Junge Aktivisten wollen Ukraine voranbringen
10. Januar 2013Die Journalistin Tatiana Tschornowol hat schon vieles überstanden: politische Hetzkampagnen, sogar physische Gewalt. Bei der Parlamentswahl Ende Oktober vergangenen Jahres war sie im westukrainischen Lwiw als Kandidatin des oppositionellen Bündnisses "Vaterland" angetreten. In ihrem Wahlkreis bekam sie 38,81 Prozent der Stimmen. Das reichte nicht für ein Mandat im Parlament in Kiew. Knapp unterlag sie einem bekannten Geschäftsmann. Aber den Kampf gegen die jetzige Führung des Landes will sie nicht aufgeben. "Ich habe die Pflicht, die Korruption in der Staatsmacht aufzudecken. Das ist mein Beitrag im Kampf", sagte Tschornowol der DW.
Pläne, bei der nächsten Parlamentswahl in fünf Jahren wieder zu kandidieren, verfolgt die Journalistin vorerst nicht. Aber die 42.000 Wähler, die ihr Ende Oktober ihre Stimme gegeben hatten, will sie dennoch nicht enttäuschen. "Über die nächste Wahl nachzudenken macht jetzt keinen Sinn. Denn heute ist die gesamte Fortexistenz des Landes fraglich ", so Tschornowol. Sie ist überzeugt, dass Journalisten und Aktivisten unbedingt in die Politik gehen sollten. "Ich wollte bei den Wahlen zeigen, dass man gegen die Superreichen gewinnen kann. Das ist möglich!", unterstrich die Journalistin.
Politikangebote für die Menschen
Lediglich neun Prozent der Stimmen erreichte bei der Parlamentswahl die Rechtsanwältin Tatiana Montjan. Sie hatte in einem Vorort der Hauptstadt Kiew kandidiert. Mit ihrem Ergebnis ist sie dennoch zufrieden. Der nächste Schritt soll eine Kandidatur für den Kiewer Stadtrat sein. Montjan fordert Reformen im Bereich der Wohnungsverwaltung und kritisiert Missstände in der kommunalen Wirtschaft. Mit Gesinnungsgenossen hat sie bereits eine Organisation geschaffen, die sich für die Interessen und Rechte von Wohnungseigentümern einsetzt. Für die nächste Parlamentswahl in fünf Jahren will sie sogar eine eigene Partei gründen. "Wir werden der Gesellschaft dann etwas bieten können", verspricht die Anwältin.
Einer der bestehenden Parteien anschließen will sich Montjan nicht. Ihnen allen wirft sie vor, sich ungezügelt zu bereichern. Die bekannte Bloggerin ist fest davon überzeugt, dass im Parlament zurzeit die falschen Leute sind. Nur Fachleute, die sich wirklich mit Gesetzgebung auskennen, sollten im Parlament sitzen.
Wahlen stärken den Wettbewerb
Ihor Luzenko, Gründer der Bewegung "Bewahrt das alte Kiew", der die rücksichtlose Bauvorhaben im historischen Zentrum der ukrainischen Hauptstadt kritisiert, wollte im vergangenen Jahr ebenfalls Abgeordneter im Parlament werden. Aber während des Wahlkampfes zog er seine Kandidatur zurück, um anderen Oppositionellen keine Konkurrenz zu machen. Sein politisches Engagement setzt Luzenko dennoch fort. Auch er wolle für den Kiewer Stadtrat kandidieren und auch wieder für das Parlament in fünf Jahren, sagte Luzenko im DW-Interview.
Der politische Kampf sei der beste Weg, um die Ukraine und ihre Hauptstadt zu retten, betonte der Aktivist. Die Teilnahme an Wahlen fördere den Wettbewerb unter den Politikern. Deswegen müsse man kandidieren. "Man kann eigene Ideen mit politischen Kampagnen effektiver voranbringen", glaubt Luzenko.
Ein "Alternativ-Parlament" im Internet
Ein Abgeordnetenmandat konnte auch der Wirtschaftswissenschaftler und Publizist aus dem ostukrainischen Charkiw, Alexander Kirsch, nicht erringen. Er war für das Oppositionsbündnis "Vaterland" angetreten. Nach der Wahl gründete er ein virtuelles "Alternativ-Parlament" im Internet. Dem Projekt haben sich bereits 28 ehemalige Abgeordnetenkandidaten angeschlossen. Online bringen sie dort Gesetzesvorschläge ein und bewerten auch die Arbeit der gewählten Abgeordneten im Parlament. Derzeit diskutiert das "Alternativ-Parlament" vor allem Änderungen des Steuersystems in der Ukraine. Die Debatten können im Internet mitverfolgt werden.
Auch Kostjantin Usow engagiert sich jetzt weiter außerhalb des Parlaments. Dort wollte er eigentlich einen Gesetzentwurf einbringen, mit dem Politiker zur Verantwortung gezogen werden sollten, wenn sie ihre Versprechen nicht einlösen. Doch daraus wurde nichts, da Usow bei der Parlamentswahl in seinem Wahlkreis nahe der Schwarzmeer-Stadt Odessa nur den dritten Platz belegte. "Um Politiker zu werden, muss man vor allem ein Gespür für Gerechtigkeit haben", sagte er der DW. Das Land brauche einen Generationswechsel, so der 24-Jährige. Deswegen sollten möglichst viele junge Menschen in die Politik gehen.