1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Karlsruhe prüft EZB-Kurs

Zhang Danhong11. Juni 2013

Die Finanzwelt blickt wieder einmal auf das Bundesverfassungsgericht. Im Hauptverfahren wollen die Richter klären, ob die Europäische Zentralbank bei der Euro-Rettung ihre Kompetenzen überschritten hat.

https://p.dw.com/p/18fHa
Roben von Richtern am Bundesverfassungsricht (Foto: dpa)
Bild: Getty Images

Es war die größte Verfassungsbeschwerde in der Geschichte der Bundesrepublik. Den Klagen gegen den permanenten Euro-Rettungsfonds ESM von mehreren Professoren und Abgeordneten hatten sich im vergangenen Jahr über 37.000 Bürger angeschlossen. Zwar hat das höchste deutsche Gericht in einem Eilverfahren dem ESM grünes Licht gegeben, machte aber aus seinem Zweifel am Kurs der Europäischen Zentralbank keinen Hehl. Im Hauptverfahren, das am Dienstag (11. 06.2013) mit einer Anhörung begann, will das Gericht nun prüfen, ob die EZB bei der Eurorettung ihr Mandat überschritten hat.

Duell zwischen der Bundesbank und der EZB

Darüber haben sich die Bundesbank und die EZB per Gutachten schon vorab einen Schlagabtausch geliefert. Die Bundesbank hadert vor allem mit dem so genannten OMT-Programm der EZB, das im letzten September beschlossen wurde und mit dem Anleihen kriselnder Staaten notfalls in unbegrenzter Höhe aufgekauft werden können. Die EZB würde also "gezielt Anleihen schlechterer Bonität" erwerben und die Risiken erhöhen, schreiben die Bundesbanker. Dadurch habe die EZB ihr Mandat der Geldwertstabilität endgültig verlassen.

Diese Meinung teilt der Tübinger Wirtschaftswissenschaftler Joachim Starbatty, einer der Kläger gegen den ESM: "Das steht nicht im Auftrag der Europäischen Zentralbank. Im Maastrichter Vertrag steht, dass die Aufgabe der Europäischen Zentralbank die Stabilisierung der Währung ist und nicht die Stabilisierung der Eurozone."

Joachim Starbatty (Foto: Karlheinz Schindler)
Die EZB verletzt ihren Auftrag, sagt Joachim StarbattyBild: picture-alliance/dpa

Ähnlich argumentiert die Bundesbank in ihrem Gutachten für das Verfassungsgericht. Es sei nicht die Aufgabe der EZB, die derzeitige Zusammensetzung der Währungsunion zu garantieren, sagt die deutsche Notenbank.

Ohne Währung keine Preisstabilität

Frank Schorkopf, Europarechtler aus Göttingen und Autor des EZB-Gutachtens, beruft sich ebenfalls auf den EU-Vertrag, kommt aber zu einer anderen Schlussfolgerung: Da die Wahrung der Finanzstabilität auch zu den Aufgaben der EZB gehöre und das Anleihekaufprogramm genau diesem Ziel diene, sei es vom EZB-Mandat gedeckt. Mit anderen Worten: Wenn die Existenz der Währung gefährdet ist, kann auch von stabilen Preisen nicht mehr die Rede sein.

Laut EU-Vertrag darf die Zentralbank keine Schuldscheine der Eurostaaten direkt erwerben und dadurch Staatsfinanzierung betreiben. Seit Ausbruch der Krise hat die EZB Anleihen klammer Eurostaaten im Volumen von über 200 Milliarden Euro angehäuft. Für Joachim Starbatty spielt es keine Rolle, ob die Anleihen direkt von den Staaten oder von den Banken erworben werden. Für ihn steht fest, "dass die Europäische Zentralbank nicht aus sich heraus einfach Anleihen ankaufen darf." Wenn sie es dennoch tue, verletze sie ihren Auftrag, sagt Starbatty im Gespräch mit der DW.

Staatsfinanzierung durch die Hintertür?

Was nach juristischer Haarspalterei klingt, ist für die deutschen Verfassungsrichter äußerst wichtig. Bereits im Eilverfahren stellten sie fest, dass ein Kauf am Finanzmarkt, der de facto auf eine Finanzierung der Mitgliedstaaten per EZB durch die Hintertür hinauslaufe, gegen das europäische Recht verstoßen würde. Während der Bundesbankpräsident Jens Weidmann vor der "Droge Staatsfinanzierung" warnt, kann Henning Vöpel vom Hamburgischen WeltWirtschaftsinstitut bisher noch keine verdeckte Staatsfinanzierung erkennen, weil "die Währung auf dem Spiel stand und die Finanzmarktstabilität gefährdet war. Vor diesem Hintergrund war es richtig, dass die EZB eingriff."

In einem anderen Punkt gibt Vöpel der Bundesbank und anderen EZB-Kritikern recht, dass nämlich die Zentralbank bei der Euro-Rettung Gefahr laufe, ihre Unabhängigkeit einzubüßen: "In dem Moment, wo sie permanent eingreifen muss, wird sie weniger unabhängig. Und in dem Moment, wo sie weniger abhängig wird, wird sie auch schwächer", sagt Vöpel gegenüber der DW.

Prof. Henning Vöpel (Foto: Universität Wuppertal)
Es war richtig, dass die EZB eingegriffen hat, meint Henning VöpelBild: HWWI

Ein Urteil mit Sprengkraft

Bleibt nun abzuwarten, ob das höchste deutsche Gericht eher der nationalen Notenbank oder den europäischen Währungshütern Glauben schenkt. Zwar lässt das Verfassungsgericht wissen, dass die Bundesbank-Stellungnahme eine der vielen Experten-Meinungen sei, die das Gericht heranzieht, um zu einer Entscheidung zu kommen. Henning Vöpel geht dennoch davon aus, dass dem Gutachten der Deutschen Bundesbank ein besonderes Gewicht verliehen wird, "weil die EZB im Prinzip nach dem Vorbild der Deutschen Bundesbank erschaffen worden ist und Deutschland die größte Volkswirtschaft in der Eurozone ist."

Wenn das so wäre, müssten die Verfassungsrichter im Sinne der EZB-Kritiker urteilen, wonach die Europäische Zentralbank gegen geltendes EU-Recht gehandelt hätte. Was würde dann passieren? "Dann wäre eine völlig neue Situation eingetreten und man kann dann nicht ausschließen, dass dann Turbulenzen eintreten, die einzelne Länder dazu zwingen, aus dem Euro auszutreten", sagt der Tübinger Ökonom Starbatty. Für ihn wäre das kein Untergang Europas, sondern ein Neubeginn. Denn dann hätten diese Länder wieder eine Chance, mit einer eigenen Währung zu Wachstum und Beschäftigung zu kommen.