Keine Angst vor der digitalen Zukunft
5. Mai 2017Den weltweiten Erfolg der Globalisierung erklärt Post-Chef Frank Appel gerne von der anderen Seite: "Kein Land auf der Erde war durch den Protektionismus erfolgreich." Nordkorea sei das beste Beispiel. Insofern lebten wir in einer Schizophrenie, wenn die Globalisierung in einem negativen Licht dargestellt werde. Das sagt Appel auf einer Veranstaltung des "Denkraums für Soziale Marktwirtschaft" in Bonn, einem von der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und mehreren deutschen Konzernen geförderten Diskussionsforum, bei dem die Deutsche Post Hauptpartner ist.
"Es gibt keinen einzigen Transformationsprozess, bei dem es nicht auch Verlierer gibt", sagt Alexander Graf Lambsdorff, Vizepräsident des Europäischen Parlaments. Zu den tatsächlich Abgehängten gesellten sich Menschen, die sich als solche fühlten, obwohl sie es nach der Datenlage nicht wären, und Menschen, die Angst davor hätten, in Zukunft zu den Verlierern zu gehören. Diese drei Gruppen bildeten sich gerade in Parteien, Umfragen und Wahlergebnissen ab.
Fehlentwicklung korrigieren
Wobei sich Deutschland mit einer überschaubar erfolgreichen Populismus-Partei AfD in einer entspannteren Lage befindet als die USA oder Frankreich. Das liegt wohl vor allem an der robusten Konjunktur und der niedrigen Arbeitslosigkeit. Dennoch müsse die Politik gegen Auswüchse der Globalisierung vorgehen, meint FDP-Politiker Lambsdorff und nennt als Beispiel das Geschäftsmodell Steuervermeidung: "Alle denken bei Ikea an ein schwedisches Möbelhaus. In Wirklichkeit ist es eine niederländische Stiftung."
Auch müssten die Politik und die Wirtschaft die Menschen von den Vorteilen durch die Globalisierung überzeugen, Vorteile durch die Importe und die damit verbundenen günstigen Waren, sagt Jürgen Heraeus, Aufsichtsratsvorsitzender der Heraeus Holding, der Deutschen Welle. Wenn den Menschen die Vorteile der Globalisierung bewusst wären, seien sie eher bereit, die Nachteile in Kauf zu nehmen.
Nachteile lassen sich auch im Zuge der Digitalisierung nicht vermeiden. Dass Roboter viele Jobs überflüssig machen, liegt auf der Hand. Die Digitalisierung werde aber ebenso viele Jobs neu schaffen, ist Thomas Straubhaar von der Universität Hamburg überzeugt.
Wachstumssprünge wieder möglich
Zudem berge sie Potenzial für Wachstumsschübe, mein Frank Appel, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Post. Das erklärt er so: "Reife Industriestaaten verzeichnen wenig Wachstum, weil wir Servicegesellschaft sind und als solche schwer Produktivitätsfortschritte erzielen können. Das wird durch Digitalisierung möglich." Insofern müsse die digitale Transformation als eine Riesenchance begriffen werden.
Auch für den Bonner Konzern schaffen digitale Techniken neue Möglichkeiten, erzählt Kommunikationsdirektor Christof Ehrhart. "Sei es im Bereich der Zustellung, wo wir mit Robotern experimentieren, sei es im Bereich der Lagerhaltung, wo wir mit modernen Techniken agieren wie Drohneneinsatz", sagt Ehrhart der DW. Zugleich müsse man die Mitarbeiter mitnehmen, sie schulen und vorbereiten.
Ebenso wie bei der Globalisierung kann die Digitalisierung nicht durch Abschottung aufgehalten werden, meint Jürgen Heraeus. "Sie kommt, ob wir sie wollen oder nicht. Sie hat uns schon fast überrannt." Mitarbeiter bei kleineren Unternehmen, die nicht so gut Englisch können, hätten einen Nachteil. "Solchen Menschen müssen wir helfen, Schulungen anbieten, damit sie den Anschluss nicht verlieren", so Heraeus.
Wachstumssprünge schaffen Freiräume für Umverteilung
Damit die Menschen Zeit für Umschulung und Lehrgänge haben, plädiert Thomas Straubhaar für ein bedingungsloses Grundeinkommen. "Man soll in einer digitalisierten Welt möglichst vielen Menschen die Chance geben, immer etwas Neues zu tun", sagt der Hamburger Ökonom. Das Grundeinkommen sollte dazu dienen, dass die Menschen in den Lücken der Erwerbsbiographien nicht in die Existenznot stürzen.
Mit dieser Idee kann sich Graf Lambsdorff nicht so recht anfreunden. Lücken sieht er eher in der Politik. "Die große Koalition hat der Telekom grünes Licht dafür gegeben, um Kupferkabel fitter zu machen. Mit Glaserfaserkabel wird also nicht gearbeitet. So wird es nichts mit der Digitalisierung." Der FDP-Frontmann macht Werbung für das frisch verabschiedete Parteiprogramm: "Wir verkaufen Anteile an Telekom und Post und stecken das Geld in digitale Struktur in Deutschland." Damit man auf der A3 mit dem Handy nicht mehr schlechter erreichbar sei als in Nairobi.