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Kamerun: Umstrittener Kampf gegen Boko Haram

Friederike Müller-Jung22. September 2016

Kamerun kämpft gegen die Terrorgruppe Boko Haram - mit militärischer Gewalt und ohne Rücksicht auf Menschenrechte. So lautet der Vorwurf von Amnesty International. Die Regierung bestreitet das.

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Ein kamerunischer Soldat nahe der Grenze zu Nigeria im Einsatz gegen Boko Haram (Foto: Ngala Chimtom/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/Ngala Chimtom

Die Vorwürfe wiegen schwer: "Hunderte Personen wurden willkürlich festgenommen, manchmal sogar ohne jegliche Beweisgrundlage, und unter unmenschlichen Bedingungen inhaftiert", sagt Balkissa Idé Siddo von Amnesty International. Viele hätten weder ihre Familie noch einen Anwalt kontaktieren können, seien gefoltert worden und einige sogar in Haft gestorben. "Ihre Rechte werden mit Füßen getreten. Eigentlich sollte der Staat die Bevölkerung vor Boko Haram schützen. Dabei begeht er selbst zahlreiche Menschenrechtsverletzungen", sagt Siddo im DW-Interview.

Wie in Nigeria, im Niger und im Tschad verbreitet die Terrorgruppe Boko Haram auch im Norden Kameruns Angst und Schrecken. Kameruns Regierung setzt auf ihr Militär, um die Terroristen zu bekämpfen. So auch im Dezember 2014 in den Dörfern Magdeme und Doublé in der Region Extrême-Nord. Auf diese Militäroperation bezieht sich die Menschenrechtsorganisation Amnesty International in ihren Berichten. Die Soldaten sollen dort mindestens 200 Männer festgenommen haben. 25 seien noch in der Nacht gestorben, mehr als 130 andere bis heute verschollen. Die Familien der Verhafteten wüssten nicht, ob ihre Angehörigen überhaupt noch am Leben seien.

Die Karte zeigt Kamerun, Niger, Tschad und Nigeria. Alle vier Länder setzen auf das Militär im Kampf gegen Boko Haram.

"Wir sind stolz auf unsere Armee"

Kameruns Kommunikationsminister und Regierungssprecher Issa Tchiroma Bakary bestätigt, dass es diese Operation gab. "Wir haben sie durchgeführt, um denen entgegenzutreten, die Terror und Angst in unserem Land verbreiten wollten", sagt er im DW-Interview. Dabei seien alle Verdächtigen verhaftet und in Gefängnisse gebracht worden, und 25 von ihnen gestorben. Die Autopsien hätten ergeben, dass viele der Toten "Substanzen" konsumiert hätten, die aber nicht näher identifiziert werden konnten. Die Vorwürfe von Amnesty International weist er jedoch entschieden zurück: Der Schutz und Respekt der Menschenrechte in Kamerun habe absolute Priorität, der Bericht der Menschenrechtler sei überzogen und entbehre jeglicher Grundlage. "Wenn das, was Amnesty International sagt, stimmt, dann sollen sie uns Beweise liefern", sagt Bakary.

"Dass es hier und da mal zu Fehlverhalten kommt - da gibt es wohl keine Armee der Welt, in der das nicht geschieht." Die Regierung untersuche die Vorfälle nach dem Militäreinsatz vom Dezember 2014, so Bakary weiter. Aber: "Wir sind stolz auf unsere Armee." Sie habe es als einzige Armee in der Region innerhalb von acht Monaten geschafft, die Grenzen abzuriegeln und Boko Haram daran zu hindern, ins Land vorzudringen und sich dort festzusetzen. Das Militär genieße eine angemessene Ausbildung mit Unterstützung aus den USA. Auf dem Trainingsprogramm stünden auch die Menschenrechte und deren Schutz.

Nigerias Präsident Buhari und Kameruns Präsident Biya bei Buharis Besuch in Kamerun 2015. Die beiden wollen eine gemeinsame Strategie im Kampf gegen Boko Haram entwickeln (Foto: Reinnier KAZE/AFP/Getty Images)
Kameruns Präsident Paul Biya (links) empfängt 2015 seinen Amtskollegen aus Nigeria, Muhammadu Buhari, um den gemeinsamen Kampf gegen Boko Haram zu besprechenBild: Getty Images/AFP/R. Kaze

Wenn Gewalt keine Grenzen kennt

Gerade bei der Ausbildung des Militärs sieht Martin Ewi Defizite. Der Kameruner beschäftigt sich am Institut für Sicherheitsstudien in Südafrika mit Boko Haram. Die Gruppe schrecke vor nichts zurück - so nutzten die Terroristen zum Beispiel Zivilisten als lebende Schutzschilde. Dieser Aspekt müsse in der Ausbildung berücksichtigt werden. Insgesamt sieht Ewi den militärischen Kampf gegen Boko Haram kritisch: "Es ist sehr schwierig, dabei nicht in die Falle zu tappen, selbst Menschenrechtsverletzungen zu begehen."

Ewi ruft die kameruner Regierung auf, die von Amnesty International angeprangerten Fälle dringend und gründlich zu untersuchen. "Sie muss jetzt alles tun, um den Menschen ein Gefühl der Sicherheit zu geben und ihnen zeigen, dass das Militär nicht so böse und zerstörerisch ist wie Boko Haram", sagt Ewi. Anders und ohne die Unterstützung der Bevölkerung könne Kamerun den Kampf gegen die Terrorgruppe nicht gewinnen.

Mitarbeit: Sandrine Blanchard