Neuanfang zwischen den USA und den Muslimen lässt auf sich warten
6. Juli 2010Amal Basha regt sich auf. Die dunkelhaarige Frau gestikuliert mit ihren Händen und ihre Stimme überschlägt sich fast, als sie über den Raketenangriff im Jemen im letzten Dezember spricht, bei dem ein mutmaßliches Al-Qaida-Trainingslager getroffen wurde, aber vor allem Frauen und Kinder starben. "Wir sind Freunde von Obama", ruft sie, "aber wir konnten das gar nicht glauben." Das müsse eine Fehlinformation sein, sei ihre erste Reaktion gewesen, als sie von dem Glückwünsch des US-Präsidenten an die jemenitische Regierung für den Angriff gehört habe, bei dem 52 Menschen starben. "Denken Sie doch an das Leid der Menschen dort", fährt sie fort und kritisiert, dass Jemen einer von den Staaten sei, die den Kampf gegen den internationalen Terrorismus ausnutzten, um politische Gegner zu verfolgen und mundtot zu machen.
Amal Basha ist Direktorin des "Sisters' Arab Forum" für Menschenrechte im Jemen. Sie war von der Heinrich-Böll-Stiftung zusammen mit anderen Menschenrechtsaktivisten in die US-Hauptstadt eingeladen worden. Basha schilderte ihre Eindrücke bei einer Veranstaltung der Carnegie-Friedensstiftung in der vergangenen Woche. Sie fordert von der US-Regierung mehr Offenheit im Umgang mit den Aktivisten: "Bei jedem Treffen, bei jeder Veranstaltung muss die Zivilgesellschaft beim Dialog dabei sein." Es müsse Schluss sein mit den Treffen im kleinen Kreis in den US-Botschaften, fährt sie fort: "Wir wollen diese heimlichen Treffen nicht, denn wir haben keine Geheimnisse." Öffentliche Solidarität sei das wirksamste Mittel im Kampf gegen autokratische Regime.
Enttäuschte Erwartungen
Es ist kein gutes Zeugnis, das die arabischen Menschenrechtler der US-Regierung ein gutes Jahr nach der Kairoer Rede von Präsident Barack Obama ausstellen. Niemand zweifelt an den guten Absichten – aber die Taten würden eine andere Sprache sprechen, erklärt auch Bahey el Din Hassan, Direktor des Kairoer Instituts für Menschenrechtsstudien. Wenn die US-Amerikaner zu guten Taten nicht in der Lage seien, sollten sie zumindest die schlechten unterlassen, fährt er fort und nennt zwei Beispiele: die bedingungslose Unterstützung für das blutige Regime im Jemen und die Anerkennung der offiziellen ägyptischen Definition für Nichtregierungsorganisationen. Sie würde die Bewegungsmöglichkeiten für die Mitglieder der Zivilgesellschaft einschränken. "Das ist schrecklich", sagt el Din Hassan.
Auch der Journalist Kamel Labidi fordert das öffentliche Anprangern von Menschenrechtsverletzungen. Er lebt inzwischen in den USA, reist aber oft in die arabischen Länder und ist erst im Mai in seiner Heimat Tunesien gewesen. Dort wurde ein Gesetz erlassen, nach dem es Menschenrechtsaktivisten verboten ist, Kontakt zu ausländischen Organisationen aufzunehmen. Die Reaktion von vielen Regierungen hat ihn enttäuscht: "Es ist traurig, dass sowohl europäische Länder als auch die USA dazu schweigen." Die Vereinigten Staaten würden sogar das tunesische Regime für vermeintliche Fortschritte in der Menschenrechtspolitik loben und die Verletzungen ignorieren.
Ein guter Anfang für den zweiten Schritt
Auch die Beziehung der USA zu Ägypten wird mit Skepsis betrachtet. Der 27-jährige Blogger und Menschenrechtler Bassem Samir Awad lebt in Kairo und hatte wie so viele Araber große Hoffnungen nach der Rede Obamas in seiner Heimatstadt. In den Monaten danach sei er enttäuscht gewesen, erzählt er, weil den Worten keine Taten folgten. In Kairo habe man lange nichts mehr von den US-Amerikanern gehört. Dann sei er im Januar zum ersten Mal in die Vereinigten Staaten eingeladen worden. Seine Gesprächspartner hätten ihm erklärt, er solle noch Geduld haben. "Ich weiß auch, dass jede Regierung im Weißen Haus sich zunächst um Innenpolitik kümmert und nicht um internationale Angelegenheiten", sagt Bassem Samir.
In letzter Zeit beobachtet er eine positive Entwicklung. Als er selbst verhaftet wurde und 30 Stunden im Gefängnis saß, wurde das US-Außenministerium auf seinen Fall aufmerksam. Außenministerin Clinton, die er später treffen konnte, habe seinen Namen erwähnt, erzählt der junge Menschenrechtler. Und als der 28-jährige ägyptische Geschäftsmann Khalid Said durch Polizeigewalt im Juni ums Leben kam, äußerten die USA ihre Besorgnis und forderten eine Untersuchung. Das sei ein guter Anfang, sagt der Ägypter, "aber jetzt erwarten wir den zweiten Schritt."
Freie und faire Wahlen in Ägypten?
Der kommt für Ägypten spätestens im nächsten Jahr, wenn Parlamentswahlen anstehen. Die USA müssten ihren engsten Verbündeten im Nahen Osten drängen, fordert Bassem Samir, dass sie freie und faire Wahlen und vor allem ernsthafte Herausforderer von Präsident Hosni Mubarak zulassen. Die ägyptische Bevölkerung werde darauf ganz genau achten.
Letztlich seien es aber die Menschenrechtsorganisationen vor Ort, die die entscheidende Arbeit leisteten, sagt Ibrahim al Mugaiteeb. Er ist Präsident der saudi-arabischen Menschenrechtsorganisation "First Society" und bezeichnet sich selbst als Realisten. Auch nach Obamas Kairo-Rede habe er nicht allzu viel von der neuen US-Regierung erwartet. Seine Gespräche in Washington mit Vertretern des Außenministeriums seien aber positiv gewesen, fährt Al Mugaiteeb fort. Vielleicht werde die US-Regierung in einem Jahr eine bessere Bilanz in Bezug auf die Unterstützung der Menschenrechtler im Nahen Osten vorweisen können. Doch man solle sich nicht zu sehr darauf verlassen, denn vielleicht würden die USA ja beschließen, den Iran anzugreifen. Halb im Scherz fügt Al Mugaiteeb hinzu: "Und dann interessieren sie sich nicht mehr für die Aktivisten."
Autorin: Christina Bergmann
Redaktion: Oliver Pieper