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Kambodscha ringt mit seiner blutigen Vergangenheit

Rafael Heiling3. Juli 2006

Kambodscha klagt Anführer der Roten Khmer an - fast 30 Jahre nach deren Schreckensherrschaft. Die meisten Funktionäre von damals sind unbehelligt auf freiem Fuß. Aber das Tribunal hat deutliche Mängel.

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Ein Soldat der Roten Khmer bedroht 1975 in Phnom Penh LadenbesitzerBild: AP
Kambodscha Roter Khmer Ta Mok
Der berüchtigte frühere Rote-Khmer-Führer Ta Mok sitzt als einer der wenigen bereits in HaftBild: AP

Hinrichtungen, Zwangsarbeit, Deportation - mit brutaler Gewalt versuchten die Roten Khmer, aus Kambodscha einen kommunistischen Bauern-Staat zu machen. Etwa zwei Millionen Menschen starben während der Schreckensherrschaft zwischen 1975 und 1979.

Doch bestraft wurde wegen der Verbrechen bisher niemand. Es gab nur zwei Schauprozesse, bei denen der Khmer-Führer Pol Pot und sein Außenminister Ieng Sary in Abwesenheit zum Tode verurteilt wurden. Pol Pot starb 1998 in seinem Versteck, Sary und Ex-Staatschef Khieu Samphan leben bis heute unbehelligt in Kambodscha. So wie sie laufen noch einige frühere Khmer-Führer frei herum, weil für sie eine Amnestie gilt. Die meisten sind mittlerweile sehr alt, einige der bekanntesten sind sogar schon gestorben.

Gemischter Gerichtshof

Kambodscha Roter Khmer Pol Pot
Pol Pot starb 1998 - ohne je verurteilt worden zu seinBild: AP

Nun sollen 29 Richter und Staatsanwälte Funktionäre der Roten Khmer zur Rechenschaft ziehen. 17 Mitglieder der "Khmer Rouge Trials" kommen aus Kambodscha, zehn internationale Juristen werden von den Vereinten Nationen bestimmt. Am Montag (3.7.2006) wurden sie vereidigt. Spätestens 2007 sollen dann in der Hauptstadt Phnom Penh die ersten Verhandlungen stattfinden. Dabei wenden die Richter kambodschanisches Recht an, die höchstmögliche Strafe ist lebenslange Haft.

Angeklagt werden sollen laut UNO 20 bis 50 Funktionäre - darunter auf jeden Fall Ta Mok ("The Butcher") und Kang Kech Eav ("Duch"), der für seine brutalen Folterungen im Gefängnis Tuol Sleng berüchtigt ist, sagt Katja Freistein, Expertin für Kambodscha bei der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung.

Faule Kompromisse

Die Opfer der Roten Khmer
Eine Gedenkstätte erinnert an den Killing Fields von Cheung Ek an die Opfer der Roten KhmerBild: AP

Auch wenn es genügend gesicherte Beweise gibt: Eine systematische Aufklärung der Verbrechen ist von dem Tribunal aber wohl nicht zu erwarten. "Es wurden sehr viele faule Kompromisse gemacht", sagt Gerhard Will, Südostasien-Experte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik.

Denn erstens würden beim Tribunal nur sehr wenige zur Verantwortung gezogen. Und zweitens hätten die kambodschanischen Richter keine juristische Ausbildung, die internationalen Standards genüge - "sie haben aber die Mehrheit und das Sagen". Freistein erklärt, "dass die kambodschanische Regierung nie besonders begeistert von der Idee eines Tribunals war". Doch sie habe die Bedingungen der UN akzeptiert, wohl auch, um nicht die dringend benötigten Finanzhilfen der Geberländer zu verlieren.

Blockade durch USA und China

BdT Reisfeld in Kambodia
Das wirtschaftlich arme Kambodscha ist auf Hilfsgelder angewiesenBild: AP

Querschüsse gegen das Tribunal gab es von mehreren Seiten. Denn die USA und China haben die Roten Khmer früher unterstützt - "vor allem, weil sie ein Gegner Vietnams waren, das wiederum ein Gegner der USA und Chinas war", wie Freistein sagt. "Im Umgang mit den Khmer Rouge sind von allen westlichen Staaten und China Fehler gemacht worden. Das will nun niemand zugeben."

Aber auch in Kambodscha selbst gibt es Widerstand. "Es geht ja an die Substanz der Regierung", erklärt Will. Und viele Militärs, die bei den Roten Khmer gedient hätten, seien jetzt in der regulären Armee aktiv. Die, denen eine Anklage droht, fordern, auch amerikanische und chinesische Politiker, müssten auf die Anklagebank.

Hauptsache, es gibt einen Prozess

Die Kambodschaner wollen laut Will nicht an die Vergangenheit erinnert werden: Viele seien zugleich Täter und Opfer gewesen. "Man konnte eigentlich nur überleben, wenn man sich selbst auch mal schuldig gemacht und den Nachbarn verraten hat."

Was die Ergebnisse des Tribunals angeht, ist Will skeptisch. Freistein betont aber: "Ob jemand verurteilt wird oder nicht, ist den meisten gar nicht so wichtig. Dass aber öffentlich über die Vergangenheit gesprochen wird, dass auch die jüngere Generation endlich erfährt, was in der Vergangenheit geschehen ist, ist wohl entscheidend." Daher müssten die Prozesse unbedingt stattfinden.