Keine schnellen Lösungen
29. Juni 2014Die Bevölkerung sei nicht am Friedensprozess beteiligt worden, sagt Jok Madud Jok. Und deshalb habe der 2005 geschlossene Friedensvertrag zwischen Sudan und Südsudan auch keiner Seite Frieden gebracht, ist Jok überzeugt. "Das Friedensabkommen wurde nur von den bewaffneten Gruppen ausgehandelt. Es war kein Frieden für alle. Die Bevölkerung wurde gezwungen mit dem Ergebnis zu leben", sagt Jok Madud Jok. Als Gründer des SUDD Institutes, der wichtigsten politischen Denkfabrik in Südsudans Hauptstadt Juba, gehört der Anthropologe zu den ernsthaftesten Kritikern der Regierungspolitik, obwohl er als Unterstaatssekretär im Kulturministerium Teil dieser Regierung ist. Nur wenige im Südsudan sind bereit, so offen darüber zu sprechen. "Jetzt haben wir statt einer, einfach zwei Kleptokratien, die den Ölreichtum stehlen. Die internen Probleme wurden in keinem der beiden Staaten gelöst."
Der vorgesehene Versöhnungsprozess hat nie stattgefunden
Ein Problem: der unaufgearbeitete Konflikt mit dem Norden. Eine Bestrafung für Kriegsverbrechen war im Friedensvertrag von 2005 nie vorgesehen, weil weder das Regime in Khartoum noch die Verantwortlichen der Befreiungsbewegung einen Vertrag unterschreiben wollten, der eine Strafe für die eigenen Verbrechen vorgesehen hätte. Doch zumindest hätte über die schrecklichsten Ereignisse geredet werden müssen, ist Peter Tibi überzeugt. "Ein Trauma, das nicht geheilt wird, überträgt sich von einer Generation auf die nächste. Durch Erzählungen oder durch Rache." Dass der im Friedensvertrag vorgesehene Versöhnungsprozess nie eingeleitet wurde, ist für den Direktor des südsudanesischen Friedensinstitutes Reconcile eine wesentliche Ursache für die sich explosionsartig ausbreitende Gewalt im Südsudan. "Der gegenwärtige Konflikt im Südsudan ist die Folge eines Traumas, das weder politisch noch sozial verarbeitet wurde."
Seit Januar 2014 versucht die ostafrikanische Regionalorganisation IGAD in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba ein Friedensabkommen für den Südsudan zu vermitteln. Eine Einigung gibt es bislang nicht, immer wieder werden die Gespräche unterbrochen. Nun wollen die religiösen Organisationen des Südsudans sicherstellen, dass auch Vertreter der Bevölkerung zu Wort kommen. "Der erste Vertrag zur Beendigung der Feindseligkeiten wurde im Januar unterzeichnet. Aber die Kämpfe gehen bis heute weiter", erklärt Michael Taban, Vorsitzender des Südsudanesischen Kirchenrates. "Auch die am 9. Mai von Präsident Salva Kiir und seinem ehemaligen Vizepräsidenten Riek Machar unterzeichnete Vereinbarung nimmt keine der beiden Seiten bislang ernst. Wir sagen ihnen, sie sollen ernsthaft verhandeln", so Taban gegenüber der DW.
Die Kirchen, als größte organisierte Vertreter der Zivilgesellschaft, haben sich akkreditiert, obwohl sie zunächst gar nicht zu den Verhandlungen eingeladen waren. Bischof Taban ist sichtlich stolz, dass die religiösen Organisationen nun in Addis Abeba zumindest als Berater anerkannt sind. "Seit die Kirche mit beiden Seiten in Addis redet, wurde die Atmosphäre besser. Das haben die IGAD-Unterhändler anerkannt. Deshalb wurde die Kirche gebeten, mit Vertretern dauerhaft dabei zu sein, wann immer die Gespräche stattfinden."
Kirchen machen sich stark für Beteiligung der Zivilgesellschaft
Die Kirchen im Südsudan hatten während des langen Bürgerkrieges schon einmal einen Konflikt zwischen unterschiedlichen Fraktionen der Befreiungsbewegung entschärft, indem sie in allen Bundesstaaten Diskussionen zwischen verfeindeten Dörfern organisiert hatten. So einen Prozess zu organisieren gehe nicht so schnell wie Unterschriften auf Verträge zu setzen. Doch nur so entstehe Frieden, der auch langfristig halte, ist Gladis Mananju überzeugt. Sie ist die einzige Frau unter den acht vom südsudanesischen Kirchenrat und dem Islamischen Rat entsandten Beratern in Addis Abeba.
Frauen fordern Gehör im Friedensprozess
Niemand war von der Krise im Dezember 2013 überrascht. Der Machtkampf war schon vorher deutlich zu sehen", urteilt die Kirchenaktivistin. Viele offene Fragen des Friedensvertrages seien nie beantwortet worden. Die Verfassung sollte zum Beispiel von einem Expertengremium vorbereitet und dann von der Bevölkerung diskutiert werden. Doch solche Diskussionen habe es nie gegeben. "Die Verfassung wurde von Technokraten geschrieben, die die Interessen der Bevölkerung nicht berücksichtigten. Deshalb nahmen die ethnischen Gegensätze und der Kampf um Ressourcen überhand", sagt Mananju. Die Regierung habe es versäumte, die regionale Vertretung von verschiedenen Bevölkerungsgruppen klar zu regeln. All das habe zu dieser Krise geführt. Gladis Mananju ist in Addis Abeba eine wichtige Rolle zugedacht. Die energische Mutter von vier Kindern soll dafür sorgen, dass bei diesen neuen Friedensverhandlungen endlich auch die Stimme der Frauen deutlich Gehör findet.
Noch ist keine der Kriegsparteien bereit, der Zivilbevölkerung ein Mitspracherecht zu gewähren. Beide Seiten setzen auf Krieg, um die Macht, und damit den Zugriff auf die reichen Ressourcen des Südsudan, durch Gewalt zu erhalten. Bei den eigentlich für 2015 vorgesehenen Wahlen hätte nach den von beiden Seiten begangenen Massenmorden weder Staatspräsident Salva Kiir noch sein Rivale Riek Machar etwas zu gewinnen. Eine schnelle Lösung der Krise scheint deshalb ausgeschlossen.