Joana Mallwitz dirigiert in Salzburg
18. August 2020Der erste Blickkontakt ist ein Augenzwinkern. Ein kurzer persönlicher Moment, bevor es losgeht mit dem Interview. Es ist einer der seltenen Augenblicke, in denen Joana Mallwitz ihre Zurückhaltung aufgibt - vielleicht vergisst sie auch vorübergehend, wie sehr sie gerade im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht. Nicht nur hier in Salzburg bei den Festspielen, sondern auch in der Musikwelt überhaupt.
Joana Mallwitz dirigiert das erste Mal hier in Salzburg. Und dann gleich eine Oper, die in den 100 Jahren Salzburger Festspiele Interpretationsgeschichte geschrieben hat: Wolfgang Amadeus Mozarts "Cosi fan tutte". Die junge, hochgewachsene Frau greift also gleich mit ihrer ersten Salzburger Premiere nach den Sternen. Auch wenn es ihr in diesen ereignisreichen, von strengen Salzburger Corona-Bestimmungen diktierten Tagen nicht bewusst sein mag: Es ist der vorläufige Höhepunkt einer rasanten Karriere, in der sie immer die Erste, die Jüngste oder beides zugleich war.
Joana Mallwitz legt den Grundstein ihrer Karriere früh
Geboren im Jahre 1986 in Hildesheim, studierte Mallwitz Klavier und Dirigieren an der Musikhochschule in Hannover. Mit Beginn der Spielzeit 2014/2015 wurde sie als jüngste Generalmusikdirektorin Europas an das Theater in Erfurt berufen. Schon wenige Jahre später war sie Generalmusikdirektorin in Nürnberg. Mit Richard Wagners "Lohengrin" und Sergei Prokofjews "Krieg und Frieden", zwei Schwergewichten des Opernrepertoires, gab sie einen auch überregional viel beachteten Einstand.
In der Saison 2018/2019 debütierte sie mit Pjotr Iljitsch Tschaikowskis "Eugen Onegin" an der Bayerischen Staatsoper. 2019 war auch das Jahr, in dem sie in einer Kritikerumfrage der Zeitschrift "Opernwelt" zur Dirigentin des Jahres gewählt wurde.
Jetzt also Salzburg, wo sie in diesem Jahr eigentlich die Zauberflöte dirigieren sollte. Doch dann kam Corona. Und das heimtückische Virus zwang ein europäisches Festival nach dem anderen zur Absage. Aber nicht Salzburg; denn hier war man in einer Mischung aus Sendungsbewusstsein und Risikobereitschaft finster entschlossen, sich vom Coronavirus nicht ausgerechnet den 100. Jubiläumsjahrgang des wohl weltweit wichtigsten Musik-Festivals entwinden zu lassen.
Die Anti-Corona-Maßnahmen der Salzburger Festspiele
Zum ausgeklügelten Sicherheitskonzept der Salzburger gehörte auch, innerhalb weniger Wochen neu zu planen und ein Pandemie kompatibles Programm aufzustellen. Daher ersetzte man die besetzungsintensive Zauberflöte durch das Opernkammerspiel "Cosi fan tutte", das mit weit weniger Mitwirkenden auskommt.
Innerhalb von nur drei Wochen stampfte das Team aus Joana Mallwitz und Regisseur Christoph Loy die Inszenierung aus dem Boden. "Es ist ein riesiges Geschenk, das hier machen zu dürfen dieses Jahr", sagt Mallwitz im DW-Interview und fügt fast schon vergnügt hinzu: "Also wer alles darf das gerade nicht? Und wir dürfen hier in Salzburg Mozart musizieren und proben."
Hinzu kommt, dass Mallwitz die vom Salzburger Corona-Konzept festgelegte förmliche Kontaktsperre und Abschottung der Mitwirkenden entgegenkommt: "Diese Konzentriertheit, das liegt mir sehr. Das macht großen Spaß", erklärt sie.
Gelungene Premiere: Joana Mallwitz dirigiert Mozart
Diese liebevolle Fokussierung auf das Wesentliche ist es auch, die man der Aufführung in jedem Takt anhört. "Ein Glück, ein Wunder, ein Fest" lobte die FAZ denn auch zurecht die Premiere der "Cosi" - und Joana Mallwitz hat daran großen Anteil. Am Pult der Wiener Philharmoniker hat sie einen beschwingten, intimen, lebendig-sprühenden Mozart-Ton gefunden.
Mit weit ausholenden, eleganten Bewegungen hält sie die Musik im Fluss. Selbst für das verwöhnte Salzburg ein seltenes Mozart-Glück. Schon vergleicht man diese Aufführung mit legendären Mozart-Interpretationen eines Altmeisters wie Dirigent Nikolaus Harnoncourt.
Doch von solch hochfahrenden Lobeshymnen will Mallwitz nichts hören. Sie sei viel zu sehr mit ihrer Aufgabe beschäftigt. Nüchtern, konzentriert und sehr kontrolliert, so nimmt man die Dirigentin außerhalb des Festspielhauses wahr.
Bislang kein regulärer Klassik-Betrieb in Zeiten der Pandemie
Bei aller Bewunderung für die Salzburger Corona-Strategie bleibt Mallwitz skeptisch, wenn es um die Übertragung auf ihr eigenes Haus, die Oper in Nürnberg geht. Was in Salzburg für einen kurzen Festspielsommer funktioniere, könne man nicht ganzjährig in einem Drei-Sparten Theater nachmachen. Allein schon die regelmäßigen Corona-Tests, wie sie die Salzburger von den Mitwirkenden fordern, seien ganzjährig nicht finanzier- und darstellbar.
Joana Mallwitz ist mit ihren 34 Jahren noch jung, doch ihr kritischer Blick auf die Realität im Klassik-Betrieb verrät viel Routine und eine große Portion Nüchternheit.
Zur Realität des Klassik-Business gehört auch, dass Frauen in Führungspositionen lange übergangen wurden. Dass die Salzburger Festspiele sich rühmen, mit Mallwitz der ersten Frau in der Festspielgeschichte eine gesamte Opernserie anvertraut zu haben, lässt sie nur einen Moment kalt lächeln: "Man wundert sich, wo man heute noch als Frau überall die Erste ist". Sagt es, und wendet sich wieder voller Empathie und Leidenschaft dem Eigentlichen zu: der Musik.