Noch immer kein Wundermittel gegen Ebola
11. Dezember 2014Ein Medikament zu entwickeln, braucht im Durchschnitt zehn Jahre. Aber jetzt wissen wir: Es kann auch schneller gehen - vorausgesetzt der internationale Druck ist groß genug. So wie bei Ebola.
Zugegeben: Die Entwicklung eines Ebola-Medikaments musste nicht von Grund auf beginnen, als die Epidemie in Westafrika wieder um sich griff. Öffentliche Forschungseinrichtungen hatten vorher bereits viele potenzielle Wirkstoffe gefunden und im Labor und an Tieren getestet. Nur die klinischen Studien fehlten noch. Doch gerade die sind langwierig und erfordern viel Planung.
Im August hatte ein Expertengremium der Weltgesundheitsorganisation (WHO) es für ethisch vertretbar erklärt, Ebola-Kranken nicht zugelassene Medikamente zu geben. Jetzt, im Dezember, hat sich an der Situation kaum etwas geändert: Es gibt mehrere potenzielle Medikamente - aber ob eines von ihnen beim Menschen tatsächlich hilft, weiß immer noch niemand.
Vielversprechend, aber zur Neige gegangen
ZMapp ging Anfang August als erstes potenzielles Medikament durch die Medien, nachdem zwei US-Bürger es erhalten hatten und danach wieder gesund wurden. Kurz danach starben allerdings ein liberianischer Arzt und ein spanischer Priester, obwohl beide die Arznei bekommen hatten.
ZMapp ist ein Cocktail aus drei mit Gentechnik hergestellten Antikörpern. Sie blockieren das Ebola-Virus, indem sie sich an seine Oberfläche heften. Rhesusaffen konnten mit ZMapp von der tödlichen Krankheit geheilt werden. Aber offizielle Studien am Menschen gibt es bisher keine.
Vor allem tut sich hier ein unerwartetes Problem auf: ZMapp wird in gentechnisch modifizierten Tabakpflanzen hergestellt. Aufgrund des komplizierten Verfahrens lässt sich gar nicht so viel Wirkstoff produzieren, wie nötig wäre, um eine klinische Studie durchzuführen.
Bereits Mitte August verkündete der Hersteller, das US-Unternehmen Mapp Biopharmaceuticals, dass seine Vorräte aufgebraucht seien. Nach eigenen Angaben arbeitet es gemeinsam mit der US-Regierung daran, das Produktionsverfahren umzustellen, so dass sich größere Mengen herstellen lassen.
Wirkstoffmangel ist ein häufiges Problem
Auch potenzielle Medikamente, die auf der sogenannten RNA-Interferenz basieren, sind in der Herstellung sehr aufwändig. Diese Arzneien bestehen aus Biomolekülen, den Ribonukleinsäuren, die Gene abschalten und so verhindern, dass sich das Virus im Körper vermehren kann.
So wirkt zum Beispiel TKM-Ebola von der kanadischen Firma Tekmira. In Meerschweinchen und Affen zeigte der Wirkstoff gute Ergebnisse. Bei einer Phase-I-Studie im Menschen allerdings zeigten die Probanden unerwünschte Nebenwirkungen, etwa Engegefühl in der Brust und einen erhöhten Puls. Die US-amerikanische Lebensmittelüberwachungs- und Arzneimittelzulassungsbehörde FDA hat die klinische Studie daher vorerst auf Eis gelegt.
Gegen Grippe - und gegen Ebola?
Grippe und Ebola haben eines gemeinsam: Beide werden von Viren verursacht. Die Forscher hoffen daher, dass antivirale Medikamente, die Viren an der Vermehrung im Körper hindern, in größeren Dosen auch gegen Ebola helfen.
Favipivavir, entwickelt in Japan, und Brincidofovir aus den USA sind solche antiviralen Wirkstoffe. Das französische Nationale Institut für Gesundheit und medizinische Forschung sowie die Universität Oxford werden diese beiden Mittel in den Behandlungszentren der Ärzte ohne Grenzen in Guinea am Menschen testen.
"Die Verhandlungen über das Design der Studien sind in den letzten Zügen", sagt Philipp Frisch, Koordinator der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen in Deutschland. Die Studien begännen "so bald wie möglich, hoffentlich noch im Dezember", so Frisch im DW-Interview.
Die richtigen Kandidaten aussuchen
Antivirale Medikamente wie Favipivavir haben einen Riesenvorteil: Sie bestehen aus kleinen chemischen Molekülen, die relativ einfach im Labor herzustellen sind. Das sei auch einer der Gründe gewesen, warum gerade diese Medikamente für klinische Studien ausgewählt worden seien, sagt Frisch.
Ein anderes Grund ist, dass Forscher diese Medikamente bereits auf ihre Sicherheit hin am Menschen getestet haben: Favipiravir ist in Japan ein zugelassenes Medikament gegen Grippe; Brincidofovir ist zwar noch nicht zugelassen, wurde aber für eine andere Anwendung bereits auf mögliche Nebenwirkungen am Menschen getestet.
Das zuständige Komitee der WHO allerdings befand im November, dass die Tier- und Laborversuche in Bezug auf eine mögliche Wirksamkeit der Medikamente gegen Ebola nicht vielversprechend seien. Einige Mitglieder des Komitees kritisierten, dass Verfügbarkeit allein "kein Grund sei, Medikamente mit dünner Datenlage am Menschen zu testen."
Natürliche Waffen
Forscher hoffen auch, Ebola direkt mit Antikörpern zu behandeln, die sie aus dem Blut von Tieren isoliert haben, die mit dem Virus in Kontakt gekommen sind. Bisher stehen solche Antikörper aber nicht zur Verfügung, denn diese Biomoleküle zu isolieren und zu reinigen braucht mehrere Monate. Die WHO erwartet erste größere Mengen nicht vor Mitte 2015.
Eine andere Option ist es, Ebola-Patienten das Blutplasma von Menschen zu übertragen, die schon mit Ebola infiziert waren und die Erkrankung überlebt haben. Auch ihr Blut enthält Antikörper gegen das Virus. Eine entsprechende klinische Studie wird das Institut für Tropenmedizin Antwerpen bald in einem Behandlungszentrum von Ärzte ohne Grenzen in Guinea durchführen.
Gegen alle ökonomischen Prinzipien
Welches Medikament auch immer irgendwann als Sieger aus den Studien hervorgehen wird: Ärzte ohne Grenzen drängen darauf, bereits jetzt darüber nachzudenken, wie sich große Mengen des Wirkstoffs herstellen lassen.
Normalerweise wird ein Unternehmen zunächst sämtliche klinischen Studien für ein Medikament abschließen, bevor es sich ernsthafte Gedanken darüber macht, wie es genügend Wirkstoff produzieren kann. So minimiert ein Unternehmen sein wirtschaftliches Risiko. Wenn es um Ebola geht, müssen solche finanziellen Überlegungen aber zurückstehen, meinen Ärzte ohne Grenzen. Grob zusammengefasst: Ein Medikament, von dem wir wissen, dass es wirkt, nützt niemandem, wenn es einfach nicht zu bekommen ist.