Jüdischer Friedhof in Sankt Petersburg teilweise zerstört
11. Juli 2002Moskau, 9.7.2002, Ren TV, russ.
In Sankt Petersburg ist es zu einem Akt des Vandalismus gekommen. Beim Verlegen einer neuen Eisenbahnlinie sind auf einem alten jüdischen Friedhof 40 Gräber zerstört worden. Der Gouverneur von Sankt Petersburg Wladimir Jakowlew hat die Leitung der Übermittlungen persönlich übernommen. Er forderte von der Eisenbahnleitung eine genaue Erklärung. Sie hat dazu bisher jedoch noch nicht Stellung genommen.
(Korrespondentenbericht) "Am Rande des ältesten jüdischen Friedhofs in Russland ist - statt Gräbern - ein Bild der Verwüstung zu sehen, frische Spuren von Bulldozern und Teile zerbrochener Grabsteine. Von den Bruchstücken, die im Dreck herumliegen, lässt sich noch nicht einmal das Todesdatum und der Name der Toten ablesen. Lediglich der Davidstern weist auf ihre Nationalität hin. Einige Gräber sind vollständig umgepflügt worden. Es ist bekannt, dass die Juden ihre ersten Toten hier in den sechziger Jahren des 18. Jahrhunderts begraben haben.
Das Geschehene ist für die gläubigen Juden auch deshalb eine Katastrophe, weil nach jüdischem Glauben das Leben mit dem Tod nicht zu Ende ist.
(Menahem-Mendel Pewzner, Oberrabbiner von Sankt Petersburg) 'Die Seele verlässt den Körper, sie bleibt aber in Kontakt mit der Familie, die sie verlassen hat und mit dem Ort, auf dem der Tote beigesetzt worden ist.'
Die Eisenbahngesellschaft Oktjabrskaja hat vor kurzem mit dem Bau dieser Strecke begonnen, die nach nirgendwo führt. Nach den geltenden Bestimmungen dürfen Schienen erst zwei Meter vom Friedhof entfernt verlegt werden. (...)
Vertreter des US-Konsulats haben bereits den Friedhof besichtigt. Sie wollen in Erfahrung bringen, ob es dort Gräber von Menschen gibt, deren Angehörige jetzt die amerikanische Staatsbürgerschaft besitzen. Sollten solche Gräber gefunden werden, wird es viele Gerichtsverfahren geben.
Die gläubigen Juden gedenken ihrer Toten mit Gebeten. Die Gräber regelmäßig zu besuchen ist nicht üblich. Der jüdische Friedhof in Sankt Petersburg wurde oft von Faschisten besucht. Er überdauerte alle Wellen des Antisemitismus, die Leute sagen aber, seit Gründung des Friedhofs in der Zeit des (russischen) Zaren Alexander II. sei es noch nicht vorgekommen, dass an einem helllichten Tag 40 Gräber zerstört wurden. (TS)