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Kein Happy End in Sicht - Flüchtlinge in Deutschland

Sylvia Wassermann19. März 2015

Endlich am Ziel - allein 2014 hofften das mehr als 170.000 Flüchtlinge in Deutschland. Wir haben drei Familien getroffen, die hier ein neues Leben beginnen wollen. Ihre Hoffnung ist groß, aber oft vergebens.

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Asylbewerber im einer Erstaufnahmeeinrichtung in Meißen, Familie Demiri (Foto: DW/Wassemann)
Die Roma-Familie Demiri aus Serbien: Anfeindungen auch in DeutschlandBild: DW/S. Wassermann

Es habe ihn sein gesamtes Geld gekostet. Segian Demiri sieht nicht glücklich aus. Der Roma ist gemeinsam mit seiner schwangeren Frau Sala und der dreijährigen Tochter Djevaira (siehe Foto) aus seiner Heimat Serbien nach Deutschland geflohen. Geflohen vor den alltäglichen Diskriminierungen. "Ich habe als fahrender Händler Wäscheleinen verkauft", erzählt der 29-Jährige. "Doch wenn die Kosovo-Albaner gemerkt haben, dass ich Roma bin, dann haben sie mich verprügelt".

In seinem Dorf Ferizaj wäre eines Tages ein Mann aus Pristina aufgetaucht, von dem es hieß, er könne einen für Geld nach Deutschland bringen. Da sah Segian seine Chance auf ein besseres Leben. "Der Mann hat uns mit dem Auto bis zur deutsch-ungarischen Grenze gebracht. In einem Waldstück hat er uns rausgelassen, über die Grenze mussten wir dann zu Fuß gehen. Auf der anderen Seite hat aber schon ein Auto auf uns gewartet. Sie haben uns gefragt, wo wir hin wollen und wir haben gesagt, nach Göttingen." Während der Roma uns das erzählt, weint seine kleine Tochter auf seinem Schoß. Sie ist krank. Auch seine Frau sieht müde aus.

"Kein Entkommen"

Aus Göttingen wurde nichts. In Deutschland werden Asylbewerber nach einem festen Schlüssel verteilt. Die Dimiris kamen nach Meißen in Sachsen. Und weil man in Sachsen wie im Rest von Deutschland nicht mehr weiß, wohin mit der rasant gestiegenen Anzahl an Asylbewerbern, hat man in der kleinen Stadt im Osten in einer Nacht- und Nebelaktion einen heruntergekommen Plattenbau zu einem provisorischen Erstaufnahmelager umfunktioniert. Geschlafen wird auf Feldbetten, Dusche und Toiletten sind in Containern über den Hof.

Asylbewerber im einer Erstaufnahmeeinrichtung in Meißen (Foto: DW/Wassemann)
Vorübergehende Heimat für Flüchtlinge: Die Erstaufnahme-Einrichtung in MeißenBild: DW/S. Wassermann

Doch das ist es nicht, was die Dimiris unglücklich macht. 125 Menschen sind in dem ehemaligen Polizeiausbildungszentrum untergebracht und die meisten von ihnen sind Kosovo-Albaner. Und die, so Segian verdrossen, würden die kleine Roma-Familie nun auch hier im Exil Tag und Nacht anfeinden. Sala, seine Frau, sagt mit leiser Stimme, sie habe Angst und könne nicht mehr schlafen.

Ihre letzte Hoffnung ist nun, dass ihr Asylantrag schnell positiv entschieden wird und sie in eine eigene Wohnung ziehen können. Dass die Chancen dafür schlecht stehen, verstehen sie nicht. Ihr Heimatland Serbien wird von der EU als sicheres Herkunftsland eingestuft. Der Asylantrag der Familie wird daher mit hoher Wahrscheinlichkeit abgelehnt werden.

Flucht aus dem Urlaub

Auch Maher Moumneh ist unglücklich. Zwar haben er und seine Familie keinen Ärger in der Flüchtlingsunterkunft, aber sie sind sehr einsam. Hier sind sie die einzige Familie aus dem Nahen Osten. Der 21-jährige Biologiestudent trägt einen grauen Kapuzenpullover, die Kapuze hat er tief ins Gesicht gezogen. Er ist einer der wenigen im Heim, der Englisch sprechen kann. Mahers Flucht begann im Urlaub. Er und sein Bruder waren in Frankreich, als seine Familie im Libanon ihnen mitteilte, dass ihrer aller Leben in Gefahr sein.

"Mein Bruder Mazem hat sich von seiner Frau scheiden lassen. Jetzt wird er bedroht. Denn seine Ex-Frau gehört einer Art terroristischer Militäreinheit an. Und die bedrohen jetzt nicht nur ihn, sondern unsere ganze Familie." So erzählt es uns der junge Mann mit eindringlicher Stimme. Die Geschichte der verstoßenen Exfrau auf einem religiös motivierten Rachefeldzug klingt etwas wild, aber er besteht darauf, dass sie alles beweisen könnten, mit Papieren und Videos. Zeigen will er die Beweise aber nicht.

"Die Menschen hier sind rassistisch"

Maher scheint das Leben in der Flüchtlingsunterkunft zuzusetzen. Als Asylbewerber darf er in den ersten Monaten nicht arbeiten, er darf den Landkreis nicht verlassen, keine Reisen unternehmen. Es gibt nichts zu tun. Diese Langeweile, so der junge Mann, sei fast das Schlimmste. Die anderen würden zwar zu ihm sagen, dass sei alles nur vorübergehend, aber er habe langsam Angst, dass das immer so bleiben werde.

Auch die Ausflüge in die Stadt deprimieren ihn. Die Leute hier in Meißen seien rassistisch. Keiner spräche Englisch. Ob er lieber wieder in Beirut wäre? Nein, nein, das gehe ja nicht, erwidert Maher entschieden. "Das einzige was zählt ist, dass wir hier in Sicherheit sind." Doch glücklich ist Maher nicht.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Ganz anders Muharrem Berisha. Der junge Mann aus dem Kosovo strotzt nur so vor Zuversicht. Er hat erst vor kurzem die Erstaufnahme-Einrichtung verlassen dürfen. Gemeinsam mit seiner Frau, seinem Sohn und seiner Mutter wohnt er jetzt in einer eigenen Wohnung. Stolz zeigt er uns sein "neues" Fahrrad. Es ist ein Geschenk der deutschen Nachbarn. Ganz anders als der junge Libanese findet Muharrem Berisha die Menschen in Meißen toll. Man höre ja viel, die Sachsen würden ein bisschen härter mit den Ausländern umgehen. Aber das sei nicht so. "Ich bin total überzeugt von den Menschen hier. Wir haben viele Sachen bekommen, Schokolade, Kinderwagen, alles Mögliche."

Asylbewerber im einer Erstaufnahmeeinrichtung in Meißen, Muharrem Berisha aus dem Kosovo (Foto: DW/Wassemann)
Muharrem Berisha aus dem Kosovo: Die deutsche Sprache ist von VorteilBild: DW/S. Wassermann

Der junge Mann aus dem Kosovo spricht fließend Deutsch. Schon einmal hat seine Familie in Deutschland Zuflucht gesucht, von 1992 bis 1997, vor dem Kosovokrieg. Daran will Muharrem jetzt anknüpfen. Er denkt, dass er mehr Chancen als die anderen hat, weil er die Sprache kenne und sich integrieren könne.

Doch der junge Kosovo-Albaner ist über Ungarn in die EU gekommen. Und die sogenannte Dublin-II-Verordnung legt bereits seit 2003 fest, dass ein Flüchtling in dem EU-Land einen Asylantrag stellen muss, welches er als erstes betreten hat. Für Muharrem Berisha ist das also Ungarn. Doch davon will er nichts hören. "Dann könnte ja keiner direkt nach Deutschland kommen. Weil ein Mensch, der aus Afrika kommt, der muss ja durch Italien, Österreich oder die Schweiz, um nach Deutschland zu kommen."

Während der hochmotivierte Restaurantfachmann aus dem Kosovo fest damit rechnet, in Deutschland bleiben zu können, ist es nach den EU-Asylbestimmungen sehr viel wahrscheinlicher, dass er demnächst Post bekommt und ihm in einer "formellen Entscheidung" mitgeteilt wird, dass sein Asylantrag abgelehnt wird. Deutschland reicht den Flüchtling aus dem Kosovo dann einfach an Ungarn weiter. Ein Happy End nach der Flucht, das wird es wohl nicht für alle drei Familien geben.