TTIP-Chefunterhändler der EU wirbt um Vertrauen
28. April 2015EU-Chefunterhändler Ignacio Garcia Bercero konnte man ansehen, dass er an diesem Tag eine Botschaft loswerden wollte. Der Spanier im Dienste der Europäischen Kommission war am Dienstag nach Berlin gekommen, um für das hierzulande heftig umstrittene Freihandelsabkommen mit den USA zu werben. In New York hat er für die EU vergangene Woche die neunte Runde der sogenannten TTIP-Verhandlungen absolviert. Sein Zwischenfazit: "Wir haben jetzt zu allen Themen die Verhandlungspositionen ausgetauscht", so der EU-Chefunterhändler. Dabei drehten sich die Verhandlungen dieses Mal vor allem um die Absenkung von Zöllen und die Anpassung von Standards in den Bereichen Maschinen- und Anlagenbau, im Energie- und Rohstoffsektor und bei der öffentlichen Beschaffung.
"Das wird sogar ein Modell für Investorenschutz"
In den kommenden Wochen und Monaten werde es kompliziert, sagte der EU-Chefunterhändler voraus. Denn jetzt werde sich zeigen, wie Kompromisse bei teilweise höchst umstrittenen Bereichen aussehen könnten. Ganz besonders im Fokus: der Streit darum, wie Investoren in einer möglichen transatlantischen Freihandelszone vor willkürlichen Entscheidungen in einem anderen Land geschützt werden sollten. Während die USA ein Modell favorisieren, wonach Unternehmen Staaten vor Schiedsgerichten verklagen könnten, hat die EU-Kommission hier Reformbedarf angemeldet. "Wir müssen das bisher angedachte System der Schiedsgerichte reformieren, um es transparenter und nachvollziehbarer zu machen", so Garcia Bercero. Der Zweck der weltweit in vielen Handelsverträgen vereinbarten privaten Schiedsgerichte ist der Schutz ausländischer Investoren. Jedes Urteil, das ein solches Schiedsgericht treffe, müsse von einer höheren Instanz auch überprüft werden können - so der EU-Wunsch, den die USA bislang ablehnen.
Dabei ging der EU-Chefunterhändler auf Ängste in der Zivilgesellschaft ein, dass internationale Großkonzerne sich auf dem Wege dieser Schiedsgerichte "Sonderklagerechte" erschleichen könnten. Für viele NGOs eine Aushöhlung der Demokratie. In Kürze werde EU-Handelskommissarin Cecila Malmström Details zu einem neuartigen Schlichtungsverfahren für Streitfälle zwischen Staaten und Investoren vorlegen. Deutschland hatte zuletzt die Einrichtung einer Art internationalen Handelsgerichtshofes ins Gespräch gebracht. Auch das solle berücksichtigt werden. "Was wir vorschlagen, wird zu einem Modell dafür werden, wie der Investorenschutz reformiert werden kann", zeigte sich der EU-Chefunterhändler selbstbewusst.
"Wir behalten jederzeit das Recht, unsere Regeln zu ändern"
Insbesondere ein Vorschlag der EU-Kommission in der jüngsten Verhandlungsrunde sorgte auf Seiten der Amerikaner für Verärgerung. Sie hatte angekündigt, dass EU-Staaten den Import gentechnisch veränderter Lebensmittel im Alleingang für ihr jeweiliges Gebiet verbieten können sollten. Auch nach Inkrafttreten von TTIP. Das sorgte bei US-Chefunterhändler Dan Mullaney für Erstaunen. Er sah darin einen Vorschlag, der nur schwer vereinbar sei mit den Verpflichtungen der EU für einen nahtlosen transatlantischen Binnenmarkt. Bercero kündigte in Berlin an, für solche Ausnahme-Regeln zu kämpfen.
Die Gefahr, dass TTIP die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer nationalen Gesetzgebung einschränke, sieht der EU-Chefunterhändler dabei nicht. Alle in TTIP vereinbarten Regulierungen müssten von den Regierungen der Mitgliedsstaaten ebenso wie dem Europäischen Parlament angenommen werden. "Und daran ändert sich auch durch TTIP nichts". Jeder EU-Staat behalte also auch nach dem TTIP-Abkommen das Recht, Regeln nachträglich zu ändern, auch wenn das die transatlantische Vergleichbarkeit dann verletzte, so Garcia Bercero.
EU: TTIP-Verhandlungsführung vorbildlich
Bercero, der in Berlin mit grau-kariertem Anzug und freundlicher, zugewandter Miene vor die Presse trat, hat es dennoch schwer, Begeisterung zu entfachen. Denn die Zahl der Anti-TTIP-Demonstrationen hat zuletzt sprunghaft zugenommen – insbesondere in Deutschland. Von den 1,7 Millionen Unterschriften, die das europäische Bürgerbündnis "Stopp TTIP" bislang einsammeln konnte, kommt fast eine Million aus Deutschland. Dass es sich bei TTIP um Geheimverhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit handle, diesen oft zitierten Vorwurf aus der Zivilgesellschaft hält er allerdings für abwegig. "Ich glaube, es gab noch nie Verhandlungen über ein Handelsabkommen, die so transparent waren wie das, was wir da gerade von europäischer Seite machen", so der TTIP-Chefunterhändler. Alle EU-Verhandlungsdokumente würden - nach einer kurzen Phase der internen Überarbeitung - auf der Webseite der EU-Kommission online gehen. "Alles kann damit von den EU-Bürgerinnen und Bürgern nachvollzogen werden", so Garcia Bercero.
Sein Versprechen: "Jede europäische Gruppe, die mit uns über TTIP reden will, kann sich beim EU-Verhandlungsteam melden". Privilegierten Zugang gebe es nur für eine Gruppe von 16 Beratern des Chefunterhändlers, die kontinuierlich verschiedene Interessensgruppen repräsentierten sollten. Darunter acht Wirtschaftsvertreter, sowie acht Vertreter von Gewerkschaften, Verbraucherschützer und Vertreter aus dem Gesundheits- und Umweltsektor. Auch den Vorwurf, die EU-Kommission vertrete in den Verhandlungen nur die Interessen europäischer Großkonzerne, kontert der Chefunterhändler prompt. Erst vergangene Woche sei in Brüssel das Ergebnis einer Umfrage unter 900 Vertretern kleiner und mittelgroßer Unternehmen aus Europa vorgestellt worden. In der Umfrage habe die EU-Kommission just kleine und mittlere Betriebe nach ihren Wünschen, aber auch Sorgen rund um TTIP befragt, so Garcia Bercero.
Bis Ende des Jahres will der EU-Vertreter mit den USA wenn möglich die Eckdaten des neuen Abkommens abgesteckt haben. Wenn alles gut geht, denn derzeit scheint die Protestwelle gegen TTIP noch lange nicht abzuebben. "Ich kann ihnen versichern", sagte Ignacio Garcia Bercero zum Abschied aus Berlin, dass "die meiste Kritik, die man jetzt an TTIP hört, Sachen sind, die nie und nimmer mit TTIP passieren werden."