"Keine Durchschlagskraft": Die AfD in Schleswig-Holstein
6. Mai 2017Das Superwahljahr 2017 hätte der bundesweite Durchbruch für die Alternative für Deutschland (AfD) werden sollen. Hatten die Rechtspopulisten im Vorjahr bei fünf Landtagswahlen Rekordergebnisse erzielt, wollten sie sich 2017 entsprechend auch Plätze in den Landtagen in Saarbrücken, Kiel und Düsseldorf sichern. Doch schon der Auftakt im Saarland gelang nur mit Hängen und Würgen.
Mit 6,2 Prozent erzielte die AfD ihr schlechtestes Ergebnis seit dem Bruch mit Parteigründer Bernd Lucke im Sommer 2015. Auch am kommenden Sonntag könnten die Rechtspopulisten aktuellen Umfragen zufolge in Schleswig-Holstein nur knapp die Fünfprozenthürde meistern und ins Parlament einziehen - kein Vergleich zu den Ergebnissen im vergangenen Jahr, mit denen die Partei ihre provokanten Parolen einer Ideologie der Abgehängten gerechtfertigt sah.
Politologe: Die Alternativen sind bereits vorhanden
Denn einen Mangel an Alternativen für Wähler aus dem bürgerlichen Lager gibt es im nördlichsten Bundesland nicht, erklärt der Politologe Wilhelm Knelangen von der Universität Kiel: "Die SPD ist hier in Schleswig-Holstein - genau wie die CDU - bemüht, eine relativ klare Kante zu zeigen."
Nicht umsonst brüstet sich Schleswig-Holsteins SPD-Landesschef Ralf Stegner, bereits vor den Begeisterungsstürmen für SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz mit sozialen Themen bei Wählern gepunktet zu haben. "Umgekehrt bemüht sich auch die CDU stark, sich von der SPD abzugrenzen", sagt Knelangen. "Zwischen CDU und SPD findet im Land ein pointierter Wahlkampf mit klaren politischen Alternativen statt", betont CDU-Spitzenkandidat Daniel Günther kurz vor der Wahl.
"Diese Polarität des Parteiensystems ist der erste Erklärungsfaktor zum Abschneiden der AfD", sagt Knelangen. Das Wahlprogramm der Schleswig-Holsteiner CDU sei auf Bundesebene gar nicht durchsetzungsfähig, erklärt Knelangen. "Da sind sie gewissermaßen einfach fortschrittlicher."
AfD-Themen interessieren in Schleswig-Holstein nicht
Die Flüchtlingskrise und Integration spielen in Schleswig-Holstein selbst im Wahlprogramm der CDU keine große Rolle. Für die AfD sind es aber klassische Wahlkampfthemen - laut Knelangen ein weiterer Grund, warum die Rechtspopulisten einen schweren Stand haben.
Mit 6,3 Prozent liegt der Ausländeranteil in Schleswig-Holstein weit unterm Bundesschnitt von 10,5 Prozent. Trotzdem ist das Bundesland als Küstenregion und Grenzgebiet selbst von Minderheiten, Mehrsprachigkeit und Multinationalität geprägt. Die Dänen sind in Schleswig-Holstein eine verfassungsrechtlich anerkannte Volksgruppe. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde das Bundesland zum Zufluchtsort für rund eine Million Vertriebene aus den Ostgebieten des Deutschen Reiches.
Die Minderheiten sind in Schleswig-Holstein auch politisch vertreten. Nach der Landtagswahl 2012 nahm erstmals die dänische Minderheitenpartei Südschleswigscher Wählerverband (SSW) auf der Regierungsbank Platz. In ihrer Amtszeit beschloss die "Dänen-Ampel"-Koalition unter anderem einen Abschiebestopp für afghanische Flüchtlinge.
FDP-Vize Kubicki: "Wer mich im Land hat, braucht keine Populisten"
Selbst wenn es für die Landesregierung einmal Kritik hagelt, dann tönt in Schleswig-vor allem einer am lautesten: der FDP-Spitzenkandidat Wolfgang Kubicki. Für die Liberalen erzielt der Parteivize regelmäßig Rekordergebnisse. "Wer mich im Land hat, braucht keine Populisten", kommentierte er vor der Wahl die Ambitionen der AfD.
Und während Kubicki über die Landesgrenzen hinweg bekannt ist, ist die Landesspitze der AfD selbst dem Großteil der Schleswig-Holsteinern kein Begriff: Einer Umfrage der Meinungsforscher von infratest dimap zufolge kannten im März zwei Drittel der Befragten den AfD-Spitzenkandidaten Jörg Nobis nicht. "Das ist niemand, der hier als eloquenter Störenfried wahrgenommen wird.", sagt der Politologe Knelangen. Dem Kandidaten fehle es an der "Durchschlagskraft", mit der manch andere AfD-Provokateure ihre Wähler mobilisieren. "Ich würde sagen, der sucht seine Rolle noch."
Zu sehr mit sich selbst beschäftigt
Hinzu kommen parteiinterne Querelen der AfD: Auf Bundesebene, wie zuletzt auf dem Parteitag in Köln deutlich wurde, aber auch in Schleswig-Holstein selbst steht die Parteiführung kurz vor der Wahl wortwörtlich vor dem Zerfall: "Jetzt hat das parteiinterne Schiedsgericht festgestellt, dass der letzte Vorstand der AfD nicht rechtmäßig zustande gekommen ist", erklärt Knelangen. "Da ging es erst mal um die Frage, wer darf hier überhaupt sein, wer ist Vorstand, wer darf kandidieren?"
Und dann gibt es noch die Vorwürfe, wonach der stellvertretende Landesvorsitzende Volker Schnurrbusch ein Parteimitglied mit einem Stuhl traktiert haben soll. Der Partei-Kollege zeigte Schnurrbusch wegen Körperverletzung an, Schnurrbach bestreitet die Tat. "Die waren sehr stark mit sich selbst beschäftigt", sagt der Politologe Knelangen.
In dieser Hinsicht scheinen sich auch die beiden großen Volksparteien für Schleswig-Holstein einig zu sein: "Die Menschen wissen, dass die AfD im Landtag überflüssig ist - zumal ihre Funktionäre sich nur prügeln und gegenseitig verklagen", sagte CDU-Kandidat Günther. " SPD-Landeschef Ralf Stegner ist ebenfalls zuversichtlich: "Wir glauben, dass es uns hier gelingt, die Rechten aus dem Parlament herauszuhalten." Ob sie damit recht behalten, wird sich am Sonntag zeigen.