Kaisererben ziehen Entschädigungsklagen zurück
10. März 20231918 endete in Deutschland die Monarchie. Doch über 100 Jahre später hofften die Erben des letzten Kaisers immer noch, die Besitztümer aus vergangenen Zeiten zurückzubekommen. Konkret geht es um etwa 4.000 Kunstwerke und Gegenstände im Besitz des letzten Kronprinzen Wilhelm von Preußen (1882-1951), ebenso um viele ehemalige Schlösser und Ländereien.
Doch jetzt hat Georg Friedrich Prinz von Preußen, Nachfahre des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II. (1859-1941), bekanntgegeben, auf Forderungen der Hohenzollern an den deutschen Staat zu verzichten. Das Adelshaus habe die Entschädigungsklagen zurückgezogen, bestätigte der Prinz.
Die Enteignung der "Junker"
Rückblick: Im Zweiten Weltkrieg, den Deutschland verlor, hatten sowjetische Truppen die ehemals deutschen Gebiete östlich der Elbe erobert - und damit das Gros der Hohenzollernschen Besitztümer. Die Sowjetunion betrachtete die "Junker", den landbesitzenden Adel, als Klassenfeind und tragende Säule des Nazis-Systems und machte 1945 kurzen Prozess: In der sowjetischen Besatzungszone wurden sämtliche Adelshäuser entschädigungslos enteignet.
Vier Jahrzehnte später fiel die Mauer, Deutschland wurde wiedervereinigt. Mit einem Schlag lagen viele ehemalige Schlösser und Ländereien der Hohenzollern auf dem Boden der Bundesrepublik. Doch heißt es im Einigungsvertrag von 1990: Die Bodenreform von 1945 wird nicht rückgängig gemacht. So mussten die Hohenzollern ihre alten Immobilien im Osten abschreiben.
Gut 30 Jahre später forderten die Erben des letzten Monarchen vom deutschen Staat eine Millionenentschädigung und die Restitution von Kulturgütern - vergeblich. Die Gerichte sollten entscheiden.
Den Nazis "Vorschub geleistet"?
In dem Entschädigungsstreit ging es dabei vor allem um die Frage, ob Vertreter des Hauses Hohenzollern mit den Nationalsozialisten paktiert hatten, die Deutschland zwischen 1933 und 1945 beherrschten. Konkret: Hatten die Erben des 1918 abgedankten letzten Deutschen Kaisers Wilhelm II. dem Nationalsozialismus "erheblich Vorschub" geleistet?
Welche Rolle spielte dabei der Sohn des letzten Monarchen und Ex-Kronprinz Wilhelm von Preußen zwischen den Weltkriegen? Verhalf er den Nazis an die Macht, um die Monarchie wieder zu errichten? Das sogenannte "Ausgleichsleistungsgesetz" von 1994 regelt die Entschädigung von 1945 im Osten enteigneten Grundbesitzern und besagt: Wer Hitler und den Nazis "erheblichen Vorschub" leistete, hat kein Recht auf Wiedergutmachung.
Historische Dokumente belegen die Nähe Wilhelms zu Hitler. Fotos und Filme zeigen den Ex-Kronprinzen mit Hitler und anderen Naziführern. Die Hoffnung Wilhelms jedoch, die Nazis würden ihn zum neuen Kaiser krönen, zerschlug sich. Historiker debattieren heute kontrovers über Wilhelms Rolle im Nazistaat.
Die Nähe Hitlers gesucht
In Biographien beschreiben die Historiker Lothar Machtan ("Der Kronprinz und die Nazis") und Stephan Malinowski ("Die Hohenzollern und die Nazis") den Kronprinzen als radikalen Anti-Demokraten, der Mussolini bewunderte und die Nähe Hitlers suchte. Sein erklärtes Ziel: der Kaiserthron. Malinowski und sein Kollege Peter Brandt kamen in einem Gutachten zu dem Schluss, Wilhelm von Preußen habe durch sein Verhalten der Errichtung und Festigung des nationalsozialistischen Regimes "erheblich Vorschub geleistet".
Tatsächlich rief der Ex-Kronprinz bei der Reichspräsidentenwahl 1932 zur Wahl Hitlers auf. Später brüstete er sich damit, ihm zwei Millionen Stimmen verschafft zu haben. Auch öffentlich demonstrierte Wilhelm den Schulterschluss mit den neuen Eliten. "Das symbolische Kapital der Hohenzollern war für die Nazis 1932/33 sehr wichtig", urteilte der Münsteraner Historiker Jacco Pekelder in einem Fernsehinterview, "auch wenn der Kronprinz dabei seine eigene Agenda hatte."
Große Zweifel daran meldeten die Herausgeber des 2021 erschienenen Sammelbandes "Die Hohenzollerndebatte" an. Der Historiker Frank-Lothar Kroll bescheinigte Wilhelm ein "eher randständiges Engagement" für die Nazis. Zwar habe er sich bei Hitler angebiedert, dessen totalitäre Ideologie aber nicht geteilt. Geschichtsprofessor Christian Hillgruber sah den Tatbestand des "erheblichen Vorschubs" ebenso wenig gegeben wie der Historiker Michael Wolffsohn.
Keine Frage fürs Gericht
Scharen von Anwälten, Politikern und Historikern befassten sich Jahrzehnte lang mit den Rückgabe- und Entschädigungsansprüchen der Nachfahren Wilhelms von Preußen, des Ex-Kronprinzen des Deutschen Kaiserreichs. Jetzt aber soll Schluss damit sein: "Ich bin an den Punkt gekommen, dass es nicht richtig sein kann, diese Frage vor Gericht auszutragen", begründete der Prinz den Verzicht auf eine gerichtliche Entscheidung und ergänzte mit Blick auf seinen Urgroßvater: "Wer sich dem Rechtsextremismus anbiedert, kann nicht traditionsstiftend für das Haus sein."
Kulturstaatsministerin Claudia Roth begrüßte die Entscheidung des Hohenzollern-Chefs. Der Prinz von Preußen hofft nun auf eine "neue, unbelastete Debatte" über die Hohenzollern, eine der bedeutendsten Dynastien der deutschen Geschichte. Aus ihr gingen über die Jahrhunderte zahllose deutsche Herrscher hervor, darunter viele preußische Könige und deutsche Kaiser.