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"Jenseits der Stille"

13. Juli 2010

25 Klassiker aus 100 Jahren - das deutsche Kino ist reich an Höhepunkten. Wir stellen die wichtigen Filme vor. Diesmal: das meisterliche Debüt "Jenseits der Stille" über Behinderungen im Alltag einer Familie.

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Zwei junge Frauen üben die Gebärdensprache - Szene aus "Jenseits der Stille" (Foto: AP)
Bild: AP

Eine Tochter spricht mit ihrem Vater. Sie benutzt die Gebärdensprache, denn der Vater ist, wie auch die Mutter, gehörlos. Lara, so heißt das Mädchen, ist diese Situation sehr vertraut. All die Jahre war sie die einzige Verbindung zwischen der stillen Welt der Eltern und der Außenwelt. Aber das wird sich bald ändern: Lara ist 18 Jahre alt und sie will ihr eigenes Leben beginnen: "Jenseits der Stille".

Junge Frau und ältere Frau blicken in den Spiegel - Szene aus "Jenseits der Stille" (Foto: picture alliance dpa)
Die Tante begeistert Lara für Musik: Sylvie Testud und Sibylle Canonica in "Jenseits der Stille"Bild: picture-alliance/kpa

Hören und Nichthören

Die Geschichte eines Kampfes um Freiheit und Unabhängigkeit, aber auch eine Geschichte über die Welt des Hörens und des Nichthörens. Ganz selbstverständlich hat Lara schon als Kind für die gehörlosen Eltern den Job der Dolmetscherin übernommen. Tag und Nacht war sie da, wenn es etwas zu hören, zu sprechen und zu übersetzen gab. Die gegenseitige Abhängigkeit zwischen der hörenden Tochter und den gehörlosen Eltern ist groß, nach dem tragischen Tod der Mutter wacht der Vater dann sogar eifersüchtig über jeden Schritt seiner Tochter. Und als diese Musikerin werden will, also in ein Reich vordringt, das sich dem gehörlosen Vater niemals erschließen wird, da kommt es sogar zum Bruch zwischen Vater und Tochter.

"Jenseits der Stille" ist ein ganz außergewöhnlicher Film, eine der besten Auseinandersetzungen mit dem Thema Behinderung, die es jemals im Kino gegeben hat. 1996 entstanden, ist es der Debütfilm von Regisseurin Caroline Link, die ja später mit "Nirgendwo in Afrika" sogar einen Oscar gewinnen sollte. Ohne Kitsch oder falsche Sentimentalitäten packt der Film das Thema Behinderung an, nicht drastisch sondern gefühlvoll und immer wieder mit Hilfe der Musik kontrastiert "Jenseits der Stille" die Welt des Hörens mit der des Nichthörens. Man bekommt Verständnis für beide Seiten: Man versteht, dass sich die Tochter irgendwann aus der Umklammerung der gehörlosen Eltern befreien will, man ist aber auch auf der Seite der Eltern, die ihr Kind als Dolmetscher gewissermaßen für den Kontakt nach draußen benutzen.

Junge Frau hält zwei Konzertkarten in der Hand - Szene aus "Jenseits der Stille" (Foto: picture alliance dpa)
Konzertkarten als Geschenk - Sylvie Testud als Lara in "Jenseits der Stille"Bild: picture-alliance/kpa

Authentisch und nicht rührselig

Gefühlvoll, aber nicht rührselig - eine gelungene Gratwanderung. Die auch heute noch relativ unbekannten Darsteller der Eltern sind tatsächlich gehörlos, das ist sicherlich mit ein Grund für die Authentizität dieses Films. Eine der schönsten und bewegendsten Szenen von "Jenseits der Stille" macht allen Hörenden auf sehr einfühlsame Weise klar, wie schwer es ist, den Ausfall eines Sinnesorgans ausgleichen zu müssen. Tochter Lara spielt auf ihrer Klarinette, der Vater hört ihr zu, indem er seine Tochter berührt um so mit seinem Körper die Schwingungen, die die Musik auslöst, spüren zu können. Eine meisterhafte Szene in einem Meisterwerk.

Autor: Robert Bales

Redaktion: Jochen Kürten