Keine Strategie gegen Antisemitismus
Von der Bundesregierung beauftragte Wissenschaftler haben herausgefunden, dass etwa 20 Prozent der Menschen in Deutschland antisemitisch eingestellt sind. So ist laut Wissenschaftlern die Aussage "Du gehörst nach Auschwitz" eine gängige Beleidigung unter Jugendlichen. Besonders Rechtsextremisten verüben Straftaten gegen Juden. Dazu gehören zum Beispiel das Leugnen des Holocaust und Körperverletzungen.
Die Experten kritisieren, dass es bisher keine Strategie gegen den Antisemitismus in Deutschland gibt. Ihrer Meinung nach reicht es nicht aus, in den Schulen die Judenverfolgung in der NS-Zeit und die daraus entstehende "besondere Verantwortung Deutschlands für Israel" zu behandeln.
Vielmehr, so fordern die Wissenschaftler, muss man sich stärker mit den aktuellen Formen des Antisemitismus beschäftigen, die mit der Finanzkrise, dem Nahostkonflikt oder dem Islamismus zusammenhängen. So gibt es das antisemitische Klischee vom "geldgierigen Juden" nach Aussage der Forscher heute immer noch.
Schon 2009 sahen 20 Prozent der Befragten in einer Studie die Gefahr, dass Juden zu viel Einfluss in der Finanzwelt haben. 40 Prozent waren der Meinung, dass sie noch heute versuchen, aus der Vergangenheit des Holocaust einen Vorteil zu ziehen. Deutschland liegt im europäischen Durchschnitt, was den statistisch erfassbaren Antisemitismus betrifft - aber nur, weil der Antisemitismus in Ländern wie Polen, Ungarn oder Portugal noch viel stärker ist.
Glossar
Strategie, die - der Plan, wie man ein bestimmtes Ziel erreichen will
Antisemitismus, der - das feindliche Denken und Handeln gegenüber Juden (Adjektiv: antisemitisch)
etwas herausfinden - etwas feststellen
antisemitisch eingestellt sein - hier: schlecht über Juden denken
du gehörst nach … - der Ort, an dem du sein solltest, ist …
Auschwitz - ein Konzentrationslager, in dem Juden zur Zeit des Nationalsozialismus (→ NS-Zeit) gefangen gehalten und ermordet wurden
gängig - bekannt
Rechtsextremist/in, der/die - jemand, der ausländerfeindlich und nationalistisch denkt
eine Straftat verüben - etwas Verbotenes tun; gegen das Gesetz handeln
Leugnen, das - das Lügen; hier: sagen, dass es etwas nicht gegeben hat
Holocaust, der - der Mord an den europäischen Juden durch die Nationalsozialisten
Judenverfolgung, die - das Einsperren und Töten von Juden
NS-Zeit, die - die Diktatur Hitlers (1933-1945)
Nahostkonflikt, der - der Streit zwischen Israelis und Palästinensern
Islamismus, der - Bezeichnung für eine extremistische islamische Bewegung
Klischee, das - das Vorurteil
geldgierig - so, dass jemand versucht, an ganz viel Geld zu gelangen; geizig
einen Vorteil aus etwas ziehen - einen Vorteil von etwas haben
statistisch erfassbar - so, dass man etwas messen und in Zahlen ausdrücken kann
Fragen zum Text
1. Was haben die Wissenschaftler herausgefunden?
a) Viele Juden haben ein schlechtes Bild von Jugendlichen.
b) In Deutschland gibt es immer noch viele Menschen mit einer antisemitischen Haltung.
c) Die Strategie der Bundesregierung gegen den Antisemitismus funktioniert.
2. … benutzen Jugendliche oft antisemitische Beleidigungen.
a) Obwohl der Nationalsozialismus ein Thema im Schulunterricht ist, …
b) Da der Antisemitismus in der Schule behandelt wird, …
c) Wegen der Finanzkrise …
3. Die Experten fordern eine Strategie gegen …
a) die Diskriminierung der Juden in der NS-Zeit.
b) den Nahostkonflikt, den Islamismus und die Finanzkrise.
c) die neuen Formen des Antisemitismus.
4. … Aussage der Wissenschaftler gibt es immer noch viele Vorurteile gegen Juden.
a) Nach
b) Trotz
c) Durch
5. Welche Formulierung ist nicht gleichbedeutend mit diesem Satz: "Sie sagen, dass eine Strategie gegen den Antisemitismus entwickelt werden."
a) Nach ihnen muss eine Strategie gegen den Antisemitismus entwickelt werden.
b) Laut ihnen muss eine Strategie gegen den Antisemitismus entwickelt werden.
c) Ihretwegen muss eine Strategie gegen den Antisemitismus entwickelt werden.
Arbeitsauftrag
Es gibt viele Orte, die an den Holocaust erinnern, z.B. frühere Konzentrationslager, Museen oder Denkmäler. Vielleicht haben Sie auch schon einmal einen oder mehrere dieser Orte besucht. Überlegen und/oder recherchieren Sie im Internet und erstellen Sie eine Liste von solchen Orten. Wählen Sie dann einen aus und beschreiben Sie in zwei bis drei Sätzen, was der Besucher dort betrachten kann.
Autoren: Bernd Gräßler/Anne Gassen
Redaktion: Raphaela Häuser