Katar-Gate: Kaili wechselt in den Hausarrest
12. April 2023Nach mehr als vier Monaten in Untersuchungshaft darf die griechische Europaabgeordnete Eva Kaili in den kommenden Tagen wieder zuhause ihre zwei Jahre alte Tochter in die Arme schließen. Bislang war das kleine Mädchen in der Obhut des Vaters, der selbst zu den Beschuldigten im mutmaßlichen Korruptionsskandal innerhalb des Europäischen Parlaments gehört. Francesco Giorgi war Mitte Februar aus der Untersuchungshaft entlassen worden, nachdem er seine Beteiligung an einigen Taten eingeräumt und vor allem seine Lebensgefährtin Eva Kaili belastet hatte.
Die ehemalige Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments ließ darauf durch eine Freundin erklären, sie fühle sich von ihrem Partner und Vater ihrer Tochter hintergangen. Als Vater und Mutter gleichzeitig von Anfang Dezember an in Haft saßen, kümmerte sich der Opa um das Mädchen. Der Großvater geriet kurzzeitig selbst als möglicher Geldbote unter Verdacht.
Kein Gefängnis, aber Hausarrest
Eva Kaili bestreitet bislang alle Vorwürfe und will mit angeblichen Bargeldtransfers zur Geldwäsche, Korruption und Einflussnahme zugunsten eines arabischen Staates nichts zu tun haben. Die Politikerin, die aus der sozialistischen Fraktion im Parlament nach ihrer Verhaftung ausgeschlossen wurde, wird in den nächsten Tagen zwar aus der Untersuchungshaft in ihr Apartment in Brüssel unweit des Parlaments entlassen, muss aber eine elektronische Fußfessel tragen und darf sich nur in der Nähe ihrer Wohnung aufhalten.
Ein Sprecher der belgischen Staatsanwaltschaft erklärte, der Haftbefehl gegen Eva Kaili bestehe weiter, er werde jetzt nur nicht mehr im Gefängnis im Brüsseler Stadtteil Haren, sondern in ihrer Wohnung per Hausarrest vollzogen. In dieser Wohnung hält sich ihr Partner Francesco Giorgi nicht mehr auf, heißt es von Vertrauten. Auch er trägt eine elektronische Fußfessel und steht technisch unter Hausarrest. Gegenüber der Staatsanwaltschaft hatte Eva Kaili immer bestritten, von den Aktivitäten ihres Partners gewusst zu haben, der laut Staatsanwaltschaft mehrere Hunderttausend Euro in der Wohnung Kailis deponiert haben soll.
Beschuldigter handelt Deal mit Ermittlern aus
Mit der bevorstehenden Entlassung der Europageordneten aus der relativ langen Untersuchungshaft in den Hausarrest wären dann alle Beschuldigten des mutmaßlichen Korruptionsskandals wieder aus dem Gefängnis. Der Strippenzieher der illegalen Aktivitäten ist der ehemalige Europaabgeordnete Pier Antonio Panzeri. Er kommt ebenfalls in den nächsten Tagen frei und kann im Falle einer Anklage mit Strafmilderung rechnen, nachdem er seine Beteiligung gegenüber den Ermittlern einräumte, sich als Kronzeuge anbot und andere Beschuldigte belastete. Der belgische Europaabgeordnete Marc Tarabella steht ebenfalls vor seiner Entlassung. Er beteuert aber seine Unschuld.
Die Ermittlungsbehörden in Brüssel versuchen weiterhin, den italienischen Europaabgeordneten Andrea Cozzolina aus Italien nach Belgien überstellen zu lassen, weil sie ihm eine Beteiligung an dem möglichen Skandal vorwerfen. Die italienischen Haftrichter haben aber ihre Zweifel und um weitere Informationen gebeten. Cozzolina wehrt sich wie eine weitere Beschuldigte gegen eine Auslieferung an Belgien, weil unter anderem die Haftbedingungen "unzumutbar" seien. Der Kronzeuge Panzeri belastet Marc Tarabella und Andrea Cozzolina. Sie sollen gegen Geldzahlungen versucht haben, in Brüssel Einfluss zugunsten der Staaten Katar und Marokko zu nehmen. Vertreter der beiden Staaten wiesen das allerdings zurück.
Noch keine fertige Anklage
Die Ermittlungen der belgischen Staatsanwälte, die das Geflecht von Anschuldigungen erhärten sollen, sind noch nicht abgeschlossen. Bis es zu einer Anklage und einem Prozess kommt, können noch Monate, wenn nicht Jahre vergehen, heißt es in belgischen Medien.
Die Staatsanwaltschaft hat noch keine konkreten Beschuldigungen veröffentlicht. Die Geschäfte mit Katar und Marokko, in die die ehemalige Vizepräsidentin des Parlaments, Eva Kaili, verwickelt gewesen sein soll, wurden wohl über eine Nichtregierungsorganisation abgewickelt. Diese wurde vom Kronzeugen Pier Antonio Panzeri nach seiner Zeit als Europaabgeordneter gegründet.
"Für ihre Unschuld kämpfen"
Der Anwalt von Eva Kaili erklärte heute noch einmal, die Vorwürfe der belgischen Ermittler seien alle haltlos. "Eva Kaili verlässt das Gefängnis mit erhobenem Haupt und in Würde. Sie hat keine Verbrechen zugegeben, weil sie sie nicht begangen hat", sagte Anwalt Michalis Dimitrakopoulos heute. "Sie wird bis zum Ende für ihre Unschuld kämpfen."
Eva Kaili hatte aus der Untersuchungshaft heraus behauptet, sie sei eine "politische Gefangene", die man brechen und an der man ein Exempel statuieren wolle. Eine Freundin von Eva Kaili hatte nach einem Besuch bei ihr im Gefängnis behauptet, in den ersten sechs Wochen seien die Haftbedingungen schlimm gewesen. Eva Kaili habe sich mit Selbstmordgedanken getragen, doch das sei jetzt anders.
Dieses Drama in Brüssel bietet nach wie vor Stoff für Netflix-taugliche Drehbücher. Fortsetzung folgt.