Kampfdrohnen: Militärs dafür, Parlamentarier skeptisch
1. Juli 2014"Das Interesse an dieser Sitzung sprengt jeden Rahmen", stellte der Vorsitzende Hans-Peter Bartels (SPD) zufrieden fest, als er die öffentliche Anhörung im Verteidigungsausschuss eröffnete. Das brisante Thema - soll die Bundeswehr mit Kampfdrohnen ausgerüstet werden oder nicht? - hatte zu einem veritablen Ansturm auf den Sitzungssaal geführt. Noch nie war im Bundestag ein so breites Spektrum an Meinungen zu dieser strittigen Frage präsentiert worden: neun Militärs und Fachleute trugen am Montag (30.06.2014) ihre Positionen vor und beantworteten anschließend die Fragen der Parlamentarier. Zwischen ihnen saß Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), vor sich Stift und Notizblock, und hörte schweigend zu.
Die Bundeswehr will Drohnen
Die Führung der Bundeswehr tritt vehement für die Anschaffung von bewaffneten Drohnen ein. Diese seien unerlässlich für den Schutz der Soldaten im Einsatz, argumentierte Generalleutnant Hans-Werner Fritz. Als Befehlshaber des Einsatzführungskommandos ist er zuständig für die deutschen Soldaten im Auslandseinsatz und sieht die Drohnen als Teil der "bestmöglichen Ausrüstung", die der Truppe nicht verwehrt werden dürfe.
In der Anhörung führte der General seine eigene Einsatz-Erfahrung ins Feld: Als Kommandeur in Afghanistan habe er miterlebt, wie sich seine Soldaten in einem riesigen Kampfgebiet mit einem unberechenbaren Gegner herumschlugen. Bei einem Angriff der Taliban im Jahr 2010 seien lange Minuten vergangen, bis Artillerie den Soldaten zur Hilfe kam. "Eine Drohne hätte schneller eingreifen können", betonte Fritz. "Ein Soldat im Gefecht weiß, wie lange sich eine Minute anfühlen kann, in der vielleicht der Tod eintritt." Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hellmut Königshaus, formulierte es noch drastischer: Wer den Soldaten nicht den bestmöglichen Schutz gewähre, versündige sich an ihnen und verstoße gegen ihre im Grundgesetz verbrieften Rechte.
"Fähigkeitslücke schließen"
Zwar setzt die Bundeswehr in Afghanistan die Aufklärungsdrohne Heron ein, diese ist aber unbewaffnet. Sie kann also potenzielle Gefahren aus der Luft erkennen, sie aber nicht bekämpfen. Für die Militärführung ist das eine "Fähigkeitslücke", die schleunigst geschlossen werden sollte. "Das Ziel muss sein, das Risiko für die Soldaten so gering wie möglich zu halten", sagte General Fritz und wurde darin vom Vorsitzenden des Bundeswehrverbandes, André Wüstner, unterstützt. "Der Kampf Mann gegen Mann kostet Leben." Wenn die Bundeswehr auf bewaffnete Drohnen verzichte, würden der Tod und die Verwundung von Soldaten billigend in Kauf genommen.
Das Schutz-Argument spielt bei jedem Kauf von neuer und besserer Ausrüstung für die Truppe eine zentrale Rolle. Doch nicht für alle Fachleute ist es Dreh- und Angelpunkt der Debatte, viele halten es für zu kurz gegriffen. "Warum geraten US-Soldaten trotz der Drohnen immer wieder in Hinterhalte?", fragte Christoph Marischka von der Tübinger "Informationsstelle Militarisierung". Die US-Armee verfügt über ein großes Arsenal an Kampfdrohnen und setzt diese auch für extralegale Tötungen ein - für die Kritiker ein Grund mehr, die Finger von diesen Waffensystemen zu lassen. Unbemannte, ferngesteuerte Kampfdrohnen hätten außerdem das Potenzial, "einen fundamentalen Wandel der Kriegsführung" herbeizuführen, sagte Niklas Schörnig von der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung. Da die Piloten am Boden keinem Risiko ausgesetzt seien, sinke die Hemmschwelle für den Einsatz der tödlichen Waffe.
Automatisierung des Waffeneinsatzes
Die Kritiker fürchten außerdem, dass die mit hochkomplexen Computersystemen bestückten Drohnen künftig zu autonomen Entscheidungen fähig sein werden. Die Anfänge seien schon gemacht, sagte Marcel Dickow von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik. Eine Drohne verfüge über zahlreiche Kameras, die Massen von Daten aufnehme. "Man kann aber nicht 10 oder 20 Bildauswerter in die Bodenstation setzen, die miteinander kommunizieren", so der Physiker. Die Drohne treffe also selbstständig eine Vorauswahl. Das sei nur ein Beispiel für die vielen eingebauten Funktionen, die der Bediener unmöglich alle verstehen und steuern könne. Bei einer schnellen Entscheidung sei er auf die Mithilfe des Systems angewiesen.
Die Entwicklung gehe hin zu einer immer größeren Autonomie der Drohnen. Und diese, so Dickows Appell, dürften keinesfalls bewaffnet werden. Dafür solle sich die Bundesregierung auch international einsetzen. "Das würde die deutsche Außenpolitik glaubwürdig machen." Die Befürworter halten dagegen, die Bundeswehr werde Drohnen nicht anders einsetzen als Kampfflugzeuge und sich dabei an den Auftrag des Parlaments sowie an Recht und Gesetz halten. "Es geht nicht um autonome Killderdrohnen", sagte Verteidigungsministerin von der Leyen.
Die SPD bremst den Koalitionspartner
Für den Bundestag ist der Kauf von Kampfdrohnen längst noch nicht ausgemacht. In von der Leyens CDU gibt es zwar viele Befürworter, aber die Partei sieht keinen dringenden Handlungsbedarf. Die Sozialdemokraten treten aktiv auf die Bremse. Die Soldaten am Boden könnten auch mit jenen Kampfflugzeugen und Hubschraubern unterstützt werden, über die die Bundeswehr bereits verfüge. "Wir haben im Augenblick überhaupt kein aktuelles Bedürfnis nach einer bewaffneten Drohne", sagte der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer Arnold, nach der Anhörung.
Die Oppositionsparteien - die Linken und die Grünen - sind strikt gegen den Kauf bewaffneter Drohnen. Mit dem Argument, die Soldaten müssten besser geschützt werden, werde ein "Beschaffungsdruck" aufgebaut, kritisierte die Grüne Agnieszka Brugger. Da der Afghanistan-Einsatz zum Ende des Jahres auslaufe, gebe es derzeit kein militärisches Szenario, in dem die Bundeswehr Kampfdrohnen brauche.