Und jetzt? Brüssel nach dem Nein
5. Juli 2015Offizielle Stellungnahmen von den drei Institutionen, die monatelang ergebnislos mit der Regierung in Athen verhandelt hatten, gibt es in Brüssel nach dem Nein aus Griechenland nicht. Unter der Hand ist aber zu erfahren, dass die Geldgeber, die Euro-Gruppe und die EU-Kommission nicht bereits am Montag wieder zu förmlichen Verhandlungen zur Verfügung stehen. Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis hatte bei der Stimmabgabe in Athen angekündigt, ein Deal sei innerhalb von 24 Stunden möglich. Das ist eher unwahrscheinlich, denn es liegt nichts auf dem Tisch über das verhandelt werden könnte. Varoufakis ruderte am Abend in einem "Tweet" auch schon wieder zurück und betonte, er habe ja den Konjunktiv gebraucht.
Antrag aus Athen erwartet
Der griechische Premierminister Alexis Tsipras hatte letzten Mittwoch noch in einem seiner Briefe ein drittes Hilfspaket im Umfang von 29 Milliarden Euro beantragt und eine Restrukturierung der Schulden insgesamt verlangt. Jetzt wollen die 18 übrigen Euro-Gruppen-Finanzminister erst einmal wissen, ob dieser Antrag noch gilt und welche Gegenleistungen von Griechenland erbracht werden könnten. Ein Treffen der Finanzminister wäre am kommenden Dienstag möglich, heißt es in Brüssel. Ein vorgeschaltetes Treffen der Euro-Arbeitsgruppe, das sind die Staatssekretäre zur Vorbereitung, soll aller Voraussicht nach am Montag statffinden. Später in der Woche wird es wahrscheinlich auch ein Treffen der Staats- und Regierungschefs der Euro-Gruppe oder aller Mitglieder der Europäischen Union geben.
Verfahren ist vorgegeben - eigentlich
All diese Treffen ersetzen aber nicht die eigentlichen Verhandlungen auf Expertenebene, die im Vertrag über den Euro-Rettungsschirm ESM geregelt sind. Nach den Richtlinien zur Vergabe von Krediten müsste die finanzielle Lage Griechenlands bewertet werden, die sich seit dem Amtsantritt der Syriza-Enel-Koaltion vor fünf Monaten rapide verschlechtert hat. Außerdem sieht der ESM-Vertrag vor, dass mit Griechenland ein neuer Vertrag geschlossen werden müsste, das in Griechenland so verhasste "Memorandum of Understanding". Dieses Memorandum würde dann auch die Reformzusagen und finanzielle Anspassungen des Kreditnehmers enthalten müssen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatte vor dem Referendum angekündigt, dass man praktisch wieder bei Null anfangen müsse. Schäuble braucht außerdem ein neues Mandat des Bundestages. Wenn es gut laufe, so EU-Diplomaten, würde all diese Schritte etwa zwei bis drei Wochen in Anspruch nehmen.
Merkel fährt erstmal nach Paris
Am Montag will sich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel zunächst mit dem französischen Staatspräsidenten Francois Hollande in Paris über die weiteren Schritte verständigen. Merkel und Hollande hatten sich in den letzten Wochen mehrfach persönlich mit dem griechischem Premier Alexis Tsipras getroffen und sich vergeblich um Vermittlung bemüht. In Wahlkampfauftritten vor dem Referendum hatte der griechische Premier von Erpressung durch die bisherigen Kreditgeber gesprochen. Sein Finanzminister hatte die europäischen Partner als Terroristen bezeichnet. Das hat nach Ansicht von EU-Diplomaten das Klima für künftige Verhandlungen nicht gerade befördert.
Parlamentspräsident sieht Griechen ohne Euro
Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, sagte in einem Hörfunkinterview voraus, dass Griechenland jetzt wohl aus der Gemeinschaftswährung Euro ausscheiden werde. "Das ist sicher so, aber sie werden ja nach dem Referendum – wenn Sie nein sagen – irgendeine andere Währung einführen müssen, weil der Euro als Zahlungsmittel ja nicht zur Verfügung steht. Und wie wollen Sie die Gehälter bezahlen? Wie wollen Sie die Renten bezahlen? Nur in dem Moment, wo jemand eine neue Währung einführt, tritt er aus der Eurozone aus", sagte Schulz im Deutschlandfunk. Der Parlamentspräsident, der ebenfalls mit Alexis Tsipras im Laufe der letzten Monate beraten hatte, sah für den Fall eines negativen Referendums keine Gesprächsgrundlage mehr. Nur Notkredite zur Versorgung der Bevölkerung aus der Gemeinschaftskasse der Europäischen Union seien denkbar, sagte Martin Schulz in einem weiteren Interview.
Nur EZB kann Griechen über Wasser halten
Wenn der Euro-Rettungsschirm (ESM) mit Griechenland ein neues, ein drittes Hilfspaket vereinbaren soll, dann muss das sehr schnell gehen, denn de facto ist der Staat pleite. Das hatte der Chef des ESM, Klaus Regling, bereits am Samstag erklärt. Es wird spekuliert, dass den griechischen Banken trotz drastischer Beschränkungen bereits am Montag das Euro-Bargeld ausgehen könnte. Derzeit hat die Europäische Zentralbank (EZB)die sogenannten Notfallkredite für griechsiche Banken bei 90 Milliarden Euro gedeckelt, die in 24 Stunden aufgebraucht sein könnten. Die griechische Zentralbank hat bereits angekündigt, dass sie die Notfallkredite (ELA) aufstocken lassen will. Darüber wird die EZB voraussichtlich am Montag entscheiden.
Der EZB-Rat wird Griechenland wahrscheinlich noch nicht fallen lassen. Das Direktoriums-Mitglied der Zentralbank, Benoit Coeure, sagte am Sonntag bei einer Tagung in Aix-en-Provence, die Bank werde mehr Hilfen anbieten, wenn dies nötig sei. "Wenn wir mehr machen müssen, machen wir mehr", sagte Coeure ohne Einzelheiten zu nennen. "Wir werden die nötigen Instrumente einsetzen." Die griechische Regierung lehnte es am Sonntagabend ab, über die Einführung einer parallelen Währung oder Schuldscheine der Regierung für den Zahlungsverkehr innerhalb von Griechenland zu spekulieren.
Die Kreditrichtlinien des ESM sehen auch vor, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) in die Verhandlungen eingebunden werden soll, "wenn es angezeigt und möglich ist". Da der IWF Griechenland aber als säumigen Schuldner ansieht, ist es eher unwahrscheinlich, dass der Fonds mitziehen würde. Griechenland hatte ja 1,55 Milliarden Euro, die am vergangenen Dienstag fällig waren, nicht nach Washington überwiesen.