Journalisten in Afghanistan leben gefährlich
8. August 2011"Afghanische Journalisten erhalten Drohungen meist telefonisch. Die Gesichter der Erpresser bekommen wir nie zu sehen", erzählt Elias Daghi. Daghi ist ein Kollege des erst kürzlich ums Leben gekommenen BBC-Reporters Ahmad Omid Khpolwak. "Diejenigen, die uns am meisten bedrohen, sind allerdings die Kommandeure der Taliban." Erst kürzlich habe ihn ein Taliban-Kommandeur aus Helmand angerufen und ihm gesagt, dass seine Berichte zu einseitig wären. "Ich solle die Taliban positiver darstellen." Falls sie dem nicht nachkommen würden, müssten die Journalisten unter Androhung des Todes die Gegend verlassen.
Vor allem in den südlichen Provinzen sind Daghi und seine Kollegen vielen Gefahren ausgesetzt. Seit dem Sturz der Taliban 2001 wurden bisher 26 Journalisten in Afghanistan während ihrer Arbeit getötet. Für einheimische Journalisten ist die Arbeit besonders gefährlich. Oft werden sie gezwungen, für eine bestimmte Gruppe Propaganda zu betreiben.
Zwischen den Fronten
Es sind nicht nur die Taliban, die Propaganda verlangen, sagt Abdullah Nezami, ein afghanischer Korrespondent für Al Jazeera TV. "Hier gibt es Mafiagruppen, Warlords, die extremistischen Taliban und selbst die afghanische Regierung, die uns erpressen wollen, für sie zu schreiben", so Nezami weiter. "Ich selbst wurde sogar schon vom amerikanischen Militär, der afghanischen Polizei und dem afghanischen Geheimdienst festgenommen. Auch von Abgeordneten aus dem Parlament wurde ich bedroht. Manche schrecken selbst vor körperlicher Gewalt nicht zurück."
Der psychische Druck für afghanische Journalisten ist enorm, erklärt Nezami. Die vielen Selbstmordattentate der Taliban, die zur täglichen Berichterstattung gehören, sind nur ein Teil des Übels.
Feinde der Pressefreiheit
Jeden Tag müssen afghanische Journalisten befürchten, dass sie für ihre Berichte mit dem Leben bezahlen müssen, sagt ein Journalist aus Helmand, der anonym bleiben möchte. Er arbeitet für das Institute of War and Peace Reporting in Afghanistan. Für ihn sind die afghanischen Behörden eher eine Bedrohung als eine Hilfe. "Sogar Gouverneure haben mich schon bedroht, ich solle zu ihrem Vorteil schreiben", sagt er. "Sollte ich das nicht tun, meinten sie, müsste ich um mein Leben fürchten. Ich habe sogar Aufnahmen, die belegen, welcher Gouverneur das war", erläutert er.
Eine der wenigen Organisationen in Afghanistan, die sich für die Sicherheit von Journalisten und für die Pressefreiheit im Land einsetzen, ist "NAI Supporting Open Media". NAI ist eine lokale Medien Entwicklungsorganisation, die 2004 von unabhängigen Medienaktivisten und Internews International gegründet wurde. Sie unterstützen die afghanischen Medien, damit diese ihre Aufpasser-Rolle wahrnehmen können.
Spielball der Mächtigen
Aber ohne Gefahr ist das immer noch nicht möglich. Auf dem Pressefreiheitsindex von Reporter ohne Grenzen belegt Afghanistan Platz 147 von rund 180 Staaten. Trotzdem hat die Organisation klare Vorstellungen, wie in Zukunft mit Ermordungen von Reportern umgegangen werden soll. "Wir fordern die internationale Gemeinschaft und die afghanische Regierung auf, dass die Ermordung von Journalisten als Kriegsverbrechen eingestuft wird. Und ein Kriegsverbrecher kann nur vor Gericht bestraft werden", sagt Mujib Khelwadgar, Vorsitzender der Organisation.
Er erklärt, dass die Medien in Afghanistan sehr einflussreich sind. Deshalb versuchen die Konfliktparteien auch die Berichterstattung zu manipulieren. Journalisten seien lediglich ein Spielball der Mächtigen, die in Afghanistan den Ton angeben, beklagt er. Und das seien, seiner Meinung nach, nicht nur die Taliban, sondern auch die vermeintlich "Guten".
Autorin: Waslat Hasrat-Nazimi
Redaktion: Ziphora Robina/ Chi Viet Giang