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Junge Russen erkunden deutsche Medien

Natascha Ergens9. September 2005

Junge Journalisten aus Russland erleben als Stipendiaten derzeit den Arbeitsalltag der vierten Macht Deutschlands. Ihre vielfältigen Erlebnisse und Erfahrungen diskutieren sie in einem Weblog.

https://p.dw.com/p/7904

Die Eindrücke der Jung-Journalisten sind geprägt von den medienpolitischen und journalistischen Bedingungen im Heimatland. "Deutsche Zeitungen versuchen überparteilich zu sein", schreibt die 22-jährige Julia aus Moskau, die nun bei der Badischen Zeitung ein Praktikum macht. Dasselbe fällt auch Irina aus der Ukraine auf - sie hospitiert bei der Hannoverschen Allgemeinen: "Die Zeitungen, die Parteien einseitig unterstützen, sind in Deutschland schwach entwickelt - anders als in der Ukraine." Das sind einige der zahlreichen Eindrücke, die die Praktikanten untereinander virtuell austauschen. Zum ersten Mal in der elfjährigen Geschichte des Journalistenprogramms des Deutsch-Russischen Forums ermöglicht ein Projekt mit der russischen Redaktion von DW-WORLD den Austausch von Erfahrungen schon während der Praktikantenzeit. Und alles ganz öffentlich zugänglich auf Russisch im Weblog "Hinter den Kulissen der deutschen Medien".

Wo arbeiten die Praktikanten?

Im Blickfeld der Journalisten stehen zahlreiche Medien. Es sind überregionale, regionale und lokale Printmedien (Frankfurter Allgemeine Zeitung, Westdeutsche Allgemeine Zeitung, Financial Times Deutschland, Stern, Thüringer Allgemeine, Badische Zeitung, Hannoversche Allgemeine, Lübecker Nachrichten), eine Online-Redaktion (DW-WORLD) und eine Nachrichtenagentur (DPA). Für die Praktikanten im PR-Bereich haben die Konzerne Volkswagen, Siemens, Ruhrgas und auch das Institut für die deutsche Wirtschaft ihre Türen geöffnet.

Was ist von deutschen Massenmedien zu lernen?

Die Blog-Autoren versuchen, die innere Organisation und Funktionsweise der deutschen Medien zu ergründen. Dabei beschreiben sie Redaktionsabläufe, insbesondere, wie Irina aus Rostow-am-Don, Praktikantin bei der W.A.Z. erzählte, "ebenjene deutsche Blattkritik, über die uns so lange an der Uni erzählt wurde". Praktikanten stellen fest, dass es in Deutschland nicht schwer falle, Informationen für Artikel zu sammeln. Denn hier habe man mehr Vertrauen zu den Medien als in Russland. Die Praktikanten sind auch erstaunt, dass jedes Wort im Artikel auf die Goldwaage gelegt wird. Nikolaj aus St. Petersburg, der nun sein Praktikum bei der F.A.Z. absolviert, hat schon Textkorrekturen erfahren und ist davon überzeugt, alle seinen Kollegen seien Fachlinguisten. Gerne wird in der Redaktion ironisch gescherzt, dass es wohl kein Wort gebe, das in der F.A.Z nicht schon mal als Modewort, vulgär oder abgedroschen bezeichnet worden sei.

Die Praktikanten haben auch erfahren, dass in den deutschen Medien Menschen mit unterschiedlichen fachlichen Hintergründen arbeiten. Die Redakteure in Deutschland haben Germanistik, Geschichte, Politologie, Jura oder Philosophie studiert, meint Julia von der Badischen Zeitung. Dasselbe gilt auch für Russland. Hauptsache, einem liege Journalismus im Blut, schreibt einer der Blog-Besucher.

Den Jung-Journalisten ist auch der Umgang mit der Technik aufgefallen. "Eine Moskauer Presse-Konferenz ist eine Parade von Diktiergeräten. Und mal ohne Diktiergerät zum Interview zu erscheinen, ist ein großer Fauxpas in russischen Journalistenkreisen. In Deutschland aber bevorzugt man statt supermodischer Diktiergeräte die klassischen Stenoblöcke und Kugelschreiber", berichtet die 23-jährige Mascha von der Berliner Morgenpost. Sie schreibt auch: "Die meisten russischen Journalisten fotografieren auch. In Deutschland arbeitet man im Team mit einem Fotografen. Das ist allerdings besser, denn jeder erfüllt professionell seine Aufgabe."

Was bewirkt das Jourblog?

Die Erfahrungen, die die russischen Jung-Journalisten in den deutschen Redaktionen machen, sind nicht zu unterschätzen. Das Jourblog, so meinen die Blogger über sich selbst, bringe das Bild des modernen deutschen Journalismus nach Russland. Im Rahmen der deutsch-russischen Beziehungen führen die Praktika und auch das Blog zu einer besseren gegenseitigen Verständigung.