Kanzlerin unterstützt Nachhaltigkeitsziele
3. Juni 2015Gleich hinter dem Eingang des Kongresszentrums am Berliner Alexanderplatz, in dem der Rat für Nachhaltigkeit seine Jahrestagung abhält, wird deutlich, wie umfangreich das ist, was gemeinhin unter Nachhaltigkeit verstanden wird: Da liegt das bunte Magazin für "Nachhaltigkeit und Lifestyle in Stuttgart" aus mit dem programmatischen Namen "Übermorgen". Und ein paar Meter weiter werben Umweltschützer dafür, mit Nahrungsmitteln sorgsam umzugehen: "Kein Essen für die Tonne." Tatsächlich werfen die Deutschen fast ein Fünftel der gekauften Lebensmittel einfach weg: Weil sie im Kühlschrank schlecht geworden sind oder weil der Einkauf schlecht geplant war. Das ist das Problem mit der Nachhaltigkeit: Ernst genommen, betrifft Nachhaltigkeit fast alle Lebensbereiche. Nicht nur die Umwelt-und Entwicklungspolitik, sondern auch die Finanz-, Bildungs-, Kultur-und Gesundheitspolitik. Und zwar global und regional.
Alles hängt mit allem zusammen. Schwer, den Überblick zu behalten. Grob gesagt, meint Nachhaltigkeit: Mit den Ressourcen, die wir heute haben, so umgehen, dass künftige Generationen nicht beeinträchtigt werden.
Thema Nachhaltigkeit auf dem G7-Gipfel
Die pragmatische Kanzlerin konzentriert sich in ihrer Rede auf zwei Aspekte: Auf den Klimaschutz und die neuen Nachhaltigkeitsziele, die "Sustainable Development Goals" (SDGs) , die die Vereinten Nationen im Herbst beschließen wollen. Sie sollen die Millenniumsziele ablösen, die bislang helfen sollten, Hunger und Armut vor allem in den armen Ländern zu bekämpfen. Die neuen Nachhaltigkeitsziele (SDGs) sollen einer offenen UN-Arbeitsgruppe zufolge 17 Oberziele umfassen. Darunter zum Beispiel: ein gesundes Leben für Menschen jeden Alters sichern, Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern fördern und den Zugang zu bezahlbarer Energie ermöglichen. Die neuen Nachhaltigkeitsziele sollen nun alle betreffen, auch die reichen Länder: "Das birgt die Gefahr, dass sie nicht mehr so griffig sind," sagt Angela Merkel dazu.
Um griffigere Themen geht es dagegen schon am kommenden Wochenende. Dann empfängt Merkel die Staats-und Regierungschefs der G7 im bayerischen Schloss Elmau. Und sie verspricht in ihrer Rede vor dem Rat, der Nachhaltigkeit auf dem Gipfel breiten Raum einzuräumen. Tatsächlich stehen im Schloss in Bayern eher G7-untypsiche Themen auf der Tagesordnung - unter dem Motto "An Morgen denken, gemeinsam handeln." Der Kampf gegen Müll in den Meeren etwa oder die globale Ernährungssicherheit. "Sowas wäre noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen, dass ein G7-Gipfel sich mit soviel Nachhaltigkeit befassen will", kommentiert das Stephan Contius vom deutschen Umweltministerium.
Merkel: Chancen für neuen Klimavertrag so gut wie nie
Aber eigentlich wartet die Weltgemeinschaft beim Thema Nachhaltigkeit vor allem auf Paris, auf die Klimakonferenz in der französischen Hauptstadt im Dezember. Dort soll endlich ein neues Klimaabkommen unter Dach und Fach gebracht werden, dass 2020 in Kraft treten soll: mit Klimazielen für alle Staaten, auch die Entwicklungs -und Schwellenländer, die im bisherigen Klimavertrag, dem Kyoto-Protokoll - das weitgehend wirkungslos ist - noch keine eigenen Klimaziele erfüllen müssen. "Der politische Wille, zu einem Erfolg zu kommen, scheint so groß zu sein wie noch nie zuvor, aber der Erfolg ist deshalb nicht gewiss", warnt Angela Merkel.
Olaf Tschimpke, Vorsitzender der deutschen Umweltgruppe NABU, erwartet von der Kanzlerin, dass sie bis zur Konferenz in Paris die eher klimazögerlichen Länder wie Japan und Australien ins Boot holt. Und wie Tschimpke will auch die Vorsitzende des Rates für Nachhaltige Entwicklung, Marlehn Thieme, einen Erfolg der Pariser Konferenz. Deshalb warnt sie die Kanzlerin vor einem Scheitern wie 2009 auf der Klimakonferenz in Kopenhagen, die in den Monaten zuvor schlecht vorbereitet war: "Kopenhagen hat gezeigt, dass man nicht alles auf die Verhandlungen am letzten Tag setzen kann", so Thieme.
Die Kanzlerin hört sich das ruhig an. Und sie verspricht, die Schwellen-und Entwicklungsländer vor allem durch konkrete Finanzzusagen von einem neuen Klimavertrag zu überzeugen. Deutschland allein will bis 2020 vier Milliarden Dollar bereitstellen, damit sich die armen Länder an den Klimawandel anpassen können. Erste Projekte sollen noch im Herbst starten. Vor dem Klimagipfel in Paris.