Kaufhof will DDR-Zwangsarbeiter entschädigen
28. August 2015Viele Westunternehmen haben während der deutschen Teilung davon profitiert, dass auch politische Häftlinge in DDR-Gefängnissen als Zwangsarbeiter ausgebeutet wurden. Unwissende Kunden kauften Uhren bei Quelle oder Strümpfe bei Aldi, die nur deshalb so günstig waren, weil sie im anderen Teil Deutschlands hinter Gittern hergestellt wurden.
Weniger ahnungslos, als manche zunächst glauben machen wollten, waren die Konzerne selbst, die an den Schnäppchen gut verdienten - das ergaben Nachforschungen in den vergangenen Jahren. So sei etwa das Möbelhaus IKEA spätestens ab dem Jahr 1981 "über den möglichen Einsatz politischer Gefangener" im Bilde gewesen, heißt es in einer Untersuchung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young aus dem Jahr 2012, die das Unternehmen selbst in Auftrag gegeben hatte. IKEA entschuldigte sich daraufhin bei den Opfern und deren Angehörigen.
Mehr als höfliche Worte
Die Kaufhauskette Galeria Kaufhof, die ebenfalls mit DDR-Gefängnisware Gewinne machte, geht nun einen Schritt darüber hinaus: Sie ist offenbar bereit, über Geld zu sprechen. Nach Recherchen des Bayerischen Rundfunks (BR) zu diesem Thema schrieb Galeria Kaufhof dem Sender. Das Unternehmen schlägt einen freiwilligen Entschädigungsfonds vor, "in den alle deutschen und internationalen Unternehmen einzahlen, die nach heutigen Erkenntnissen direkt oder indirekt von Zwangsarbeit insbesondere durch politische Häftlinge in der damaligen DDR profitiert haben".
Die Ost-Beauftragte der Bundesregierung, Iris Gleicke, begrüßte im BR die Initiative - obgleich die Warenhauskette ein Schuldeingeständnis vermied. Kaufhof erklärte, die damalige Kaufhof AG habe nach dem derzeitigen Kenntnisstand nichts davon gewusst, dass bei der Produktion in der DDR auch Zwangsarbeiter eingesetzt wurden.
Es habe keinen direkten Kontakt zu den Lieferwerken in Ostdeutschland oder gar zu einer Zuchthaus-Produktion gegeben. DDR-Repräsentanten hätten den Einsatz von Gefängnisinsassen nicht erwähnt. Kaufhof erklärte sich zu Gesprächen mit der Union der Opfer Kommunistischer Gewaltherrschaft und staatlichen Stellen über den freiwilligen Fonds bereit.
Häftlinge für die Drecksarbeit
Zwangsarbeit in DDR-Gefängnissen betraf politische wie kriminelle Gefangene gleichermaßen und spielte in der DDR-Planwirtschaft eine wichtige Rolle. Zu dieser Erkenntnis kommt eine Studie des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam, die im Juni vorgestellt wurde. Die Bedingungen für die politischen Häftlinge waren meist schlechter: Sie mussten die unbeliebte Drecksarbeit verrichten.
Demnach schufteten jährlich zwischen 15.000 und 30.000 Strafgefangene zumeist an neuralgischen Punkten der Volkswirtschaft wie beispielsweise in der Energieversorgung. Häufig waren für solche Bereiche mit hoher Gesundheitsgefährdung - etwa das Schippen von Quecksilber in Chemiekombinaten - keine zivilen Arbeitskräfte zu finden.
Deshalb wandten sich die Betriebe an Haftanstalten und bekamen billige Arbeitskräfte, die flexibler einsetzbar waren und keine Urlaubsansprüche hatten. Von ihrem Verdienst sahen die Häftlinge in der Regel fast nichts: Er wurde von den Behörden einbehalten.
jj/fab (dpa, br, afp, epd)