Jubiläum mit langem Anlauf
15. Oktober 2013Kaiserslautern, 6. Juni 2004. Deutschland spielt zum 50-jährigen Jubiläum des "Wunders von Bern" gegen Ungarn. Ein Freundschaftsspiel, in dem zwei junge Männer ihr Debüt feiern: Lukas Podolski und Bastian Schweinsteiger. Der Beginn zweier großer Nationalmannschafts-Karrieren. Neun Jahre liegt dieses erste Länderspiel, das mit 0:2 verloren ging, zurück. Während Kollege Podolski mittlerweile 111 Spiele auf dem Konto hat, steht Bastian Schweinsteiger erst mit 29 Jahren beim WM-Qualifikationsspiel gegen Schweden (Dienstag, 15.10.2013, 20:45 Uhr) vor seinem 100. Auftritt in der A-Nationalmannschaft. "100 Länderspiele sind nicht selbstverständlich. Ich hoffe, es kommen noch einige erfolgreiche hinzu. Die Zahl erfüllt mich in jedem Fall mit Stolz."
Nur wenige Spieler haben es bis heute in den erlauchten Kreis der Hunderter geschafft: Angeführt wird die Liste von Rekordnationalspieler Lothar Matthäus (150). Vom aktuellen Kader sind nur noch Miroslav Klose (130), Podolski und Philipp Lahm (101) dabei. Nun also Schweinsteiger, den etliche Verletzungen immer wieder zurückwarfen. So fiel er in den vergangenen sieben Monaten wegen seiner Probleme mit dem Sprunggelenk aus und verpasste sechs Länderspiele. "Der Körper fühlt sich besser an. Meine Verletzungen sind vorbei. Ich freue mich, wieder dabei zu sein", berichtet Schweinsteiger, der nicht fürchtet, dass sich sein Fehlen negativ auf die Rolle im Nationalteam auswirken könnte. "Ich bin hier schon jahrelang dabei, somit weiß ich, wer was zu tun hat. Ich versuche, meine Qualitäten unter Beweis zu stellen und mich als Führungsspieler einzubringen."
Verletzungsgeplagt und stets angezählt
Bisher war es so: War Schweinsteiger fit, war er kaum aus der Nationalelf wegzudenken. Dann gehörte der Vizekapitän zu den unumstrittenen Führungsspielern und Lenkern des Teams. Doch immer wieder hat ihn sein Körper im Stich gelassen. Vom Zeckenbiss , der 2007 Borreliose-Erreger hervorrief, bis hin zu Knieverletzungen und Schlüsselbeinbruch - die Krankenakte des beidfüßigen Mittelfeldspielers ist lang. Immer wieder machte ihm der Knöchel zu schaffen, nun ist auch diese Geschichte ausgestanden. Vorerst. "Nach der Operation im Sommer hat es bei mir doch ein bisschen länger gedauert, bis ich wieder fit war." Erst am 6. Spieltag habe er wieder das Gefühl gehabt, " ein vollständiges Sprunggelenk zu haben, das funktioniert."
Nun aber muss sich Schweinsteiger zurückkämpfen auf eine Position, die ihm bei den Bayern Kapitän Philipp Lahm abgenommen hat: Die zentrale, defensive Mittelfeldposition, die "Sechs". Eine Position, die ihn erst recht ins internationale Blickfeld rückte. Auf dieser Position erst wurde unter Bayern-Trainer Louis van Gaal aus "Schweini" der "Herr Schweinsteiger". Der freche Außenbahn-Instinktfußballer, der sich gern extravagante Frisuren verpassen ließ, reifte zum Defensivstrategen, der mit seiner Übersicht ganze Spiele lenken kann. Aus dem Häufchen Elend nach dem vergebenen Elfmeter im Champions-League-Finale 2012 im eigenen Stadion wurde der strahlende Triple-Sieger, der mit Selbstvertrauen zur Nationalmannschaft zurückkehrt. "Wenn du so eine Saison erlebt hast, nimmt man natürlich viel davon mit, weil man ganz genau weiß, wie man Erfolg haben kann."
Schweinsteiger vor dem größten Triumph?
Die Champions League hat Schweinsteiger, der nie bei einem anderen Profiverein spielte als beim FC Bayern München, nun endlich gewonnen. Dazu unter anderem sechs Mal das Double aus Meisterschaft und DFB-Pokal. Ein Titel mit der Nationalelf wäre das Sahnehäubchen auf seiner Karriere. "Natürlich ist die Erwartungshaltung hoch", weiß er. "Wir müssen die Entwicklung weiterführen, die wir 2004 begonnen haben, um vielleicht den ganz großen Triumph zu landen."
Schweinsteiger, den sein ehemaliger Trainer Jupp Heynckes einst als "Kopf der Mannschaft, bei dem die Fäden zusammenlaufen" bezeichnete und gar mit den spanischen Welt- und Europameistern Xavi und Andres Iniesta verglich, will dazu sein Bestes beitragen. "Große Spiele werden heutzutage durch Kleinigkeiten entschieden. Die muss man beherrschen, wenn es darauf ankommt." Nun kann Schweinsteiger beweisen, dass er dies verstanden hat.