freihandelsabkommens "Trans Pacific Partnership" kann Abe die erhoffte Teilnahme Japans weiterhin nicht zusagen. Hier legen die Bauernvertreter ihr Veto ein. Sie wollen nicht auf Schutzzölle für US-Reis verzichten. Die liegen im Moment bei 778 Prozent.