Kenianische Truppen rücken in Somalia ein
17. Oktober 2011Die in Somalia operierende radikal-islamische Al Shabaab-Miliz hat am Montag (17.10.2011) den Truppen des Nachbarlandes Kenia mit schweren Gefechten gedroht. Ein Sprecher der Rebellengruppe rief seine Anhänger zum Kampf auf. Das kenianische Militär war am Sonntag mit Panzern und Helikoptern mehr als 100 Kilometer tief auf somalisches Gebiet vorgedrungen, um eine Pufferzone im Grenzgebiet zwischen den beiden Ländern zu schaffen.
Die kenianischen Soldaten arbeiteten mit somalischen Truppen zusammen, sagte einer der Bewohner im Süden des Landes, Ali Nur Hussein. Ein Sprecher der schwachen somalischen Übergangsregierung sagte, diese begrüße die logistische Unterstützung durch die "kenianischen Brüder", unterstrich aber, Somalia brauche keine kenianischen Truppen.
Kenia greift durch
Am Samstag hatte die kenianische Regierung aufgrund der jüngsten Entführungen von Ausländern auf ihrem Staatsgebiet ein härteres Vorgehen gehen die somalischen Al Shabaab-Milizen angekündigt. Die territoriale Integrität Kenias werde durch den Terrorismus gefährdet, sagte der Minister für Innere Sicherheit, George Saitoti. "Wenn man von einem Feind angegriffen wird, darf man den Feind verfolgen, bis man ihn hat."
Kenias Verteidigungsminister Yusuf Haji betonte: "Wir werden den Feind, die Al Shabaab, verfolgen, wo immer er sich aufhält, sogar in seinem eigenen Land. Wir sind bereit, jede notwendige Maßnahme zu ergreifen, um unsere territoriale Integrität zu schützen."
Spanische Helferinnen entführt
Das Fass zum Überlaufen brachte offenkundig eine Entführung am Donnerstagmorgen: Ein Al Shabaab-Kommando verschleppte zwei spanische Mitarbeiterinnen der Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" nahe des weltgrößten Flüchtlingslagers Dadaab. Der kenianischen Polizei gelang es trotz des Einsatzes von Hubschraubern nicht, die Entführer zu stellen. In Dadaab leben fast eine halbe Million Flüchtlinge, darunter viele aus Somalia. Die Miliz bestritt jede Beteiligung an der Verschleppung der Spanierinnen.
Im September und Oktober waren schon eine Britin und eine Französin aus Feriengebieten an der kenianischen Küste entführt worden. Bei der Verschleppung der Britin wurde deren Ehemann getötet. Die Täter werden in den Reihen der Al Shabaab-Miliz vermutet.
Kenianische Tourismusindustrie bedroht
Die Entführungen sind schwere Schläge für die Tourismusindustrie Kenias, das in erheblichem Maß von den Deviseneinnahmen der Branche abhängt. Nach der Entführung der Französin Anfang Oktober verließen viele Urlauber die betroffene Ferieninsel Manda. Frankreich und Großbritannien verschärften ihre Reisewarnungen. Während Frankreich seinen Bürgern davon abriet, auf das Lamu-Archipel zu reisen, warnte Großbritannien vor Reisen in Gebiete, die näher als 150 Kilometer zur somalischen Grenze liegen.
Die Vereinten Nationen haben nach der Entführung der beiden Spanierinnen alle nicht lebensrettenden Hilfsmaßnahmen im Flüchtlingslager ausgesetzt. Hunderte Mitarbeiter sind gezwungen, sich in ihren Büros aufzuhalten und Aufgaben wie die Umsiedlung von Familien vorerst ruhen zu lassen. Die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" zog vorsorglich rund 50 ausländische Helfer aus Dadaab ab. Gut 340 einheimische Helfer blieben allerdings vor Ort, versicherte der spanische Sektionschef José Antonio Bastos am Freitag.
Kehrtwende in Nairobi
Das militärische Eingreifen bedeutet für Kenia einen grundsätzlichen Wandel in der Haltung zur Lage in dem Nachbarland, das seit Jahrzehnten keine funktionierende Regierung mehr hat. Während andere afrikanische Länder wie Uganda und Burundi Tausende Soldaten nach Mogadischu geschickt haben, um dort gegen die Al Shabaab-Miliz vorzugehen, hat Kenia sich dort bisher nicht engagiert.
Al Shabaab werden enge Kontakte zum Terrornetz Al-Kaida nachgesagt. Die Miliz beherrscht große Teile Somalias, das derzeit von einer Hungerkatastrophe heimgesucht wird. In jüngster Zeit hat sie schwere militärische Rückschläge verkraften müssen, darunter ihre Vertreibung aus der Hauptstadt Mogadischu. Am Sonntag teilte die somalische Regierung mit, ihre Truppen hätten im Grenzgebiet wichtige Geländegewinne erzielt.
Autor: Reinhard Kleber (dapd, dpa, rtr, afp)
Rdaktion: Annamaria Sigrist