Politikwechsel nach 15 Jahren
21. März 2016Die Kapverden gelten als demokratisches Musterland Afrikas. Seit der Unabhängigkeit vor 40 Jahren gab es mehrere friedliche Machtwechsel. Nach den Parlamentswahlen an diesem Sonntag ist es jetzt wieder so weit: Die Kapverder haben die Afrikanische Partei für die Unabhängigkeit der Kapverden (PAICV), die aus der ehemaligen Befreiungsbewegung hervorgegangenen ist, nach 15 Jahren abgewählt.
Die PAICV wurde damit vor allem für die schlechte wirtschaftliche Lage im Land abgestraft. Die Staatsschulden des westafrikanischen Inselstaats haben sich nach Daten der Weltbank zwischen 2008 und 2013 mehr als verdoppelt, von 36 auf 81 Prozent. Die Arbeitslosigkeit beträgt nach Angaben des nationalen Statistikinstituts 16 Prozent, vor allem Jugendliche finden keinen Job.
Auch bei der Bewegung für Demokratie (MpD) war die Wirtschaft Wahlkampfthema Nummer 1. Ulisses Correia e Silva, der Spitzenkanidat der MpD, hatte im Vorfeld 45.000 neue Arbeitsplätze versprochen - allein in den kommenden fünf Jahren. Mit diesem Wahlprogramm hat er sich jetzt wohl durchgesetzt: "Unser Ziel ist ein Wachstum von sieben Prozent pro Jahr. So viel muss das Land wachsen, damit nachhaltige 'Qualitätsjobs' entstehen und so die Armut verringert wird", sagte Correia e Silva im Wahlkampf. "Das setzt voraus, dass wir ein gutes Umfeld für Geschäfte haben. Also müssen wir die Steuern senken und die Bürokratie schlanker und weniger wirtschaftsfeindlich machen."
Bald ein Wirtschaftswunder auf den Kapverden?
Außerdem will Correia e Silva, der bis Ende 2015 Bürgermeister der Hauptstadt Praia war, die Staatschulden und die Auslandverschuldung verringern. Beide seien in den vergangenen Jahren aus dem Ruder gelaufen. Die Finanzlast drohe die Unternehmen des Landes zu ersticken, sagt er. Seine Pläne kann der MpD-Vorsitzende voraussichtlich bald in die Tat umsetzen: Nach 15 Jahren wird er nun José Maria Neves als neuen Ministerpräsidenten ablösen.
Die MpD stellt derzeit außerdem mit Jorge Carlos Fonseca den Staatspräsidenten, dem aber im politischen System des Inselarchipels eher eine repräsentative, überparteiliche Funktion zukommt.
Janira Hopffer konnte die Wahl auch nicht retten
Seit dem Ende des Einparteien-Regimes auf den westafrikanischen Inseln Anfang der 90er Jahre ist die konservative MpD der Widersacher der sozialdemokratischen PAICV. Die wiederum hatte bei den Wahlen voll auf Janira Hopffer Alamada gesetzt. Seit Dezember 2014 ist die ehemalige Jugendministerin Vorsitzende der PAICV. Die 37-Jährige hatte ebenfalls eine "neue Wirtschaftsagenda" in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfes gestellt. Damit wollte sie bis zu 25.000 neue Jobs schaffen. Zum einen setzte sie auf die Entwicklung der drei strategischen Sektoren Tourismus, Landwirtschaft und Fischerei, zum anderen sollte vor allem der Privatsektor für mehr Wachstum sorgen. "Dafür wollen wir das Umfeld für Geschäfte verbessern und die Wirtschaft so regulieren, dass mehr Wettbewerb entsteht", versprach Hopffer Almada.
Jung und weiblich - diese Kombination hat bei Spitzenkandidaten afrikanischer Regierungsparteien wirklich Seltenheitswert. Die PAICV-Kandidatin sollte das Gegenprogramm zu den seit Jahrzehnten an der Macht klebenden Staatschefs vieler Länder Afrikas darstellen. Doch gereicht hat das am Ende nicht. Hopffer Almada hat ihre Niederlage bereits eingestanden.
Demokratischer Wechsel im Musterland
Bisher hat es auf den Kapverden zwei friedliche Machtwechsel zwischen Regierung und Opposition gegeben: Nach den ersten freien Wahlen des Landes im Jahr 1991 gab die bis dahin herrschende PAICV die Macht an die MpD ab. 2001 folgte ein weiterer Wechsel, dann in die andere Richtung.
"Hier auf den Kapverden gibt es keine Toten aufgrund politischer Auseinandersetzungen. Man kann das überhaupt nicht mit dem vergleichen, was auf dem afrikanischen Festland passiert", kommentiert der kapverdische Politologe Júlio Lopes. Und tatsächlich: Im innerafrikanischen Vergleich hat es Seltenheitswert, dass Wahlergebnisse ohne Diskussion anerkannt und umgesetzt werden.
Dominanz der regierenden Partei
Das politische System der Kapverden bekommt von Júlio Lopes trotzdem keine Bestnoten: "Es gibt meiner Meinung nach eine starke Tendenz, dass die politischen Kräfte ihre Macht zu ihren Gunsten ausnutzen. Sie nutzen institutionelle Ressourcen, um ihre Partei oder ihren Kandidaten zu begünstigen", kritisiert der Politologe. "Wir schneiden da schlechter ab als Europa. Ich würde sagen, dass wir uns in etwa auf einer Höhe mit lateinamerikanischen Ländern befinden."
Noch in diesem Jahr wird das Land einen neuen Präsidenten wählen. Ein genaues Datum gibt es noch nicht. Auch dann werden sich wieder die Partei-Rivalen PAICV und MpD gegenüber stehen.
Mitarbeit: Nélio dos Santos (Praia), António Cascais , Madelaine Meier