Kein Frieden im Kongo
21. Dezember 2004Ruanda droht nicht mehr mit dem Einmarsch seiner Armee in die benachbarte Demokratische Republik Kongo. Auf Druck der internationalen Gemeinschaft hat der ruandische Präsident Paul Kagame am Sonntag (19.12.2004) seine Invasionsdrohung zurückgenommen. Vordergründig scheint damit eine erneute Eskalation der Gewalt in der afrikanischen Krisenregion eingedämmt.
Anspruch und Wirklichkeit
Die andauernden täglichen Scharmützel zwischen Milizionären, mutmaßlich von Ruanda unterstützten Rebellen und der kongolesischen Armee in den Ostprovinzen des Kongos wird die Ankündigung Kagames aber nicht beenden. "Aussagen dieser Art und das, was dann wirklich passiert, klaffen weit auseinander", sagt Dennis Tull, Afrika-Experte der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik im Gespräch mit DW-WORLD. Durch Waffenlieferungen will Ruanda sich weiter indirekt Kontrolle über wertvolle Rohstoffe aus der Region sichern, so der Experte.
Kagames Ankündigung ist symptomatisch für die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit im Kongo. Im Kongo tobt der blutigste und bei weitem unübersichtlichste Krieg der Gegenwart bei dem nach Schätzungen von Hilfsorganisationen zwischen 1998 und 2002 mehr als drei Millionen Kongolesen starben. In dem Land wo - laut Angaben des Internationalen Rettungskomitees (IRC) - immer noch jeden Tag mehr als 1000 Kongolesen der "tödlichsten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg" zum Opfer fallen, herrscht offiziell seit zwei Jahren Frieden.
Handlungsunfähige Regierung
Die kongolesische Zentralregierung Joseph Kabilas erweist sich als vollkommen unfähig die Sicherheit im eigenen Land zu garantieren. Die anhaltenden Kämpfe im Osten des Kongos haben nach Schätzungen eines lokalen UN-Vertreters mehr als hunderttausend Menschen in die Flucht getrieben. Da sich Hilfsorganisationen aufgrund der Kämpfe aus der Region zurückgezogen haben, droht laut dem UN-Koordinator für humanitäre Hilfe, Jan Egeland, eine Katastrophe.
"Der gesamte Friedensprozess steckt in einer Sackgasse und droht zu scheitern", erklärt Tull. Denn kein einziges der im April 2003 ehrgeizig formulierten Ziele zur Überwindung des Bürgerkriegs konnte von der Übergangsregierung unter Kabila bisher erreicht werden. So ist zum Beispiel das Projekt einer integrierten und restrukturierten Nationalarmee - laut Tull - "nicht in Gang gekommen". Hier zeige sich deutlich die Handlungsunfähigkeit der Regierung. Denn ohne staatliches Gewaltmonopol fehlt schließlich die Grundlage für eine handlungsfähige Exekutive.
Schlechte Chancen
Den Weg aus der Sackgasse weisen sollen Wahlen im Juni 2005. "Die internationale Gemeinschaft hofft, so die Krise zu überwinden", erklärt Tull. Auch er sieht keine Alternative zu Wahlen, plädiert aber für eine Verschiebung bis die Rebellen-Milizen entwaffnet sind. "In Anbetracht der fehlenden Demobilisierung gibt es im Land noch rund 100.000 arbeitslose Milizionäre", sagt Tull und verweist darauf, dass "Wahlen vor allem auch Verlierer produzieren, die bereit sind zur Waffe zu greifen."
Bisher fehlen auch jegliche Mindestvoraussetzungen für funktionierende Wahlen. Weder Register mit eingetragenen Wählern, noch eine funktionierende Infrastruktur sind vorhanden. Noch viel Handlungsbedarf für die Regierung Kabila, und vor allem für die internationale Gemeinschaft, die bisher keine glückliche Rolle bei der Befriedung des Kongos gespielt hat. "Da überwiegen vor allem die kurzsichtigen Reaktionen auf Krisen und das Management dieser Krisen", sagt Tull. Die Chancen auf dauerhaften Frieden im Kongo stehen schlecht.