"Vertrauensbeziehung" mit den USA
16. November 2016Am vergangenen Mittwoch stürzte Japans Aktienindex Nikkei 225 um 1000 Punkte ab, als sich das sensationelle Ergebnis der US-Präsidentenwahl abzeichnete. Aber seitdem ging es um 1600 Punkte oder zehn Prozent nach oben. Denn anders als vorhergesagt, wertete der Dollar zum Yen auf, was die Gewinne der japanischen Exportunternehmen stützt. Trump sei Dank.
Eine ähnliche Achterbahnfahrt musste Japans politische Führung erleben. Ende September hatte sich Regierungschef Abe in New York mit Hillary Clinton in der festen Erwartung getroffen, dass sie die Präsidentenwahl gewinnen würde. Ein Kontakt zum Lager von Donald Trump wurde nicht gesucht.
Nach dessen Wahlsieg reagierte Abe jedoch schnell und beschwor die "unerschütterliche" Allianz mit den USA, die er mit Trump stärken wolle. Wenige Stunden später schlug er dem Wahlsieger Trump am Telefon ein persönliches Treffen während eines Zwischenaufenthaltes in New York vor - auf seinem Weg von Tokio zur APEC-Konferenz in Peru. "Das wäre toll", reagierte Trump lässig. Am Montag erklärte Abe im japanischen Parlament, er wolle bei der Begegnung am Donnerstag eine "Vertrauensbeziehung" zu Trump aufbauen und ihm seine Meinung zu verschiedenen Fragen sagen.
Japan befürchtet Stärkung von China
Trump und Abe sind beide Nationalisten und wollen ihre Länder stärken. Beide respektieren starke Führer wie Wladimir Putin. Das könnte es Abe erleichtern, beim Treffen mit Putin im Dezember in Japan den "Gordischen Knoten" im scheinbar unauflösbaren Territorialstreit um die Kurilen zu durchschlagen. Seit dem Zweiten Weltkrieg wird die Inselgruppe von Russland verwaltet. Japan fordert die Rückgabe der südlichen Inseln. Ein Friedensvertrag kam bislang nicht zustande.
Damit enden jedoch die Gemeinsamkeiten zwischen beiden Männern. Im Wahlkampf hatte Trump die Sicherheitspartnerschaft zwischen Washington und Tokio infrage gestellt. Japan müsse finanziell mehr leisten, die US-Truppen könnten aus Japan zurückgezogen werden. Trump hatte sogar den atomaren US-Schutzschirm über Japan in Zweifel gezogen.
Die drängendste Frage, die Japans Führung beschäftigt, wird Abe beim Treffen in New York sicherlich noch nicht stellen: Würde ein US-Präsident Trump bei einem bewaffneten Konflikt um die umstrittene Inselgruppe im Ostchinesischen Meer Japan gegen China beistehen? Der amtierende US-Präsident Barack Obama hatte Abe im April 2014 versichert, dass die in Japan Senkaku und in China Diaoyu genannten Inseln unter den Territoriumartikel des Sicherheitsvertrages zwischen Japan und den USA fallen. Der Vertrag verpflichtet die USA, den möglichen bewaffneten Angriff auf Japan als Gefahr für die eigene Sicherheit anzusehen. In Tokio wird befürchtet, dass Trump diese Versicherung nicht geben wird. Das würde im Inselstreit stärken. Die umstrittenen Inseln werden derzeit von Japan verwaltet und von China beansprucht.
Handelskrieg mit China würde auch Japan treffen
Sorgen bereitet die mögliche Trübung der wirtschaftlichen Beziehungen. Der kommende US-Präsident kritisiert seit Jahrzehnten die Exportstrategie der Japaner. Schon 1987 schaltete Trump für 95.000 Dollar eine Zeitungsanzeige gegen das "Free Riding" - milde übersetzt: Trittbrettfahren - von US-Verbündeten und das "Schröpfen" der USA durch Japan. Heute dürfte Trump so über China denken. Sollte der gewählte US-Präsident Importzölle gegen China verhängen, würde dies auch Japan hart treffen. Japanische Unternehmen produzieren selbst viele Waren in China für den Export und sind mit den Zulieferketten in Chinas Industrie eng verwoben.
Auch die Drohungen von Trump gegen das Freihandelsabkommen NAFTA auf dem amerikanischen Kontinent betreffen japanische Unternehmen. So legte der japanische Autobauer Toyota, im Moment Führer auf dem Weltmarkt noch vor VW und GM, am Dienstag den Grundstein für eine zweite Fabrik in Mexiko. Das Werk kostet eine Milliarde Dollar. Dort sollen ab 2019 Fahrzeuge des Modells Corolla vor allem für den US-Markt gebaut werden. Andere Hersteller wie Honda, Nissan und Mazda produzieren ebenfalls in Mexiko. Die Einführung von Importzöllen gegen Mexiko-Produkte würde den Lohnvorteil dieses Standortes für Japan verringern.
Entspannung an der Währungsfront
Der neue US-Präsident wird auch den TPP-Freihandelsvertrag der pazifischen Anrainerstaaten mit großer Sicherheit nicht unterschreiben. Das japanische Parlament hatte das entsprechende Gesetz am vergangenen Freitag zwar demonstrativ verabschiedet. Aber Trump hatte den Vertrag im Wahlkampf als "Katastrophe" und "schlechten Deal" für die USA kritisiert. "TPP ist tot", sagte der Asienanalyst Ian Bremmer der Finanzzeitung Nikkei. Damit wäre eine große Errungenschaft der Wirtschaftspolitik der Regierung um Shinzo Abe vom Tisch. Bei TPP sollten die US-Importzölle für japanische Autos über einen längeren Zeitraum auf Null sinken.
Entspannung gibt es an der Währungsfront. In Japan befürchtete man eine Dollar-Abwertung und damit eine weitere Yen-Stärkung, nachdem Trump die extrem lockere Geldpolitik von Japan und die damit verbundene Yen-Schwächung kritisiert hatte. Das US-Finanzministerium wirft Japan, genau wie China und Deutschland, Währungsmanipulation vor.
Doch der Finanzmarkt interpretiert die von Trump versprochenen Steuersenkungen und Investitionen in die Infrastruktur anders als erwartet. Der Dollar zog kräftig an, der Yen sank auf den tiefsten Stand seit fünf Monaten. Das hilft den Aktienkursen in Tokio auf die Sprünge und verringert über teurere Importe die Gefahr der Deflation. Sollten jedoch die japanischen Anleiherenditen weiter steigen, käme die Notenbank unter neuen Handlungsdruck. Sie hatte im September angekündigt, die Rendite der 10-jährigen Staatsanleihen nahe null zu halten.