Katalonien: Fragezeichen, Sorge, Hoffnung
Bis Montag soll die katalanische Regionalregierung klarstellen, ob sie die Unabhängigkeit ausgerufen hat oder nicht. In Barcelona gehen die Meinungen über die Zukunft der Katalanen auseinander.
"Die Gemeinsamkeiten sehen"
Drissa spielt auf dem Grünstreifen vor dem Zoo auf seiner Kora, einer Harfe aus Westafrika. "Viele Touristen kommen hierher. Uns geht es gut", sagt er. Er lebt seit acht Jahren in Barcelona und stammt aus Burkina Faso. "Warum muss man sich teilen", rätselt er. Spanier und Katalanen sollten "mehr die Gemeinsamkeiten sehen und weniger die Unterschiede."
"Wir sind bereit"
"Die jungen Leute wollen die Unabhängigkeit", glaubt Alejandro. Er ist seit einem halben Jahr mit seiner Freundin Laia zusammen. "Wir gehen gemeinsam zu den Demonstrationen", kommentiert sie. Einen eigenen Staat können sich die beiden Katalanen vorstellen. Das wäre am Anfang schwierig, aber nach ein paar Jahren wäre es möglich. "Wir sind bereit", sagt der 17-Jährige selbstbewusst.
"Keine Kleinstaaterei"
Fernando repariert sein Fahrrad in einer Seitenstraße im Viertel Barceloneta. Der Student ist von einer der Kanarischen Inseln nach Barcelona gezogen, weil ihm die Insel zu klein wurde. "Jetzt fangen die hier auch mit dieser Kleinstaaterei an", sagt er. Im Konflikt zwischen den Katalanen und den Spaniern sieht er sich als neutral. "Ich fühle mich von keiner der beiden Seiten vertreten."
"Wir müssen verhandeln"
"Ich habe immer mit der Idee einer Republik sympathisiert", sagt die 75-jährige Maria Antonia, die gerade ihren Einkauf nach Hause schleppt. "Die Menschen wollen ein legales Referendum." Die momentane Situation sei nun aber festgefahren. Jetzt habe sie zum ersten Mal erhebliche Zweifel an der Unabhängigkeit. "Wir müssen verhandeln." Das sei jetzt der einzige Weg.
"Alles bleibt, wie es ist"
"Das war für mich immer Spanien hier - warum sollte das jetzt anders sein?", fragt Aurora. Sie kommt aus Ecuador und arbeitet seit zehn Jahren an einem Snackstand am Jachthafen. Sie habe sich hier immer wohlgefühlt. Zwei ihrer Kinder leben in Ecuador, ein Sohn in Andalusien. Der habe sie nach den Demonstrationen aufgeregt angerufen. "Alles bleibt, wie es ist", habe sie ihn optimistisch beruhigt.
"Zusammenleben wird schwieriger"
"Barcelona war immer eine offene Stadt", findet der Jurist Henry. Er stammt aus Kolumbien, ist mit acht Jahren gekommen und sieht sich als Katalane. Er ist mittlerweile gegen die Unabhängigkeit. Der sich zuspitzende Konflikt zwischen Befürwortern und Gegnern beunruhigt ihn. "Das offene Zusammenleben ist schwieriger geworden."
"Die Autonomie ausweiten"
Als er die Bilder von den prügelnden spanischen Polizisten beim Referendum sah, habe er den Entschluss gefällt, für die Unabhängigkeit zu stimmen. "So ging es Tausenden", sagt der Taxifahrer Vicente. Der 69-Jährige besteht aber nicht auf einem eigenen Staat. "Die Lösung liegt in der Ausweitung der Autonomie", sagt er. Zum Beispiel bei den Finanzen könnte Katalonien mehr Spielraum bekommen.
"Eine demokratische Krise"
Für die 35-jährige Irene waren die letzten Wochen "sehr emotional". Die Verhärtung der Fronten zwischen der katalanischen Regionalregierung und Madrid bezeichnet sie als "demokratische Krise". Sie versuche immer alles zu verstehen, momentan wisse aber niemand, wie es weitergeht. Vor den kommenden Wochen habe sie deshalb auch "etwas Angst".