Josephine Baker: Zwei Leben eines Revuestars
20. Mai 2023"Freiheit, Gleichheit, Menschlichkeit" ist die Ausstellung übertitelt, mit der die Bundeskunsthalle in Bonn das Leben und Wirken von Josephine Baker ehren möchte. Im Vordergrund steht die Lebensleistung der US-amerikanischen Künstlerin.
Auch, wenn es das ikonische Bild ist, das viele Menschen mit Josephine Baker verbinden: "Hundert Jahre Bananenrock sind genug", meint die Baker-Biografin Mona Horncastle im Gespräch mit der DW und verweist auf die Vorbildfunktion des Showstars. Mit ihrer Wandlungsfähigkeit, ihrer Selbstermächtigung und dem selbst bestimmten Narrativ ihres Lebens sei Baker Inspiration und Projektionsfläche für Künstlerinnen und Künstler sowie nachfolgende Generationen. Ihre Forderung nach einem universalen Menschenrecht, nach Freiheit und Gleichberechtigung für alle, findet Horncastle "wahnsinnig motivierend" - heute genau wie damals, als Diversität noch lange kein konsensfähiges Thema war.
Biografie und Ausstellung leisten einen Beitrag dazu, dass Josephine Baker nicht mehr nur als die exotische Tänzerin bekannt ist, die zu Beginn ihrer Karriere im "fragwürdigen Kostüm" mit Afrika-Klischees den Publikumsgeschmack der 1920er-Jahre bedient. Doch auch Bakers Bühnenkarriere ist bemerkenswert. In gut 50 Jahren tanzt und singt sie sich aus dem Armenviertel von St. Louis auf die großen Bühnen Europas.
Mehr als 1500 Heiratsanträge soll Josephine Baker bekommen haben. 1927 verdient die berühmte Tänzerin mehr als jede andere Entertainerin und jeder andere Entertainer in Europa. Da ist sie gerade mal 20. Mit ihr kommt die weltberühmte "Revue Nègre" und der "Hot Jazz" in die europäischen Kulturmetropolen. In Paris, Madrid und Berlin liegen ihr Künstler und Literaten wie Picasso und Ernest Hemingway, der Architekt Le Corbusier sowie Schauspieler und Theaterleute wie Jean Gabin und Max Reinhardt zu Füßen. Der französische Künstler Jean Cocteau schwärmt euphorisiert: "Dieses schöne Idol aus braunem Stahl, Ironie und Gold!"
Aus den Slums bis zum Broadway
Als Kind hat Josephine Baker nicht viel zu lachen. Sie muss früh hart arbeiten und Geld verdienen. 1917 erlebt sie mit elf Jahren die Pogrome mit, bei der fast 100 Schwarze Lynchmorden zum Opfer fallen.
Geboren wird sie in Missouri/USA, in den Slums von St. Louis. Freda Josephine McDonald steht auf ihrer Geburtsurkunde, datiert auf den 3.6.1906: uneheliche Tochter einer Schwarzen und eines weißen Spaniers. Der Vater, Musiker jüdischer Abstammung, ist arbeitslos und macht sich schnell aus dem Staub.
Bei reichen weißen Familien kommt sie als Hausmädchen unter. Aber sie lernt schnell den tagtäglichen Rassismus der besitzenden Klasse kennen. Mit 15 verheiratet die Mutter ihre Tochter, um sie versorgt zu wissen. Aus dieser kurzen Verbindung behält Josephine ihren Nachnamen Baker.
Bei einer Wandertruppe hilft sie als Ankleidemädchen aus, ihr Alter muss sie verschleiern: Kein Theaterdirektor hätte einen Teenager engagiert. Als eine Tänzerin krank wird, ergreift sie mutig ihre Chance und tritt mit der Truppe auf. Auf der Bühne erobert sie sich ihre Welt.
Und sie ist ehrgeizig und zäh: Mit 16 tanzt sie als Zweitbesetzung in einem schwarzen Musical, 1922 folgen Auftritte in der erfolgreichen Show "Chocolate Dandies", die Gastspiele in Moskau und St. Petersburg hat. Mit dieser Revue gelingt ihr auch der erfolgreiche Sprung an den New Yorker Broadway - und kurz darauf nach Europa.
Paris als glamouröse Kulisse
Im mondänen Pariser "Theatre des Champs Elysées" tritt sie 1925 in einer Tanzrevue auf - nur mit ein paar Federn und Perlenkette bekleidet. Ihre sinnliche Erotik, ihr durchtrainierter Körper und ihre legendären Charleston-Nummern reißen die Zuschauer vor Begeisterung von den Stühlen. Berühmt ist vor allem ihr "danse sauvage", ihr Bananentanz in einem Röckchen aus 16 Bananen.
Über Nacht wird sie zum gefeierten Star. Zu sehen ist sie im berühmten Varietétheater "Folies Bergère" von Paris und in vielen weiteren Städten Europas, als sie sich mit der "Revue Nègre" auf Tournee begibt. Am 14. Januar 1926 begeistert sie zum ersten Mal ein deutsches Publikum am Kurfürstendamm in Berlin.
Als exotische Tänzerin wird Josephine Baker auf den Tourneen vergöttert. Ihre Verehrer überschütten sie mit teuren Geschenken und Liebesschwüren. Ungerührt hält sich die Diva zahllose Liebhaber, schläft mit Männern wie Frauen - und heiratet einen sizilianischen Hochstapler, um sich mit dessen Adelstitel zu schmücken. Doch glücklich wird sie trotz Reichtum nicht.
Der "Hot Jazz" erobert Europas Bühnen
Josephine Baker ist in den "Roaring Twenties" das Sexsymbol ihrer Zeit. Den "Hot Jazz" macht sie in den 1920er-Jahren in Paris, Berlin und anderen Städten salonfähig. Wenn sie singt, sind ihre Texte eher halbseiden. Sie spielt mit ihrem Image als "Schwarze Venus". Jeder Auftritt ist begleitet von einem Riesenrummel. In München erhält sie allerdings Auftrittsverbot: wegen der zu erwartenden "Verletzung des öffentlichen Anstands".
Während einer USA-Tournee erlebt Baker, die in Europa als schwarzer Revuestar gefeiert wird, massive rassistische Anfeindungen. Nach der Show muss sie durch den Dienstboteneingang verschwinden. Enttäuscht wird sie 1937 endgültig französische Staatsbürgerin - dank ihrer Heirat mit dem französischen Juden und Großindustriellen Jean Lion.
"Résistance"-Kämpferin gegen die Nazis
Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 1939 und die Besetzung Frankreichs durch Hitlers Wehrmacht verändern das Leben von Josephine Baker grundlegend. Anfangs arbeitet sie für das Rote Kreuz, hilft wo sie kann.
Durch Kontakte zur französischen Widerstandsbewegung "Résistance" lässt sie sich zur Agentin der französischen Geheimpolizei ausbilden. Versteckt in ihrem Tourneegepäck schmuggelt sie Briefe und geheime Dokumente über die Grenze. General Charles De Gaulle verleiht ihr am Ende des Krieges das Band der französischen Ehrenlegion.
Begründerin der "Regenbogen-Familie"
Politisches Engagement prägt auch die Zeit nach dem Krieg. Zusammen mit ihrem dritten Mann baut Josephine Baker das Schloss "Les Milandes" in der Dordogne zu einem Wallfahrtsort der Rassen- und Religionstoleranz aus. Zwölf Kinder, völlig unterschiedlicher Herkunft und Religion, hatte sie adoptiert: ihre "Regenbogen-Familie".
Aber Baker ist ständig auf Tournee und kaum zu Hause. Die Kindererziehung überlässt sie wechselnden Nannies und ihrem Mann. 1963 marschiert sie an der Seite von Martin Luther King in den USA bei dem legendären "Marsch auf Washington" mit, um gegen den Rassismus in den USA zu protestieren.
Ihr luxuriöses Leben verschlingt Unsummen, am Ende ist Josephine Baker hoch verschuldet. Im Mai 1968 wird ihr Anwesen zwangsversteigert. Ihr Mann hat sie längst entnervt verlassen. Ihre Freundin Fürstin Gracia Patricia sorgt dafür, dass die Regenbogen-Familie beim Roten Kreuz in Monaco unterkommt.
Ein Comeback 1973 in der New Yorker Carnegie Hall und ihre legendäre Show 1975 im Pariser Bobino-Theater bescheren Josephine Baker noch einmal großen Presserummel. Aber die alternde Diva kann nicht an ihre früheren Erfolge anknüpfen. Am 12. April 1975 stirbt sie im Alter von 68 Jahren an Herzversagen. Ihr Ruhm als Tänzerin ist unvergänglich.
Eine Biografie über Josephine Baker ist erschienen im Molden Verlag (2020) von Mona Horncastle.
Dies ist die aktualisierte Version eines Artikels vom 03.05.2021.