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Kasachischer Oppositionsführer erhält "Freiheits-Pass" des Europäischen Parlaments

14. Juni 2002

- Akeschan Kaschegeldin in DW-Interview: Auszeichnung gilt der gesamten demokratischen Opposition Kasachstans

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Köln, 13.6.2002, DW-radio / Russisch

Am 11. Juni hat das Mitglied des Europäischen Parlaments, Ari Watanen, einem kasachischen Staatsbürger den "Freiheits-Pass" überreicht. Jener kasachischer Bürger ist der ehemalige Premierminister der Republik, Akeschan Kaschegeldin. Er ist Führer der demokratischen kasachischen Opposition und lebt derzeit im Ausland. Der "Freiheits-Pass" ist ein Zeichen der Unterstützung für demokratische Oppositionen in den Ländern, in denen Menschenrechte verletzt werden. Akeschan Kaschegeldin erhielt diese Auszeichnung als "konsequenter Kritiker des Regimes von Nursultan Nasarbajew und hervorragender Oppositioneller", heißt es in der vom Europäischen Parlament verbreiteten Pressemitteilung.

Rede des mit dem "Freiheits-Pass" ausgezeichneten Akeschan Kaschegeldin anlässlich der feierlichen Überreichung des Dokuments:

"In den zentralasiatischen Republiken hat nun erstmals ein Bürger nach dem Zerfall der Sowjetunion den ‚Freiheits-Pass‘ erhalten. Ich glaube, dass ich der letzte Kasache sein werde, der ihn braucht. Wir wollen ein freies Land aufbauen und wir wollen Teil der zivilisierten Gesellschaft sein. Was in unseren Ländern geschieht, ist viel schlimmer als vor zehn Jahren. Europa und die westliche Welt waren naiv, als sie glaubten, dass nach dem Fall der Berliner Mauer östlich von Warschau alles gut wird. Wir sind jetzt nicht weniger optimistisch, als wir vor zehn Jahren waren. Aber vor zehn Jahren waren wir naiver, so wie Sie. Ich bin aus der Wirtschaft in die Politik gegangen und habe vier Jahre lang den jetzigen Präsidenten Kasachstans unterstützt. Auch ich trage ein gewisses Maß an Verantwortung dafür, was im Lande geschieht. Deswegen führe ich und einige meiner Freunde die Oppositionsbewegung Kasachstans an. Die Überreichung des ‚Freiheits-Passes" ist ein Symbol der Unterstützung der demokratischen Opposition in Kasachstan. Es ist ein sehr deutliches Zeichen an alle Diktatoren, dass die Europäische Union, das Europäische Parlament und die europäischen Politiker beabsichtigen, aufmerksam die Entwicklung der Lage in der Region zu verfolgen. Die offizielle Presse versucht die Meinung aufrechtzuerhalten, dass der Westen sich für die Menschenrechte nicht interessiert, sondern nur für die Ressourcen, über die wir verfügen. Die heutige Feier und die morgige (14.6.) Anhörung im Europäischen Parlament über die politische Lage in Kasachstan beweist, das dem nicht so ist. Wir danken Ihnen für ihren Einsatz!

Nach dem 11. September sind die Menschen besonders vorsichtig geworden. Sie betrachten die Zukunft der Welt mit Sorge. Die Europäer müssen wissen, dass sie in Zentralasien viele Freunde haben. Uns gefällt ihre Demokratie und wir wollen so leben wie Sie - in einer freien Welt, mit einer guten Bildung und mit gutem Gesundheitsschutz. Wir wollen unsere Führung frei wählen und wir wollen selbst entscheiden, mit wem wir uns integrieren und wer unsere Freunde sind. Vielen Dank!"

Während einer Pressekonferenz wurde eine weitere wichtige Erklärung abgegeben:

Interpol hat in der so genannten "Strafsache Kaschegeldin" offiziell Position bezogen. Das offizielle Kasachstan hatte sich an diese internationale Organisation mit der Forderung gewandt, den Oppositionellen festzunehmen. Der Generalsekretär von Interpol, Ronald Noble, teilte mit, die "Sache Kaschegeldin" habe politischen Hintergrund und die Staatsmacht Kasachstans versuche, über Interpol gegen Akeschan Kaschegeldin als politische Figur vorzugehen, folglich verstoße eine weitere Untersuchung der Sache gegen Paragraph 3 des Statuts von Interpol.

Nach der Überreichung des "Passes" gab Akeschan Kaschegeldin "Fokus" (Sendung der Russischen Redaktion der Deutschen Welle - MD) ein Interview:

Akeschan Kaschegeldin: "Das Ereignis hat zwei Seiten. Man muss verstehen, dass in der Politik viele Erscheinungen personifiziert werden. Dieser ‚Pass‘ ist ein Dokument für die gesamte kasachische Opposition. Es wird ihr die Hoffnung geben, dass wir wahrgenommen und erkannt wurden und man uns versteht. Das hat viel Arbeitet gekostet. Das bedeutet, dass es Menschen und Politiker in Europa gibt, die verstehen, was in Kasachstan geschieht. Die zweite Seite ist, dass Europa zu verstehen beginnt, dass es unmöglich ist, sich auf seinem Kontinent auszuruhen, ohne sich über die eigene Sicherheit Sorgen zu machen. Sicherheit ist das, was ringsum geschieht. Und Kasachstan ist ein Teil Zentralasiens, dem derzeit die Aufmerksamkeit gilt. Mehr noch, alle beginnen zu verstehen, dass Kasachstan Teil der westlichen Zivilisation, der westlichen Kultur sein kann. Wir haben lange Überzeugungsarbeit geleistet und nun versteht man dies auch. Dort (in der westlichen Kultur – MD) hat man gerne mit der demokratischen Opposition zu tun, die nicht zu Gewalt und Krieg aufruft, sondern die Menschenrechte verteidigt und die klar macht, wie man das politische System seines Landes verändern kann, um Teil jener Kultur zu werden. Uns wurde versichert, dass man uns helfen und für Demokratie und Freiheit eintreten wird. Wenn wir irgendwann unsere Prinzipien ändern sollten, wird man uns bekämpfen. Es ist bekannt, dass es Grundprinzipien gibt, die eingehalten werden müssen. Im Westen kritisiert man sich auch selbst dafür, dass man nicht aufmerksam genug gewesen war. Ich bin absolut davon überzeugt, dass das vereinigte Europa uns gegenüber eine Politik erarbeiten wird. Es ist gut und schlecht zugleich, dass es noch keine Politik gibt. Wenn es sie gäbe, wäre es schwieriger, sie zu verändern, und wenn es sie schon geben würde, wären wir damit nicht zufrieden. Es ist leichter, noch daran zu arbeiten.

Frage:

Wie wollen sie auf die Situation, in der sich Abljasow und Schakijanow befinden, reagieren?

Antwort:

Menschen, die versuchen, "Familieninteressen" durchzusetzen, verletzten heute die Rechte der Bürger Kasachstans. Ich fordere diese auf, von einem unüberlegtem Vorgehen Abstand zu nehmen. Ich bitte auch darum, Abljasow und Schakijanow, die sich derzeit in Haft befinden, nicht aus den Augen zu verlieren. Alle diese Fälle haben politische Motive. Die Strafsachen kamen, nachdem sie erklärt hatten, dass die Situation geändert werden müsse. Ich muss sagen, dass sie alle noch keine Oppositionellen sind. Sie haben lediglich gewagt, Nasarbajews Stall zu verlassen und schon rächt man sich an ihnen auf diese Weise... Alle, die Nasarbajews Regime unterstützen, müssen eines verstehen: Wir werden auch für ihre Freiheit so hartnäckig kämpfen wie jetzt.

Frage:

Akeschan Magschanowitsch, ist ein Dialog zwischen der Opposition und der Staatsmacht in Kasachstan möglich?

Antwort:

Ich trete für eine friedliche politische Entwicklung ein. Wenn es in der Politik um das Leben vieler Menschen geht, will ich Kompromisse und einen politischen Dialog. Ich bin bereit, dem jetzigen Regime anzubieten, die derzeitige Situation gemeinsam mit uns zu verändern. Das werden aber völlig andere Bedingungen sein. Vor drei Jahren hatten wir einen politischen nationalen Dialog vorgeschlagen, aber das wurde abgelehnt. Ungeachtet dessen, dass Herr Nasarbajew dies der OSZE versprochen und gemeinsam mit Herrn Gore ein Protokoll unterzeichnet hatte, nahm Nasarbajew dann davon Abstand. Er hat noch Zeit, diesen Prozess einzuleiten. Wenn es ein solches Angebot geben wird, dann werde ich bereit sein. Ich kann nicht sagen, dass nur ich Recht habe. Wir sollten mit anderen Bereichen der Gesellschaft uns an einen Tisch setzen und versuchen, das Land auf einen normalen Weg zu bringen. Es gibt nur einen Weg: Freie Wirtschaft, Freiheit für alle.

Frage:

Betrifft ihr Arbeit mit westlichen Diplomaten ausschließlich Kasachstan oder auch allgemeine Probleme Zentralasiens?

Antwort:

Wir haben Kollegen, die sich im Lager der friedlichen demokratischen Opposition befinden, geholfen und werden ihnen weiterhin helfen. Wir sind an einer Änderung der politischen Situation in der gesamten Region interessiert, da sie instabil ist. Das Problem besteht nicht in irgendwelchen Fundamentalisten, das Problem sind die Regime, die von den ehemaligen kommunistischen Führungen geschaffen wurden. Im Herbst werden Anhörungen im Europäischen Parlament stattfinden, nicht über Kasachstan, so wie am Mittwoch, sondern über die Region. Auch daran arbeiten wir." (MO)