Der ewige Pirat: Johnny Depp zum 60.
8. Juni 2023Das Leben und die Karriere von Johnny Depp als schillernd zu bezeichnen, wäre fast untertrieben. Der Golden-Globe-Preisträger wurde mehrfach für den Oscar und weitere wichtige Filmpreise nominiert, er hat mit international anerkannten Filmregisseuren gedreht, von John Waters über Tim Burton, von Emir Kusturica über Jim Jarmusch bis zu Lasse Halström. Johnny Depp gehört zu den bedeutendsten Schauspielern seiner Generation und hat doch, vor allem in den letzten Jahren, zunehmend sein eigenes Lebenswerk torpediert.
Woher seine Lust an der Provokation kommt, ist unklar. Fest steht, dass der am 9. Juni 1963 in Kentucky geborene Rockfan die Rolle des Exzentrikers und ewigen Rebellen scheinbar verinnerlicht hat. Fünf Phasen in der Karriere des Johnny Depp.
Phase 1: Posterboy und Teenieschwarm
Nach kleineren Nebenrollen in "Nightmare on Elm Street" und "Platoon" ist es eine TV-Serie des US-Senders Fox, die Johnny Depps Schauspielkarriere den entscheidenden Kickstart gibt: "21 Jump Street", bei uns eher unbekannt, ist Ende der Achtziger in den USA ein Riesenhit. Der noch unbekannte Johnny Depp spielt die Rolle eines unangepassten Undercover-Polizisten und wird zum Teenieschwarm einer ganzen Generation.
Johnny Depp fühlt sich jedoch nicht wohl als Posterboy und spricht Jahre später in Interviews davon, verheizt worden zu sein. Aus der Serie auszusteigen, sei wegen ihres enormen Erfolges jedoch nicht möglich gewesen. Das Image des jungen Wilden, samt Lederjacke und Motorrad unterm Hintern, pflegt Johnny auch 1993 im Musikvideo zu Tom Pettys Superhit "Into The Great Wide Open".
Phase 2: Vom TV- zum ernstzunehmenden Kino-Schauspieler
Um nicht noch einmal so eine Erfahrung wie mit "21 Jump Street" zu machen, sucht sich Johnny Depp in den Folgejahren seine Rollen sehr genau aus. Ihm geht es nicht darum, ob ein Film erfolgreich wird oder nicht, er möchte spannende Rollen spielen und auf keinen Fall nach Typ gecastet werden. Sein Kalkül geht auf: Mit den Neunzigern beginnt die goldene Ära in Johnny Depps Schaffen. "Edward mit den Scherenhänden" (1990) markiert den Beginn seiner äußerst fruchtbaren und kreativen Zusammenarbeit mit Regisseur Tim Burton, der Johnny Depp ganze Welten auf den Leib zu schreiben scheint. "Sleepy Hollow" (1999) oder "Sweeney Todd" (2007) sind weitere Beispiele für die kongeniale Zusammenarbeit der beiden Hollywood-Misfits.
Doch auch in Filmen wie Jim Jarmuschs Noir-Western-Meisterwerk "Dead Man" beweist Johnny Depp seine Vielseitigkeit. Mit viel Humor und Tiefe spielt er das scheinbar orientierungslose Greenhorn William Blake, der im Westen seine Bestimmung findet als "Killer of white men", geleitet von einem nicht minder wahnsinnigen Native American namens Nobody. Depp ist auf dem Höhepunkt seines Schaffens, er bekommt zwei Kinder mit der französischen Schauspielerin und Sängerin Vanessa Paradis, kauft sich 2001 ein ganzes Dorf bei St. Tropez, und die Welt liegt ihm zu Füßen. Zwar gibt es immer wieder Meldungen in der Klatschpresse über Depps Alkoholprobleme, doch die Fans verzeihen ihm seine Entgleisungen. Einige Filmkritiker äußern ihr Bedauern, dass Depp außer Exzentrik nicht mehr viel zu bieten habe.
Phase 3: Die "Disneyfizierung" - Johnny Depp Superstar
Spätestens mit "Fluch der Karibik" (2003) läutet Johnny Depp endgültig die Massephase ein. Schließlich will sein sündhaft teurer Lebensstil mit Luxuskarossen, einer großen Yacht, 40 Angestellten und allem Pipapo auch finanziert werden. Zwar ist die Art, wie Depp die Figur des durchgeknallten Piratenkapitäns Captain Jack Sparrow anlegt, absolut neuartig und gewiss auch genial. Doch mit jedem Sequel nutzt sich die Marke Captain Jack weiter ab und sorgt beim kritischen Publikum nicht mehr für Begeisterungsstürme, ähnlich wie das tausendste Captain-Jack-Kostüm beim Kölner Karneval.
Böse Zungen behaupten, Depp habe seinen Biss verloren. Mit seiner Performance als Sweeney Todd im gleichnamigen Film von Tim Burton straft Depp seine Kritiker jedoch Lügen und gewinnt 2008 einen Golden Globe für seine Performance.
Phase 4: Schlammschlacht vor der Regenbogenpresse
Die Jahre 2018 bis 2022 markieren den absoluten Tiefpunkt in der Karriere von Johnny Depp. Mit seiner Exfrau Amber Heard liefert er sich vor der internationalen Presse über Jahre eine regelrechte Schlammschlacht - zunächst in der Regenbogenpresse, schließlich vor Gericht. Es geht um Gewalt in der Ehe, um verbale Entgleisungen und um unappetitliche Details aus dem Eheleben der beiden. Teils fallen schwere Anschuldigungen gegen Depp. Am Ende wird er zwar in allen drei Anklagepunkten freigesprochen und das ehemalige Paar einigt sich auf einen Vergleich. Doch es bleibt ein großes Unbehagen. Depp verliert Rollen, unter anderem die des Captain Jack und des Gellert Grindelwald in der erfolgreichen Filmreihe "Phantastische Tierwesen".
Während des Prozesses erreichen die Beschimpfungen gegen Amber Heard ein bodenloses Niveau. Die Anti-MeToo-Fraktion freut sich diebisch über Depps Sieg vor Gericht. Ausgerechnet Johnny Depp, der in seinen Rollen immer wieder androgyne Charaktere dargestellt hat, die gerade wegen ihrer Andersartigkeit und Zartheit eine enorme Anziehungskraft und Resilienz entwickeln, wird zur Ikone von Machos alter Schule.
Phase 5: Alte Liebe Rock'n'Roll
Lange vor der Schauspielerei hatte Johnny Depp eine große Liebe, die ihn bis heute begleitet und mit der er niemals Probleme zu haben schien. Denn der Junge aus Kentucky wollte eigentlich Rockstar werden, so wie sein Idol Keith Richards oder sein späterer Freund Tom Petty. Zusammen mit einer Allstar-Band um Alice Cooper spielt Johnny Depp heute bei den "Hollywood Vampires", die aktuell auf Europatour sind.
Es bleibt spannend zu sehen, wie sich Johnny Depps Leben weiter entwickelt und in welche Phase seine Karriere in den nächsten Jahren übergeht. Mit der Gitarre in der Hand scheint er sich jedenfalls am wohlsten zu fühlen. Happy Birthday, Johnny Depp!