Julia Timoschenkos Zustand verschlechtert sich
4. Mai 2012Jewgenija Timoschenko (im Bild links neben ihrer Mutter und ihrem Vater) sagte im Zweiten Deutschen Fernsehen, ihre Mutter sei "viel schwächer, als sie noch vor ein paar Tagen war". Die 32-Jährige hatte nach eigenen Angaben ihre Mutter am Donnerstag im Gefängnis in Charkow besucht. Diese müsse liegen und könne sich zurzeit "praktisch gar nicht bewegen". Die Bitten der Familie, ihren am 20. April begonnenen Hungerstreik zu beenden, seien bislang erfolglos. "Sie hat aus verschiedensten Gründen ein Interesse an diesem Hungerstreik", sagte Jewgenija Timoschenko.
Die ehemalige Ministerpräsidentin war 2011 in einem umstrittenen Prozess wegen eines angeblich fehlerhaften Gasvertrags mit Russland zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Westliche Beobachter sehen die 51-Jährige als Opfer politischer Rachejustiz im Auftrag des derzeitigen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch. 2004 hatte Timoschenko die gegen Janukowitsch gerichtete pro-westliche "Revolution in orange" angeführt. Seit dem 20. April protestiert die unter starken Rückenschmerzen leidende Oppositionsführerin mit einem Hungerstreik gegen ihre Haftbedingungen. Sie wirft den Behörden Foltermethoden vor.
Auch Russland zu ärztlicher Behandlung bereit
Die Bundesregierung bietet seit längerem an, Timoschenko in Deutschland ärztlich behandeln zu lassen. Nun machte Russland überraschend ein gleiches Angebot. "Aus humanitären Gründen" übernehme Moskau "gerne" die erkrankte Politikerin, falls sie selbst dies wünsche und die Führung in Kiew zustimme, sagte der künftige Präsident Wladimir Putin nach Angaben der Agentur Interfax in Moskau. Nach Angaben der ukrainischen Regierung gibt es keine Rechtsgrundlage für medizinische Behandlungen von Häftlingen außerhalb der Landesgrenzen.
EU-Kommissare reisen nicht
Aus Protest gegen den Umgang mit Timoschenko will die gesamte EU-Kommission der Fußball-Europameisterschaft in dem Land fernbleiben. Alle EU-Kommissare teilten in dieser Hinsicht die Haltung von Kommissionspräsident José Manuel Barroso, teilte die EU-Vertretung in Kiew mit. Die Ukraine ist gemeinsam mit Polen Gastgeber des am 8. Juni beginnenden Turniers. Auch Deutschland und andere Staaten erwägen einen politischen Boykott der EM, soweit sie in der Ukraine stattfindet.
Forderungen, die in der ehemaligen Sowjetrepublik vorgesehenen Spiele in ein anderes Land zu verlegen, lehnte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin hingegen ab. Der Chef des Fußball-Weltverbandes FIFA, Joseph S. Blatter, kritisierte die Aufrufe von Politikern zum Boykott der Fußball-EM in der Ukraine scharf: "Die Politiker sollten sich jetzt beziehen auf die Werte des Sports. Und bevor sie von Boykott sprechen, sollte man sich überlegen, was das nach sich zieht", sagte Blatter dem Deutschen Anleger Fernsehen. "Die EM muss durchgeführt werden, wo sie ist. Der Fußball soll die Leute zusammenbringen und nicht trennen."
wl/SC (rtr,dpa,afp)