Japaner ungerührt von Kims Drohungen
11. April 2013Von den Büros und Wohnhäusern in Tokios Stadtteil Ichigaya kann man gut die gedrungenen, olivgrünen Abschusseinheiten für Patriot-Raketen sehen, die auf dem Gelände des Verteidigungsministeriums in Stellung gebracht wurden.
Mehrere Raketen-Abschussröhren sind gen Himmel gerichtet, aber noch sind sie überdeckt mit Schutzhüllen. Doch im Inneren der Röhren befinden sich einsatzbereite Raketen vom Typ Patriot (Advanced Capability-3). Sie sollen zum Einsatz kommen, falls Nordkorea drastische Schritte unternimmt, die die Sicherheit Japans und seiner Bevölkerung bedrohen, so erklärte die Regierung.
Die Menschen haben ein wachsames Auge auf die koreanische Halbinsel, sind aber nicht allzu beunruhigt über die Drohgebärden, die fast täglich von Pjöngjang ausgehen. Sie verstehen das Gebaren des Regimes unter Kim Jong Un mehr als Gepolter denn als ernst zu nehmende Bedrohung der Sicherheit in der Region. "Die Regierung hat keine andere Wahl als die Situation ernst zu nehmen", sagt Haryuki Yoshida, ein Geschäftsmann auf dem Weg zur Arbeit in Tokio, "deshalb wurden diese Abwehrsysteme hier in Tokio installiert. Aber ich glaube wirklich nicht, dass Nordkorea so unbesonnen sein wird, einen Konflikt auszulösen."
Erinnerung an Raketentest
"Ich würde nicht sagen, dass sich die Japaner Sorgen machen wegen der jüngsten Drohungen", setzt Yoshida fort, "aber wir müssen uns daran erinnern, dass Nordkorea im vergangenen Jahr eine Langstreckenrakete gestartet hat, obwohl sie damals als Trägerrakete für einen Satelliten bezeichnet wurde." Dieser Abschuss zeige, dass Pjöngjang die Fähigkeit besitzt, eine Rakete abzuschießen. Er erwarte aber nicht, dass diese bewusst in Richtung Japan gefeuert würde, so Yoshida. "Sie müssen doch wissen, was sie erwartet, wenn sie so etwas tun würden."
Japans Regierung will es jedoch nicht darauf ankommen lassen. Verteidigungsminister Itsunori Onodera erklärte am Mittwoch (10.04.2013), dass die Armee seit der Aufstellung der Raketenabwehrsysteme in höchste Alarmberereitschaft versetzt wurde. "Wir werden diese äußerste Wachsamkeit aufrechterhalten. Und wir werden höchste Anstrengungen unternehmen, um das Leben unserer Bevölkerung zu schützen und ihre Sicherheit zu gewährleisten", so der Minister.
Auch an zwei anderen Orten im Großraum der Millionenmetropole sowie in den Präfekturen Gifu und Okinawa, wo die meisten amerikanischen Einheiten stationiert sind, wurden Raketenabwehrsysteme stationiert. Darüber hinaus hat die japanische Marine "Aegis"-Zerstörer ins Japanische Meer entsandt. Sie können Raketen abschießen, die aus Nordkorea in den japanischen Luftraum eindringen.
Verbale Attacken
Am Montag hatten Nordkoreas Staatsmedien die japanische Regierung mit scharfen Worten angegriffen, weil diese Pjöngjangs "provokative Bemerkungen und Aktionen" kritisiert und mögliche Ziele, darunter US-Stützpunkte, identifiziert hatte. "Die japanischen Behörden sprechen über dies und das und wollen die Verantwortung für die eskalierenden Spannungen auf der koreanischen Halbinsel Nordkorea anlasten", so kommentierte die nordkoreanische Zeitung Rodong Sinmun. "Das sind nichts als gemeine Manöver, um ihre amerikanischen Herren zu schützen. Wir warnen Japan davor, blind der amerikanischen Politik zu folgen. Sie werden für diese unkluge Haltung einen hohen Preis bezahlen müssen", droht der Propaganda-Apparat von Nordkorea.
Doch solche Warnungen bewegen die Japaner kaum - zu oft haben sie sie bereits in der Vergangenheit gehört. "Sie machen diesen Lärm, um dem Rest der Welt zu zeigen, wie stark sie sind. Aber das ist eine sehr merkwürdige Art, den Respekt der Nachbarn zu gewinnen", meint Kanako Ooko, die rund 30 Kilometer von der US-Marinebasis Yokosuka südlich von Tokio entfernt wohnt. "Ich bin nicht sehr besorgt, denn ich glaube nicht, dass sie etwas wirklich Dummes tun."
"Wir sollten sie ignorieren"
Kanako Oono findet die aufgestellten Raketenabwehrsysteme unnötig: "Das macht nur die Nordkoreaner zufrieden, weil sie glauben, sie haben uns in Angst und Schrecken versetzt. Wir sollten sie einfach ignorieren."
Auch Ausländer in Tokio teilen die Ansicht der Japaner über Nordkorea. "Wir machen uns keine Sorgen. Nach dem, was ich über die nordkoreanische Technologie gelesen habe, ist die ziemlich unausgereift und die Raketen würden Ziele in tausenden von Meilen Entfernung sowieso nicht treffen", sagt Colin Shea, ein britischer Geschäftsmann, der mit seiner Familie in Tokio lebt. "Sie wollen nur Spannung erzeugen, weil sie etwas von der internationalen Gemeinschaft zurück erhalten wollen. Aber ich bin mir sicher: Wenn wirklich ein Krieg ausbricht, dann würde Nordkorea zerstört, und dann hätten sie ihren eigenen Niedergang selber herbeigeführt."