Junge Islamkonferenz tagt in Berlin
14. März 2015Aus Sicht der Jungen Islamkonferenz (JIK) konnte das Timing besser nicht sein. Genau an dem Tag, an dem sich 100 Mitglieder des Gremiums in Berlin zu ihrem jährlichen Bundeskongress einfanden, hat das Bundesverfassungsgericht das sogenannte "Kopftuchurteil" korrigiert. Lehrerinnen im Staatsdienst dürfen ab jetzt im Unterricht ein Kopftuch tragen, zumindest solange keine konkrete Bedrohung des Schulfriedens nachgewiesen werden kann.
Für Esra Kücük, Leiterin der Jungen Islamkonferenz, ist dies eine gute Nachricht. Sie ist hochzufrieden mit dem Richterspruch. "Wir haben in unseren Reihen mehrere Lehramtsstudentinnen, die Kopftuch tragen und sich gefragt haben, ob sie überhaupt arbeiten dürfen", berichtet sie. Diese jungen Frauen könnten ihr Studium nun zu Ende führen in der Gewissheit, hinterher auch arbeiten zu dürfen. "Wir sehen, dass ein modernes Einwanderungsland die Dinge nachholt und korrigiert, die vorher falsch gelaufen sind. Dies ist ein nachholender Integrationsprozess", so Kücük im Interview mit der Deutschen Welle. Die Karlsruher Richter hätten mit ihrer Entscheidung nur etwas nachvollzogen, was in der Gesellschaft längst nicht mehr in Frage stehe: mehr Offenheit und Toleranz gegenüber der muslimischen Minderheit.
Jugendliche in Deutschland sind offen gegenüber Muslimen
Diese Einschätzung wird auch von einer Studie gedeckt, die das Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) vorgelegt hat. Mehr als 8000 Personen, darunter mehr als 1100 Jugendliche und junge Erwachsene, wurden befragt. Ergebnis: Junge Menschen in Deutschland gehen weitaus aufgeschlossener mit der muslimischen Minderheit um als Erwachsene. So sind 71 Prozent der 18-bis 25-Jährigen der Meinung, dass muslimische Lehrerinnen im Unterricht ein Kopftuch tragen dürfen. (Unter den Erwachsenen sind 55 Prozent für ein Kopftuchverbot.) Das zeige, dass die Kopftuchdiskussion in den letzten Jahren eigentlich über die Köpfe derjenigen geführt worden sei, um die es gehe, so Kücük. Die meisten Schüler hätten kein Problem damit, wenn ihre Lehrerin eine religiöse Muslimin sei. Für sie gehöre eine muslimische Lehrerin mit Kopftuch genau so zu Deutschland wie eine nichtmuslimische Lehrerin ohne Kopfbedeckung.
Die Integration in Deutschland ist besser als ihr Ruf
Das ist auch nicht verwunderlich, erklärt Naika Foroutan, Sozialwissenschaftlerin an der Humboldt-Universität und Leiterin des BIM. Die heute 16-25-Jährigen seien mit dem Diskurs über Muslime und Islam aufgewachsen. Sie seien Kinder gewesen, als die Zuwanderungskommission unter der ehemaligen CDU-Politikerin Rita Süssmuth im Jahr 2001 ihre Studie zur Integration von Migranten vorgelegt habe. Seither werde dieses Thema in der Öffentlichkeit diskutiert und vieles, was Erwachsenen noch undenkbar erscheine, sei für die Jugendlichen und jungen Erwachsenen längst selbstverständlich. "Man kann sagen, die Integration in Deutschland ist besser als ihr Ruf", so Foroutan zusammenfassend. Für die Mehrheit der Deutschen sei die Bundesrepublik heute ein vielfältiges und buntes Einwanderungsland. Immerhin 30 Prozent der Bevölkerung lehnten dies jedoch nach wie vor ausdrücklich ab. Hier müsse weiter Aufklärung betrieben werden. Dies sei aber schwierig, denn gerade Einwanderungsgegner, wie die Anhänger der ausländerfeindlichen Pegida-Bewegung, seien den Medien gegenüber misstrauisch. Um sie zu erreichen, müsse man mehr auf andere Vermittler setzen, sogenannte "Scharniere" der Gesellschaft wie Lehrer, Polizisten und Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung.
Trotz dieses positiven Befundes sind die Kenntnisse über Muslime und den Islam nach wie vor nicht ausgeprägt. 60 Prozent der Jugendlichen schätzen ihr Wissen als gering ein. Für die meisten von ihnen sind Begegnungen mit Migranten ausschlaggebend für die eigenen Kenntnisse. Daneben sind Schule und Universität wichtige Wissensvermittler. Nur 28 Prozent der Jugendlichen geben an, ihr Wissen über Muslime und den Islam aus dem Fernsehen zu beziehen. Bei den Erwachsenen sind das noch 46 Prozent.
"Wem gehört das Abendland?"
Die Junge Islamkonferenz wurde im Jahr 2010 als Projekt der Mercator-Stiftung und der Humboldt-Universität gegründet. Sie versteht sich als Dialogforum und Multiplikatorennetzwerk junger Menschen im Alter von 17 bis 25 Jahren. Jedes Jahr kommen die Mitglieder aus dreizehn Bundesländern zu einem Bundeskongress zusammen.
Im Jahr 2013 rief die JIK den Deutschen Bundestag zur Einrichtung einer Enquete-Kommission "Vielfalt und kulturelle Teilhabe" auf. Ein solches Expertengremium solle Leitbilder für die vielfältige Einwanderungsgesellschaft und Konzepte für eine chancengleiche Teilhabe entwerfen. Diesen Vorschlag wolle man in diesem Jahr weiter entwickeln, so JIK-Leiterin Esra Kücük.
Das Treffen, das im Auswärtigen Amt in Berlin stattfindet, steht unter der Überschrift "Wem gehört das Abendland?" Damit reagiert die JIK auf die Debatte rund um die ausländerfeindlichen Bewegungen, die in den letzten Monaten in zahlreichen Städten Deutschlands unter dem Motto "gegen die Islamisierung des Abendlandes" demonstrieren. Drei Tage lang werden sich die Teilnehmer in Workshops und mit Podiumsdiskussionen austauschen. "Schwerpunkt soll die Auseinandersetzung mit den Thesen und Positionen derer sein, die uns zu spalten versuchen", heißt es in der Einladung zu der Konferenz.