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Kann sich Deutschland 16 Bundesländer leisten?

Wolfgang Dick18. Oktober 2013

Deutschland ist in 16 Bundesländer aufgeteilt. Das garantierte bisher Vielfalt und Demokratie. Wenn es nach einigen Politikern geht, könnte das Erfolgsmodell Föderalismus aber einem Sparkurs zum Opfer zu fallen.

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Flaggen der 16 Bundesländer stehen auf einem Tisch. Foto: Ralf Hirschberger dpa/lsn
Bild: picture-alliance/dpa

Deutschland hat Schulden - mehr als 2000 Milliarden Euro. So viel Steuern nimmt der Staat in vier Jahren ein. Alleine die Zinsen für diesen gigantischen Schuldenberg machen pro Sekunde einen Betrag aus, von dem ein afrikanischer Landarbeiter zwei Jahre leben könnte. Auch wenn Deutschland derzeit Steuereinnahmen in Rekordhöhe verzeichnet, reicht es nicht, um die Infrastruktur im Land auf einem guten Niveau zu erhalten, sagen Haushaltsexperten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Partei, die CDU, wollen keine Steuererhöhungen. Der mögliche Regierungspartner für eine künftige Koalition - die Sozialdemokraten haben schon signalisiert, auf ihre Forderung nach Steuererhöhungen zu verzichten. Sie stellen aber eine Bedingung: Höhere Investitionen in die Bereiche Bildung, Soziales und Umweltschutz. Die Situation dürfte sich noch weiter verschärfen wegen einer Vereinbarung, die längst beschlossen ist: Ab 2020 dürfen die Bundesländer keine neuen Schulden mehr machen. Außerdem wollen die wenigen reicheren Bundesländer die ärmeren nicht mehr länger unterstützen. Einige Ökonomen rechnen deshalb mit einer finanzpolitischen Katastrophe.

Forderung nach weniger Bundesländern

Der Spardruck ist so groß, dass einige Politiker eine alte Idee wiederbeleben wollen. Sie versuchen, die Anzahl der Bundesländer zu reduzieren. "Kleinere Bundesländer können ihre Aufgaben kaum noch ordentlich erfüllen. Es droht Gefahr, wenn wir es bei 16 Bundesländern belassen", sagt Bernward Rothe. Der SPD-Abgeordnete im Landesparlament von Sachsen-Anhalt sammelt mit prominenten Mitstreitern seit Juli Unterschriften für das Volksbegehren "Mitteldeutschland". Dazu sollen sich die Bundesländer Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen zu einem einzigen großen Bundesland zusammenschließen.

Portrait Bernward Rothe, Abgeordneter im Landtag von Sachsen-Anhalt und Mitglied der SPD-Fraktion. Foto: dw
Rothe: "Es droht Gefahr, wenn wir es bei 16 Bundesländern belassen"Bild: picture-alliance/dpa

Das geht nur mit einem Volksbegehren. Es muss auch gesetzlich vorgegebene Hürden erfüllen. Zehn Prozent aller Wahlberechtigten müssten den Zusammenschluss befürworten. Bernward Rothe sagt, er glaube, das erreichen zu können. "Die Menschen sind dafür aufgeschlossen."

Die teuren Verwaltungsapparate mit milliardenschweren Pensionsansprüchen der Mitarbeiter würden bei einer Länderfusion nach seiner Berechnung Sparpotenzial in Millionenhöhe bieten. Bernward Rothe wird deutlich: "Wenn wir nicht bei Personal sparen, dann ist am Ende die Existenz der Länder insgesamt infrage gestellt." Handlungsbedarf sehen wohl auch andere Bundesländer und denken über Länderfusionen nach. Bernward Rothe erhält nach eigenen Angaben entsprechende Signale aus Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein.

Widerstand gegen Neuordnung bröckelt

Die Aufteilung in Bundesländer ist in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg in der Verfassung festgelegt worden. Ein diktatorischer Zentralstaat wie unter Adolf Hitler sollte nie wieder entstehen können. Die Ländervertreter sollten zudem die Aktion des Bundes stets kontrollieren und ergänzen. Das Grundprinzip des sogenannten Föderalismus gilt unter Politikern deshalb als unantastbar. Eigentlich. Denn im Bereich Bildung - 16 Bundesländer betreiben unterschiedliche Schulpolitik - hat sich diese Aufteilung in den vergangenen Jahren als so hinderlich dargestellt, dass jetzt bestimmte Kompetenzen auf Bundesebene versammelt werden sollen.

Portrait von Meinhard Miegel. Vorsitzender des Vorstands des Denkwerks Zukunft - Stiftung kulturelle Erneuerung Quelle: http://www.denkwerkzukunft.de - Pressefoto.
Meinhard Miegel: "Deutschland braucht eine funktionierende Unterstruktur"Bild: FRANK BEER/DENKWERK ZUKUNFT

"Deutschland wird zentralistischer. Immer mehr wird in Berlin geregelt", stellt auch Meinhard Miegel fest. Der Sozialwissenschaftler, Jurist und Vorsitzende des Think-Tanks "Denkwerk Zukunft" sieht gefährliche Tendenzen. Das Interesse an Landespolitik sinke zunehmend. "Wir brauchen wieder Länder von Bedeutung, die wirklich wichtige Dinge entscheiden", sagt Miegel. Er befürwortet daher ein Modell mit nur noch sieben statt 16 Bundesländern. Als Grund, warum das nicht bereits umgesetzt worden sei, nennt Miegel einzig das "Ego der Mächtigen". In erster Linie werde die Reduzierung eigener Bedeutung und Gestaltungsfreiheit sowie der Personalabbau im öffentlichen Dienst gefürchtet. Meinhard Miegel dazu: "Was für ein Irrsinn. Wir erhalten die Kleinstaaterei, damit Leute in Behörden beschäftigt sind, die alle dasselbe machen."

Karte Infografik Die 16 Bundesländer und ihre Hauptstädte DW-Grafik: Olof Pock
Bild: DW

Viele Bürger für Länderfusionen

Das Grundgesetz in Deutschland schreibt keine bestimmte Anzahl von Bundesländern vor. So hat es seit der Gründung der Bundesrepublik immer wieder Versuche gegeben, die Länder neu zu ordnen. Zuletzt sollte 1996 der Stadtstaat Berlin mit Brandenburg verschmolzen werden. Es scheiterte am Votum der Brandenburger. Erfolgreich war dagegen die Zusammenlegung von Württemberg-Baden, Baden und Württemberg-Hohenzollern zum Bundesland Baden-Württemberg mit der Landeshauptstadt Stuttgart. Das war allerdings schon 1952.

In der Bevölkerung ist die Ebene der Bundesländer offenbar wenig beliebt. Zum 60-jährigen Bestehen der Bundesrepublik ergab eine Studie der Bertelsmann-Stiftung, dass immerhin jeder vierte Bürger der Ansicht ist, Bundesländer seien überflüssig. 57 Prozent der Befragten würden eine Fusion ihres Landes mit dem Nachbarland befürworten.

Ein Zentralstaat nach dem Vorbild Frankreichs zeichnet sich allerdings nicht ab. "Deutschland braucht eine funktionierende Unterstruktur", sagt Meinhard Miegel. So ruderte auch der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, schnell zurück. In einem Interview hatte er angedeutet, sich einer Länderfusion nicht zu verschließen. Das sorgte für derart große Schlagzeilen, dass ein Pressesprecher alles als Missverständnis bezeichnete und weitere Äußerungen zu dem Thema verweigerte.