Karneval: Jecken setzen Milliarden um
28. Februar 2019Am Donnerstag wird im Rheinland Weiberfastnacht gefeiert - genau ab 11 Uhr 11. Damit begann der sogenannte Straßenkarneval, der am Aschermittwoch endet. In den Wochen und Monaten zuvor, seit der "Sessionseröffnung" am 11. November, hatte der Karneval in großen Sitzungssälen stattgefunden - der sogenannte Sitzungskarneval.
Von wann bis wann dieser Straßenkarneval offiziell dauert, hat jetzt das Kölner Arbeitsgericht festgestellt. Grund für das Urteil war die Klage einer Kellnerin, die mit einer Formulierung in ihrem Arbeitszeugnis nicht einverstanden war. Sie hatte auch Freitag und Samstag nach Weiberfastnacht (Donnerstag) gekellnert und wollte das im Zeugnis vermerkt haben. Das hatte der Arbeitgeber abgelehnt. Das Gericht gab der Frau recht und stellte dabei amtlich fest: Zumindest in Köln dauert die Karnevalszeit von Weiberfastnacht bis Aschermittwoch - preußisch genau genommen sind das exakt 132 Stunden und 49 Minuten.
Hunderttausende auch in Düsseldorf
In dieser und für diese Zeit wird ein Umsatz gemacht, der über die ganze närrische Zeit gerechnet die Milliardengrenze längst überschritten hat. Ein Blick nach Düsseldorf macht die Dimensionen klar, die das närrische Treiben am Rosenmontag erreicht hat. Dort hatte das "Comitee Düsseldorfer Carneval" in der vergangenen Woche Zahlen zum Umzug in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt veröffentlicht.
Demnach beteiligen sich in diesem Jahr etwa 8700 Karnevalisten mit 124 Wagen und 24 Musikkapellen am traditionellen Umzug, zu dem die Organisatoren mehrere Hunderttausend Besucher erwartet. Dabei ist Düsseldorf neben Mainz zwar auch eine sogenannte Karnevalshochburg, beide kommen aber in Umfang und Bedeutung an den Karneval in der Domstadt Köln nicht heran.
"Auch Berliner können Karneval - ein bisschen"
Im deutschen Fernsehen, beim Sender RTL2, gibt es eine Serie, in der ein in die Jahre gekommenes Millionärsehepaar vorführt, wie hohl und geschmacklos es zugehen kann, wenn man nicht weiß, wohin mit seinem Geld: "Die Geissens".
Die Nachrichtenagentur dpa hat herausgefunden was das mit Karneval zu tun hat. Denn abgesehen davon, dass die TV-Millionäre so aussehen, als seien sie ständig verkleidet, wird in ihrer Familie mit Karneval Geld verdient.
Die Agenturreporter haben nämlich den Cousin des TV-Stars aufgesucht: Herbert Geiss, Inhaber des Kostümhändlers Deiters in Frechen bei Köln. Herbert Geiss sieht nicht verkleidet aus, sondern legt Wert auf ein gediegenes Aussehen. "Verkleidet ins Büro zu gehen, das geht nicht", sagt er und trägt daher Krawatte und das Haar ordentlich gescheitelt.
Dabei macht er sein Geld mit Piraten- oder Prinzessinnenkostümen, mit Clowns-Klamotten oder Cowboy-Outfits. Laut Eigenwerbung betreibt Deiters das "größte Karnevalskaufhaus der Welt". Bisher hat die Firma 26 eigene Filialen in Deutschland, auch in der Karnevals-Peripherie wie Berlin, Stuttgart oder Frankfurt am Main ist das Kostümgeschäft präsent. Denn auch "die Berliner können inzwischen ein bisschen Karneval", so Geiss.
Auch die Konkurrenz expandiert
Auf 30 Millionen Euro Jahresumsatz kam das 1921 gegründete Familienunternehmen zuletzt, also im Geschäftsjahr 2017/18 - das war ein Plus von rund 4 Millionen Euro. Fünf Jahre zuvor (2012/13) lag der Umsatz noch bei 13 Millionen Euro. Das Geschäft ist profitabel, der Überschuss lag zuletzt bei knapp zwei Millionen Euro. Die Firma hat rund 300 Mitarbeiter als Stammpersonal, hinzu kommen noch etwa 400 Saisonkräfte.
Zu den direkten Konkurrenten gehört die Firma Karnevalswierts aus Würselen bei Aachen. Das Unternehmen mit rund 40 Mitarbeitern (2017) möchte zwar keine Presseanfragen beantworten, es ist aber ebenfalls auf Expansionskurs: Unlängst wurde im Kölner Zentrum ein neuer Shop aufgemacht, insgesamt gibt es neun Verkaufsstellen.
Umsatz in Milliardenhöhe
Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln misst der Karnevalsbranche inklusive Kostümhändlern gute Perspektiven bei. "Karneval ist ein boomendes Geschäft im Trend der Zeit", sagt der Professor. Der Wirtschaftswissenschaftler schätzt, dass der Karnevalsumsatz in Köln und Düsseldorf bei rund einer Milliarde Euro liegt.
Roman von der Wiesche von der Düsseldorf Marketing GmbH verweist zudem auf die Bedeutung von Karnevalstouristen, ob sie nun als Tagesbesucher kommen oder zusätzlich Hotelübernachtungen gebucht haben. Zudem seien die Rosenmontagszüge wichtig für die Bekanntheit der Stadt.
Gastronomie verdient satt
Allein in Köln stiegen die Karnevalsumsätze einer am vergangenen Montag vorgestellten Studie der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) zu Folge binnen zehn Jahren um 29 Prozent auf knapp 600 Millionen Euro.
Der dickste Batzen im jecken Geschäft entfällt laut Studie auf die Gastronomie mit 257 Millionen Euro. Das war ein Plus von 34 Prozent im Vergleich zur vorangegangenen Studie. Für Textilien - also Kostüme - wurden 110 Millionen Euro ausgegeben (plus 41 Prozent). Auch Hotels profitieren, weil mehr Jecken in die Domstadt reisen als früher. Zudem wurden Tickets für Karnevalssitzungen teurer - die Autoren der Studie halten das für eine "Herausforderung", die angegangen werden sollte.
Mit schlechtem Geschmack Geld machen
Früher stand der Nischen-Marktführer Deiters fast nur für Karneval, heute setzt man darauf, dass die Leute sich auch zu anderen Anlässen verkleiden: Auch Produkte für Halloween, Oktoberfest oder Motto-Partys werden beworben. Die jecke Jahreszeit aber bleibt der Kern: Zwei Drittel des Umsatzes macht Deiters mit Kostümen und Zubehör, die zum Karneval getragen werden.
Da muss noch eine Frage geklärt werden: Welcher Kostümtrend dominiert in diesem Jahr: Prinzessin oder Punkerin, Pirat oder Polizist? Hier kommt die reiche TV-Verwandtschaft von Herbert Geiss wieder ins Spiel: Der Trend in diesem Jahr sind Klamotten von Flower-Power-Althippies und - unter dem Oberbegriff "Schlechter Geschmack" - Jogginganzüge im Stil der 1980er Jahre.